Bankendesaster

Immerhin fordert der ehemalige Präsident des Bunderverbandes deutscher Banken eine staatliche Bankenaufsicht mit mehr Kompetenzen, obwohl er das Bankendesaster verharmlost. Ob mehr Kompetenzen genügen, muss allerdings bezweifelt werden, solange nicht restriktive Regelungen die Banken an die Kandare nehmen. Danach sieht es bisher leider nicht aus.

Ex-Bankenpräsident Müller fordert mehr Staatsaufsicht Berlin:

(hib/KOS/HAU) Aufgrund der Erfahrungen mit der internationalen Finanzkrise und dem Beinahekollaps der Hypo Real Estate (HRE), die mittlerweile mit rund 90 Milliarden Euro an öffentlichen Garantien gestützt werden muss, plädiert Klaus-Peter Müller, ehemaliger Präsident des Bundesverbands deutscher Banken, dafür, die staatliche Bankenaufsicht mit mehr Kompetenzen auszustatten. Vor dem Untersuchungsausschuss, der die Vorgänge um die HRE aufklären soll, erklärte er am Dienstag, die BaFin solle beispielsweise Fusionen von Instituten untersagen können. Auch solle die Aufsicht das Recht erhalten, die Geschäftsmodelle einzelner Banken zu prüfen und eventuell Auflagen zu verhängen. Müller kritisierte zudem Regelungslücken auf europäischer Ebene:  So habe der Prüfungsverband der deutschen Banken die irische HRE-Tochter Depfa, die einen großen Teil zum Geschäftsvolumen des Münchner Instituts beigetragen und deren Schieflage das Desaster der HRE wesentlich herbeigeführt hat, nicht kontrollieren können.

Laut dem Zeugen war dem Bankenverband bis zur Pleite von Lehman Brothers Mitte September 2008, die dann die HRE als Folge der Turbulenzen auf den Finanzmärkten in Refinanzierungsprobleme stürzte, nicht bekannt, dass die HRE in ”ernsthafte Schwierigkeiten“ geraten könnte. Müller schilderte den Abgeordneten das sogenannte ”Bankenrettungswochenende“ Ende September 2008, bei dem sich Regierung und Banken auf ein erstes 35-Milliarden-Euro-Paket für die HRE verständigten, als äußerst dramatisch. Zeitweise habe es nach einem Scheitern des Rettungsversuchs ausgesehen, was angesichts der nationalen und internationalen Bedeutung der HRE zu einem ”GAU“ für das Bankenwesen geführt hätte: ”Dann wäre ein Tsunami über uns hinweg gerollt“, sagte Müller.

Die von den Banken zu dem Hilfspaket beigesteuerten 8,5 Milliarden Euro waren aus Sicht des Zeugen ”eigentlich jenseits der Schmerzgrenze“. Man sei überrascht gewesen von der ”Härte der Verhandlungen“ seitens des Finanzstaatssekretärs Jörg Asmussen, der in der Schlussphase der Gespräche zugegen war. Die Haltung der Regierung beim ersten ”Bankenrettungswochenende“ sei ”knüppelhart“ gewesen. Müller widersprach dem Eindruck, die Banken hätten die Regierung ”über den Tisch gezogen“.

Wie schon bei früheren Zeugenbefragungen wurde auch am Dienstag aus den Reihen der Opposition wieder entsprechende Kritik an der Verhandlungsstrategie der Regierung laut. Der seinerzeit amtierenden HRE-Spitze warf der Zeuge vor, ständig neue Zahlen über den Liquiditätsbedarf des Instituts präsentiert zu haben, weswegen das 35-Milliarden-Paket später um weitere 15 Milliarden Euro habe aufgestockt werden müssen. Auf eine entsprechende Frage sagte der Ex-Bankenpräsident, es wäre gut, wenn die Aufsicht frühzeitig Rettungsszenarien für kriselnde Institute durchspielen würde. Hätte es bereits vor dem HRE-Desaster solche Stress-Szenarien gegeben, dann wäre die Lehman-Pleite mit den folgenden panikartigen Reaktionen an den Märkten aber sicher nicht durchgespielt worden, meinte Müller. Das habe man sich nicht vorstellen können.

Mehrere Oppositionsparlamentarier monierten, dass die Banken für die zur Rettung der HRE bereitgestellten Kredite Zinsen kassieren: Auf diese Weise profitierten die Institute auch noch von ihrer eigenen Rettung durch die Steuerzahler. Müller bezeichnete solche kritischen Fragen als ”berechtigt“. Die Gewinnmargen seien jedoch nur gering, man verdiene sich daran ”nicht dumm und dämlich“. Ursprünglich sei man zudem davon ausgegangen, dass alle Hilfsgelder von der HRE zurückgezahlt werden könnten, so dass dann auch die Steuerzahler nicht belastet worden wären.

Herausgeber Deutscher Bundestag, PuK 2 – Parlamentskorrespondenz

Lesen Sie auch die demaskierenden Aussagen von Ackermann. Aus Spiegelonline

Der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, hat erneut vor einer überzogenen Regulierung der Banken gewarnt. „Wir müssen die anstehenden Reformmaßnahmen so optimieren, dass wir ein stabileres System bekommen, aber zugleich zu hohe volkswirtschaftliche Kosten für die Gesellschaft vermeiden“, sagte er dem Nachrichten-Magazin „Der Spiegel“. So wirke eine stärkere nationale Fragmentierung der Banken als „Wohlstandsbremse“. Ackermann sprach sich dagegen aus, global agierende Institute in einzelne Tochtergesellschaften mit jeweils eigenem Eigenkapital aufzuteilen, um sie im Krisenfall sicherer abwickeln zu können. Eine integrierte Bank lasse sich dagegen nicht so leicht auseinander dividieren, biete aber betriebliche und auch volkswirtschaftliche Vorteile.

Ackermann sprach sich dafür aus, dass Banken künftig einen Teil der von ihnen verbrieften Kredite in der eigenen Bilanz halten müssen: „Wenn wir selbst von dem kosten müssen, was wir kochen, kann das der Qualität nur bekömmlich sein.“ Richtig sei auch, vermehrt Derivate über börsenähnliche Gebilde zu handeln, um die gegenseitige Abhängigkeit von Banken untereinander zu reduzieren. Eine höhere Eigenkapitalquote nannte der Chef der größten deutschen Bank „im Grundsatz richtig“. Das Ziel einer Eigenkapitalrendite von 25 Prozent werde dadurch zwar schwieriger zu erreichen sein. Dafür gebe es aber Faktoren, „die es uns leichter machen – wie etwa die Tatsache, dass die Zahl unserer Wettbewerber durch die Krise abgenommen hat und sich die Margen dadurch verbessert haben“. Ackermann sagte: „Wir haben im Moment jedenfalls keinen Grund, von unserem Gewinnziel abzurücken.“

HRE kostet Steuerzahler weitere sieben Milliarden Von Roland Losch, Hamburger Abendblatt 5. Oktober.

Die Hiobsbotschaften zur verstaatlichten Hypo Real Estate häufen sich – trotzdem sprechen die abgefundenen Aktionäre vom „Bankraub ohne Pistole“.Die wohl teuerste Bank aller Zeiten: Wegen fauler Immobilienkredite und Wertpapiere brauche die Pfandbriefbank Hypo Real Estate vom Bund bis 2011 noch weitere sieben Milliarden Euro. Die Hilfe werde wohl „nicht vollständig zurückgeführt werden“, sondern teilweise durch Verluste aufgezehrt werden, sagte Wieandt am Montag auf der Hauptversammlung in München. Trotzdem empörten sich viele der 1300 anwesenden Kleinaktionäre über den „Rauswurf“ und machten mit Buhrufen und Pfiffen ihrer Wut über den bevorstehenden Zwangsausschluss Luft.

Der staatliche Rettungsfonds SoFFin hält bereits 90 Prozent der HRE-Aktien und hat damit die notwendige Mehrheit, um die noch verbliebenen Aktionäre gegen Zahlung einer Abfindung von 1,30 Euro je Anteil auszuschließen. Anschließend will der SoFFin die Bank von der Börse nehmen und sanieren.

Wieandt(HRE-Chef) sagte, nur die vollständige Verstaatlichung könne die systemrelevante Pfandbriefbank vor der Pleite retten. Seit einem Jahr könne die HRE nur mit den Liquiditätshilfen des Bundes und eines Bankenkonsortiums „die Zahlungsunfähigkeit vermeiden“, und das werde noch Jahre so bleiben.

Zusätzlich zu den bereits gezahlten drei Milliarden Euro sei bis 2011 ein „weiterer Kapitalbedarf von sieben Milliarden Euro“ notwendig. Allein bis September nächsten Jahres erwarte er eine „Kapitallücke von 4,2 Milliarden“ Euro, und „zusätzlich ist eine Risikoreserve nötig“, erklärte der Vorstandschef. Bis Ende 2011 seien allein für faule Immobilien- und Infrastrukturfinanzierungen 4,9 Milliarden Euro an Abschreibungen zu erwarten.

Unternehmenswert unter null

„Wir gehen weiterhin nicht davon aus, dass wir vor 2012 wieder in die Gewinnzone zurückkehren können“, sagte Wieandt. Man müsse davon ausgehen, dass das vom SoFFin zur Verfügung gestellte „Kapital nicht vollständig zurückgeführt werden wird, sondern teilweise durch Verluste der Gesellschaft aufgezehrt werden wird“. Die Abfindung sei angemessen, weil der Unternehmenswert ohne Staatshilfen noch weniger als null wäre. Das hätten gerichtlich bestellte Gutachter bestätigt, betonte der HRE-Chef.

Dazu passt der Artikel von Moritz Döbler, Tagesspiegel, 23.Jan 2010:

Kampf gegen Maßlosigkeit

Das Signal ist angekommen. So sehr an Obamas Vorhaben jetzt herumgekrittelt wird und mancher Einwand vernünftig ist, man wünschte sich auch in Europa jemanden, der den Bankern die Stirn böte. Der sagt, dass es so nicht bleiben kann, dass die Maßlosigkeit enden muss, dass nicht allein das Geld das Sagen haben darf.

Relevanz misst sich in der Welt des Geldes allein in – Geld. Die Kampfansage von Barack Obama an die Wall Street erweist sich auch in dieser Hinsicht als relevant: Rund um den Globus ist der Börsenwert der einschlägigen Finanzinstitute zusammengeschnurrt. Die Aktienhändler wetten – jedenfalls für den Moment – darauf, dass den Worten des Präsidenten Taten folgen und die Banken schrumpfen werden.

Das Signal ist angekommen. So sehr an Obamas Vorhaben jetzt herumgekrittelt wird und mancher Einwand vernünftig ist, man wünschte sich auch in Europa jemanden, der den Bankern die Stirn böte. Der sagt, dass es so nicht bleiben kann, dass die Maßlosigkeit enden muss, dass nicht allein das Geld das Sagen haben darf. Einen, der dafür sorgt, dass die Bürger nicht unbegrenzt und unkontrolliert in Haftung genommen werden.

Denn darum geht es im Kern. Es geht um die bisher kostenlose Versicherung für systemische, mutmaßlich unverzichtbare Banken. Am Ende zahlt der Staat. Diese Gratispolice (fast) ohne Selbstbeteiligung hat bis heute Bestand. Die Lehman-Pleite war die eine Ausnahme von der Regel, die deswegen Schockwellen auslöste: Die Finanzwelt hatte sie nicht eingepreist, wie es im Geldjargon heißt, weil sie schlicht unvorstellbar war.

Die 20 größten Industriestaaten und Schwellenländer haben wiederholt über die Lehren aus der Finanzkrise beraten, in Washington, London, Pittsburgh. Geändert hat sich nicht genug. Der demokratisch legitimierte Präsident der größten Volkswirtschaft der Welt zieht jetzt daraus seine Konsequenzen und wählt den Alleingang. Obamas Basta. Das ist – gerade aus deutscher Perspektive – ein Kritikpunkt, auch weil Obama Punkte aufgreift, die vorher an amerikanischen Einsprüchen scheiterten.

Viel wichtiger aber ist, dass etwas in Gang kommt. „Wenn diese Leute einen Kampf wollen, dann ist es ein Kampf, für den ich bereit bin“, hat Obama über die Banker gesagt. Diese Leute! Kampf! In solchen Worten klingt nicht nur ein neuer Ton an, sondern eine neue Politik – und vielleicht sogar wirklich eine Revolution. Dass sie spät kommt und plötzlich die klugen Vorschläge des fast schon vergessen geglaubten Ex-Zentralbankers Paul Volcker hervorzaubert, dass sie auch eine Reaktion auf eine verlorene Regionalwahl ist, wen interessiert’s? Die hiesige Politik schaut derzeit auch allein auf die Umfragewerte in Nordrhein-Westfalen und nicht aufs große Ganze.

Der Eigenhandel ohne Kundenauftrag, den die Banken mit staatlicher Vollkaskoversicherung betreiben, grenzt an Glücksspiel und muss beschränkt werden. Investmentbanking hat nichts mit ordentlicher Einlagenverwaltung und Kreditvergabe zu tun – oder schadet diesen für Bürger und Unternehmen unerlässlichen Funktionen sogar – und sollte deswegen sauber abgegrenzt werden. Wer einen Blick auf die Trümmer der deutschen Landesbanken wirft, versteht die beiden zentralen Anliegen Obamas sofort. Und natürlich ist es richtig, die Banken an den Kosten ihrer Rettung zu beteiligen, weil sie dazu wieder in der Lage sind, wie es der Präsident ebenfalls angekündigt hat.

 


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