Betriebsrenten

Die Absicht der SPD, den bisherigen vollen Krankenkassenbeitrag zu halbieren und damit die Betriebsrente entsprechend zu erhöhen, obwohl der Koalitionsvertrag eine solche Absicht nicht hergibt, wäre im Interesse der jetzigen und künftigen Rentner zu begrüßen, wenn es dabei geblieben wäre. Lesen Sie den Beitrag von Philioo Neumann, dem HA entnommen.

Berlin.  Die SPD will die Empfänger von Betriebsrenten finanziell entlasten und dafür sorgen, dass sie künftig weniger Krankenkassenbeiträge zahlen. „Die derzeitige Regelung ist gefühlt und tatsächlich ungerecht“, sagte der Vizechef der SPD-Bundestagsfraktion Karl Lauterbach. Sollten sich die Sozialdemokraten mit ihren Plänen durchsetzen, müssten die Betriebsrentner nur noch den halben Krankenkassenbeitrag zahlen. Sie würden um drei Milliarden Euro im Jahr entlastet.

Lauterbach kündigte an, seine Pläne seien mit der SPD-Fraktionsvorsitzenden Andrea Nahles abgesprochen. Er werde sie in den nächsten Wochen mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) beraten. Im Koalitionsvertrag war die Entlastung der Betriebsrentner nicht vereinbart worden, beide Seiten konnten sich damals nicht darauf einigen. Der Ausgang des Vorhabens ist daher ungewiss. Spahn wollte sich am Mittwoch nicht äußern. Sein Ministerium verwies nur auf die hohen Kosten, die dadurch entstünden.

Riester-Renten frei von Kassenbeiträgen

Hintergrund des Vorstoßes ist eine Regel, die seit Jahren für Unmut unter Rentnern sorgt: Ruheständler, die gesetzlich krankenversichert sind und Einkommen aus einer Betriebsrente oder einem Versorgungswerk erhalten, zahlen auf dieses Einkommen oft den vollen Krankenkassenbeitrag von 14,6 Prozent plus den Zusatzbeitrag von 0,9 Prozent. Diese Situation betrifft geschätzt fünf Millionen Menschen, genaue Zahlen gibt es nicht.

Die Regel erscheint deshalb ungerecht, weil für die normale Rente der gesetzlichen Rentenversicherung nur der halbe Kassenbeitrag von 7,3 Prozent und der Zusatzbeitrag fällig sind. Die andere Hälfte zahlt die Rentenversicherung . Riester-Renten sind sogar komplett frei von Kassenbeiträgen. Diese unterschiedliche Behandlung wurde in Gerichtsverfahren mehrfach als zulässig bestätigt.

Überschüsse der Kassen sollen Reform ermöglichen

Die Regel wurde 2004 von der damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) eingeführt. Ursache dafür war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, aber auch die damals finanziell schlechte Situation der gesetzlichen Krankenkassen. Dass das Thema jetzt auf die Tagesordnung kommt, liegt an den hohen Überschüssen, die viele Krankenkassen derzeit machen.„Die finanziellen Voraussetzungen der Krankenkassen sind günstig“, sagte Lauterbach am Mittwoch und wies darauf hin, dass dies auch Gesundheitsminister Spahn so sehe. Spahn wolle die Kassen sogar zu Beitragssenkungen zwingen, so Lauterbach. Das Geld könne man besser verwenden, um die Betriebsrenten als zweite Säule der Altersvorsorge zu stärken. Konkret schlägt die SPD nun vor, dass Empfänger von Betriebsrenten nur den halben Krankenkassenbeitrag zahlen – so wie bei normalen Renten auch. Diese Neuerung würde bedeuten, dass den Kassen pro Jahr rund zwei Milliarden Euro Einnahmen fehlen. Darüber hinaus möchte die SPD erreichen, dass auf Betriebsrenten unter 152 Euro im Monat in keinem Fall ein Krankenkassenbeitrag fällig wird.

Dies soll über einen „Freibetrag“ geregelt werden. Das bedeutet, dass höhere Betriebsrenten erst ab dieser Summe beitragspflichtig werden. Bis jetzt gibt es nur eine „Freigrenze“, was dazu führt, dass beim Überschreiten der 152 Euro die gesamte Betriebsrente ab dem ersten Euro beitragspflichtig wird. Durch diese Neuregelung würde den Krankenkassen nach Lauterbachs Rechnung eine Milliarde Euro fehlen.

Union sieht Gerechtigkeitsproblem

Die Veränderungen würden seinen Angaben zufolge konkret bedeuten, dass jemand, der 500 Euro Betriebsrente pro Monat bekommt, 40 Euro weniger Krankenkassenbeiträge zahlen würde. Dies solle aber nur für die Zukunft gelten. Eine Rückabwicklung des damaligen Gesetzes sei nicht geplant, so Lauterbach. Sie würde 40 Milliarden Euro kosten und sei „nicht sinnvoll“, da den Betroffenen „im rechtlichen Sinn kein Schaden entstanden sei“.

Der Spitzenverband der Krankenkassen berechnet die Einnahmeausfälle etwas höher, nämlich auf „deutlich über drei Milliarden Euro“. Nach Angaben eines Sprechers bedeute dies, dass der Kassenbeitrag um 0,2 Prozentpunkte steigen müsste. Es sei unklar, ob und wie lange einzelne Kassen dies aus Reserven bezahlen könnten.

Die mögliche Erhöhung des Kassenbeitrags für alle gesetzlich Versicherten ist für Politiker von CDU und CSU einer der Gründe, die von der SPD vorgeschlagene Reform skeptisch zu sehen. Sie befürchten ein neues Gerechtigkeitsproblem, das der CDU-Sozialpolitiker Peter Weiß neulich formulierte: Arbeitnehmer und Rentner ohne Betriebsrente würden dann über ihre normalen Beiträge die Besserstellung der Betriebsrentner finanzieren. Auch Weiß ist aber für die Umwandlung der Freigrenze von 152 Euro in einen Freibetrag. Parteifreunde von ihm wollen noch weiter gehen und fordern dieselbe Reform wie die SPD. Andere Unions-Politiker wollen gar keine Änderung. CDU und CSU haben in der Frage noch keine einheitliche Linie.

Klaus Stiefermann, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft betriebliche Altersvorsorge, wirbt dafür, mindestens die Situation von 2003 wiederherzustellen. Das würde vor allem für Bezieher niedriger Renten wichtig.

Anmerkungen

Die Notwendigkeit einer Betriebsrente unabhängig von einer Einmalzahlung als Ergebnis der Direktversicherung wird im Video vernachlässigt, da die individuelle Vorsorge betont wird. Die monatliche Zahlung einer Betriebsrente ist jedoch erforderlich, wenn der erreichte Lebensstandard im Alter annähernd beibehalten werden soll. Die hälftige statt der vollen Zahlung des Krankenkassenbeitrags trägt zur Lebensstandardsicherung  bei, weil sich das Alterseinkommen entsprechend erhöht. Um Belastungen der Krankenkassen zu vermeiden, müsste es im Ergebnis bei der vollen Zahlung an die Krankenkassen bleiben:

Eine Hälfte zahlt der Betriebsrenter, die andere Hälfte die Zahlstelle, in der Regel eine Pensionskasse. Damit wäre auch das scheinheilige Argument der Besserstellung der Betriebsrentner obsolet.

Ich bin mal gespannt, ob dann wiederum der Hinweis auf die sogenannten Lohnnebenkosten /oder Lohnzusatzkosten) kommt, bei denen es sich tatsächlich um die Beiträge zur Sozialversicherung handelt, also um einen Teil der Lohnkosten. Mit dem Kampfbegriff „Lohnnebenkosten“, zu denen auch die Zahlungen an Pensionskassen gehören, sollte die Kürzung der Löhne und Gehälter verschleiert werden. Dieser Kampfbegriff, benutzt von den Arbeitgeberverbänden und ihnen nahestehender Einrichtungen wie dem IWG, ist von der damaligen rot-grünen Bundesregierung übernommen worden und zielte gegen die Arbeitnehmer.  Dieser Begriff wird heute noch verwendet und möglicherweise auch noch von Teilen der Funktionärselite der SPD. Es wird sich herausstellen, 0b aus einer Absicht eine gesetzliche Regelung wird.

Im übrigen wird es bei einer künftigen hälftigen Beitragszahlung keine rückwirkende Erstattung geben können. Das gilt auch für die Betroffenen, die den vollen Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung über den Zeitraum von zehn Jahren gezahlt haben bzw, jetzt noch zahlen.

Betriebsrentenstärkungsgesetz

Dieses Gesetz ist tatsächlich ein Betriebsstärkungsgesetz (Arbeitgeberstärkungsgesetz) und schwächt gleichzeitig die bisherigen Ansprüche der Arbeitnehmer. Lesen Sie den Referentenentwurf, der weitgehend dem letztlich beschlossenen Gesetz entspricht. Lesen Sie insbesondere den Teil „Wesentlicher Inhalt des Entwurfs“ auf den Seiten 25/26.

BetriebsrentenstärkungsG-E_04-11-2016

Aus der Absicht, auch Betriebsrenten nur noch mit dem hälfigen Beitrag zur Krankenversicherung zu belegen, ist eine absurde Diskussion zur sogenannten „Doppelverbeitragung “ geworden. Damit ist die gute Absicht der SPD vom Tisch, ohne von ihr dazu gehört zu haben. Lesen Sie die unsägliche Stellungnahme der GKV-Spitzenverbandes zur Doppelverbeitragung, die auf einem Antrag der Bundestagsfraktion „Die Linke“ im Bundestag mit dem Titel „Gerechte Krankenversicherungbeiträge für Betriebsrenten“ beruht. Mit ihrem Antrag hat auch diese Partei den Arbeitnehmern und Rentnern keinen Gefallen getan:

Doppelverbeitragung-Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes

Inzwischen hat der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes (GKV-SV), dessen Mitglied ich war, mit Mehrheit die uneingeschränkte hälftige Zahlung des Krankenversicherungsbeitrags beschlossen und sich damit gegen den Vorstand des GKV-SV durchgesetzt. Dieser Beschluss ist nicht überraschend, sondern entspricht dem Selbstverständnis dieses Gremiums:

Die Diskussion um hohe Krankenkassenbeiträge auf Betriebsrenten bleibt in Bewegung. Als Überraschung gilt, dass der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nach einem Beschluss seines Verwaltungsrates eine Halbierung der Beitragssätze befürwortet. Seit 2004 wird auf Versorgungsbezüge (Betriebsrenten und Kapitalzahlungen) neben dem Arbeitnehmeranteil zusätzlich der fiktive Arbeitgeberanteil erhoben, also der volle Beitragssatz. Damals ging es den Krankenkassen schlecht, und Betriebsrentner galten als belastbar. Die Arbeitgeberverbände wollen, dass es dabei bleibt. Sonst würden Betriebsrentner zu Lasten aller Beitragszahler subventioniert. Im Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes wurden die Vertreter der Arbeitgeber jedoch überstimmt. In einer Kampfabstimmung konnten die Vertreter der Versicherten den Beschluss durchsetzen, den Beitragssatz auf den Arbeitnehmeranteil zu reduzieren.(Auszug aus dem General-Anzeiger vom 24.11.2018)

Nach der SPD hat sich auch die CDU mehrheitlich für eine hälftige Zahlung des Krankenversicherungsbeitrags ausgesprochen. Eine entsprechende Regelung ist mit dem Betriebsrentenfreibetragsgesetz im Ansatz erfolgt:

Betriebsrentenfreibetragsgesetz

 

Rolf Aschenbeck

 

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