Bauernproteste

 

Ja, die Landwirte haben es geschafft, mit ihren überdimensionierten Treckern in den vergangenen Wochen auf sich aufmerksam zu machen, z.T. leider rücksichtslos. Aber war diese Aufmerksamkeit begründet, war sie ökonomisch vertretbar, verhältnismäßig und frei von Straftaten? Die meisten Landwirte werden diese Fragen bejahen. Aber stimmt das auch? Lassen Sie sich überraschen.

Wer für seine Interessen demonstrieren will, muss das friedlich tun. Diejenigen, die glauben, sich nicht an Regelungen wie die des Strafgesetzbuches halten zu müssen und deswegen Nötigung für gerechtfertigt halten, müssen dafür zur Verantwortung gezogen werden. Das gilt gleichermaßen für Klimakleber und Landwirte.

Klimakleber und Landwirte

Klimakleber haben wie die Landwirte Straßen blockiert, um auf ihr Anliegen, nämlich den Klimaschutz, öffentlich hinzuweisen. Sie sind dafür zu Geldstrafen verurteilt worden und werden inzwischen sogar als Kriminelle und sogar als kriminelle Vereinigung bezeichnet. Innenminister Reul (NRW) nennt Klimakleber Kriminelle, für das Landgericht München sind sie sogar eine kriminelle Vereinigung.

Strafgesetzbuch (StGB)
§ 129 Bildung krimineller Vereinigungen

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine solche Vereinigung unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt.

Aus diesem Paragraph ergibt sich für die Klimakleber eindeutig, dass sie keine Kriminellen sind. Macht man sich jedoch die Bewertung des Landgerichts München, von Alexander Dobrindt (Fraktionschef der CSU im Deutschen Bundestag) und von Herbert Reul zu eigen, dann sind die Klimakleber eine kriminelle Vereinigung, weil sie neben Nötigungen und Sachbeschädigungen weitere Taten begehen, die eine Gefahr für die öffgenfliche Sicherheit begründen.

Wie sind bei einer solchen Bewertung z.B. die Taten der Bauern zu bewerten, die die Fähre stürmen wollten, auf der sich Wirtschaftsminister Robert Habeck befand?

 

Strafgesetzbuch (StGB) § 240 Nötigung

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Genauso eindeutig sind die Aktionen der Klimakleber, die damit leider den Klimaschutz diskreditieren, dann als Nötigung zu bezeichnen, wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit außer Acht gelassen wird. Die Demonstrationen der Landwirte sind auf jeden Fall Nötigungen und müssten zumindest mit Geldstrafen geahndet werden. Tatsächlich ist bisher nicht bekannt, dass überhaupt eine solche Strafe erfolgt ist.

Professor Fratzscher in ZeitOnline: Eine Schande für Demokratie und Anstand ist es, wenn Politiker und Medien Klimaschützer als Terroristen bezeichnen, sie wie Kriminelle behandeln und die Legitimität ihrer Proteste leugnen. 

Diese massive Ungleichbehandlung ist inakzeptabel, weil sie offensichtlich systematisch erfolgt und grundgesetzlich nicht gedeckt ist. Sorgen bereiten müssen darüber hinaus Tendenzen bei dem Bauernverband, der Polizei und der jeweiligen Kreisverwaltung, geltendes Recht eigenwillig anzuwenden.

So beginnt die Erosion des Rechtsstaates auf  kommunaler Ebene.

 

Einkommen, Gewinne, Subventionen

Landwirte sind überwiegend Unternehmer. Für sie besteht dann Bilanzierungspflicht, wenn der jährliche Umsatz mehr als 600.000 € oder der Jahresgewinn mehr als 60.000 € beträgt. Darunter genügt eine Einnahmen-Überschussrechnung. Den Betriebseinnahmen (im wesentlichen Umsatzerlöse) stehen Betriebsausgaben wie Wareneinsatz, Personalkosten, Kraftfahrzeugkosten usw. gegenüber. Bereits ein mittleres Unternehmen (Haupterwerbsbetrieb) von 80 Hektar und vier Arbeitskräften (Personalkosten) hat regelmäßig einen Jahresgewinn von ungefähr 50.000 – 60.000 € mit Ausreißern nach oben und unten. Das Einkommen der Arbeitskräfte (Personalkosten) ist eingepreist. Großbauern erreichen  mindestens den doppelten Gewinn des genannten mittleren Unternehmens.

„Im Durchschnitt lag das Unternehmensergebnis der Haupterwerbsbetriebe bei 115.400 Euro je Betrieb“, so der Bauernverband. Ein Jahr zuvor hatte der durchschnittliche Ertrag noch bei 79.432 Euro gelegen. Somit ist es den Bauern trotz externer Krisen wie Inflation, höheren Energiekosten und Lieferkettenproblematiken gelungen, den eigenen Gewinn innerhalb eines Jahres um 45 Prozent zu steigern.

Subventionen, also steuerliche Direktzahlungen und Zuschüsse, sind dennoch prinzipiell angebracht – nicht nur zugunsten der Landwirte – um die für die Versorgung einer Region erforderlichen Güter zum Marktpreis anbieten zu können. Landwirte erhalten z.B. pro Hektar einen Betrag von 156,00 €. Jeder kann sich ausrechnen, dass von dieser Zahlung bäuerliche Großbetriebe mehr profitieren als kleinere Betriebe. Gleiches gilt für den Agrardiesel, der pro Liter mit 21,48 Cent bezuschusst wird. Auch davon profitieren Großbauern unverhältnismäßig wegen ihres großen Maschinenbestands, zu dem nicht nur die z.T. überdimensionierten Trecker mit einem extrem hohen Dieselverbrauch gehören. Zwei Milliarden umweltschädliche Liter Diesel werden von deutschen Landwirten pro Jahr verbraucht.

Darüber hinaus haben diese Bauern ihren Betrieb mit der Massentierhaltung industriell ausgerichtet, um bei gleichen Betriebskosten größere Mengen produzieren zu können. Dass führt zu Tierquälerei und zu einer intensiven Nutzung der Flächen mit einem Übermaß an Gülle und Chemie, welches letztlich im Trinkwasser landet.

Das können und wollen Bio-Bauern und kleinere konventionelle Haupterwerbsbetriebe nicht. Sie sind deswegen zusätzlich im Nachteil, wenn die Marktmacht der Einzelhandelskonzerne zu Preisdiktaten führt, die sie doppelt treffen, weil sie die Ausgleichsmechanismen der Großbauern nicht haben. Das wird dazu führen, dass kleinere Betriebe aufgeben müssen, während die Zahl der Großbetriebe zunimmt. Eine fatale Entwicklung gerade auch für die bisherige regionale Vielfalt.

Umso unverständlicher ist es, wenn sich kleinere Betriebe von dem Bauernverband vor den Karren der Großbetriebe spannen lassen, da dieser Bauernverband mit seinem Präsidenten Rukwied einzig die Interessen der Großbauern vertritt. Sein Auftreten ist populistisch und demagogisch, er bevorzugt die Kumpanei mit den Großen als Aufsichtsratsmitglied von Südzucker und die permanente Regelverletzung, was die Abläufe der Proteste belegen. Zudem ist nicht ausgeschlossen, dass er und seine Gefolgsleute eine bestimmte Nähe zur AfD haben, auch wenn das stets geleugnet wird. Unstrittig ist hingegen, dass sich extrem Rechte mit völkischer Ausrichtung in ländlichen Gebieten ansiedeln.

Ausmaß und politische Dimension der Proteste

Vielfach unangemeldet, verbunden mit Nötigungen in einem erheblichen Ausmaß, Gewaltandrohungen, unerhörte Beleidigungen gegen Politiker wie Habeck und Özdemir und Parolen, die auf einen Systemwechsel abstellen, sind bisher Teil der meisten Demonstrationen gewesen. Appelle zur Mäßigung und zum rechtskonformen Verhalten sind vom Präsidenten des Bauernverbandes nicht erfolgt, stattdessen aber eine deutliche Ablehnung rechtsextremer Umtriebe bei den Demonstrationen. Die Frage ist dennoch, ob ein Teil der Demonstranten rechtsextrem ist oder ob es der Bauernverband selbst ist, dem eine Nähe zur AfD zugeordnet werden muss.

Plakate wie die eines Galgens, an dem die Ampel hängt, die Teilnahme der rechtsextremen Landvolkbewegung in der Tradition der Nazis oder die Parole, „Die Ampel muss weg“ oder „Diese Regierung ruiniert die Bevölkerung“ gehen weit über eine übliche Demonstration hinaus. Sie haben vielmehr das Ziel, eine mehrheitlich vom Bundestag gewählte Regierung aus dem Amt zu jagen. Vielleicht sogar mit Gewalt wie sie gegen Habeck auf der Fähre beinah erfolgt wäre, oder wie in den USA mit der Stürmung des Capitols.

Solche Aktionen sind gegen den demokratischen Rechtstaat gerichtet und diskreditieren den an sich nachvollziehbaren Protest. Eine gewählte Regierung aufhängen zu wollen, ist jenseits von Maß und Mitte und sollte dazu führen, dass sich friedliche Demonstranten, die es auch gegeben hat, klar und öffentlich dagegen wehren. Von einer  Regierung die Rücknahme von Einsparungen zu verlangen, ihr aber die Legitimität insgesamt abzusprechen, ist absurd.

Einige wenige Landwirte haben sich inzwischen zu Wort gemeldet und Verständnis für den Protest in der Sache geäußert, aber gleichzeitig auch ihr Unverständnis über das erfolgte Ausmaß. Es wird Zeit, dass sich die Landwirte gegen die weiterhin industriell gewollte Landwirtschaft des Bauernverbandes zur Wehr setzen, die von kleineren konventionellen Haupterwerbsbetrieben nicht umgesetzt werden kann und von den Bio-Bauern ohnehin nicht gewollt ist. Aufpassen müssen die Bio-Bauern aber darauf, dass sie nicht mit Öko-Bauernhöfen in der Provinz gleichgesetzt werden, die von Umvolkung sprechen und ökologisch denken. Diese „völkischen Siedler“ ziehen eine Grenze zwischen wir und den anderen und wollen eine „Deutsche Identität“.

Einige Bauern sehen sich heute in der Tradition der »Landvolkbewegung«, die sich in einer Agrarkrise ab 1928 radikalisierte. Als die damaligen Massendemos und Steuerstreiks nicht verfingen, setzten manche auf Terror. Am Ende profitierten die Nazis. Auf Bauernversammlungen am 30.Jan.2024 gesehen, das Logo der Landvolkbewegung:

 

Zeitenwende in der Landwirtschaft

Die bisherige Agrarpolitik, über Jahrzehnte von der CDU verantwortet, ist endgültig gescheitert. Die Konzentration auf Großbetriebe(Agrarindustrie) begünstigt eine Minderheit, während die Mehrheit die Kosten auf Dauer nicht mehr stemmen kann. Daraus ergibt sich eine Benachteiligung der Mehrheit, während die Minderheit ökonomisch stark genug ist, um ohne Subventionen auszukommen.

Einsparungen, die von der Bundesregierung ursprünglich gar nicht vorgesehen waren, sind aber nicht nur bei den Landwirten notwendig geworden, weil das Bundesverfassungsgericht einer Klage der CDU stattgegeben hat, wonach nicht benötigte Gelder von 60 Mrd € wegen der Corona-Krise nicht für Umweltmaßnahmen investiert werden dürfen. Die Bauern sollten sich daher an die CDU wenden und nicht die Regierung dafür verantwortlich machen.

Verteilung der Subventionen

 1.Die faktische Bevorzugung von Großbauern ist mit einer nachhaltigen Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen nicht vereinbar. Sie brauchen keine Subventionen.

2.Bei der Zahlung von 156,00 pro Hektar muss die übermäßige Begünstigung der Großbauern beendet werden. Diese Zahlung muss auf die Landwirte verteilt werden, die mit ihren Maßnahmen zum Umwelt- Biodiversitäts- und Tierschutz beitragen. Die Zahlung pro Hektar an die genannten Landwirte kann dann sogar erhöht werden. .

3..Der übermäßige Einsatz von Landmaschinen wie z.B. Treckern kann nicht weiter gefördert werden. Die Preisermäßigung von Biodiesel muss daher im vorgegebenen Zeitrahmen entfallen.

Rolf Aschenbeck

image_printDrucken

Ein Kommentar

  1. Hallo Dieter, ein sehr guter und informativer Artikel. Beste Grüße aus dem Rheinland Bernd

Kommentare sind geschlossen.