VBL

Die VBL, die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, ist eine Betriebsrente, vergleichbar mit Betriebsrenten der Privatwirtschaft. Die Vereinbarung mit der Gewerkschaft ver.di zur Neuregelung dieser Betriebsrente hat tatsächlich zu Kürzungen im Vergleich zur bisherigen Regelung geführt. Lesen Sie den Bericht der Sendung „Frontal21“.

„Betrogen und enteignet“

Versteckte Rentenkürzung

von Olaf Kumpfert

Fast 1,5 Millionen Angestellte des Öffentlichen Dienstes sind von einer deutlichen Rentenkürzung betroffen. Nach einer Umstellung des Rentensystems müssen sie auf bis zu 70 Prozent ihrer Zusatzrente, der sogenannten VBL-Rente, verzichten. Von der Umstellung profitieren etwa 30.000 Spitzenverdiener

Axel Brinkmann war 28 Jahre lang Berufsberater beim Arbeitsamt Wolfsburg und damit im Öffentlichen Dienst tätig. Im Vergleich zur freien Wirtschaft verdiente er deutlich weniger. Als Ausgleich dafür sollte er später eine bessere Rente erhalten. Gut 90 Prozent vom letzten Nettogehalt sollte sie betragen, so wurde es den Mitarbeitern versprochen. Dafür zahlte Axel Brinkmann in zwei Rentenkassen ein: Zum einen in die gesetzliche Rente, zum anderen in die Zusatzrente für den Öffentlichen Dienst – kurz VBL (Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder). Das ist die größte deutsche Zusatzversorgungskasse für Betriebsrenten im Öffentlichen Dienst.

Mit 65 Jahren bekäme Brinkmann so neben der gesetzlichen Rente mit rund 1020 Euro die VBL-Rente mit etwa 600 Euro; zusammen also 1620 Euro. Doch nach Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften wird das Rentensystem der VBL zum Jahreswechsel 2001/2002 umgestellt. Erst Monate später erfährt Brinkmann, dass seine VBL-Rente jetzt deutlich geringer ausfällt. Die gesetzliche Rente bleibt bei 1020 Euro. Doch seine VBL-Rente wurde auf 180 Euro reduziert, 420 Euro weniger Rente als zuvor. Insgesamt rechnet er mit einem Vermögensschaden von 100.000 Euro. Brinkmann ist wütend. Er nimmt sich einen Anwalt.

1,5 Millionen Verlierer

Rechtsanwalt Bernhard Mathies aus Lüneburg schätzt die Zahl der Geschädigten auf fast 1,5 Millionen. Er vertritt inzwischen 4000 betroffene Mandanten. Jeder wird vor Gericht wie ein Einzelfall behandelt. Ihm fällt auf: Die Allermeisten sind zum Zeitpunkt der Rentenumwandlung unverheiratet. Mathies gibt beim Wirtschaftsmathematiker Werner Siepe ein Gutachten in Auftrag. Dessen Ergebnis: „Die Hauptverlierer befinden sich in der Einkommensgruppe von 2000 bis 4500 Euro, sind die älteren Jahrgänge, insbesondere die alleinstehend waren zum Stichtag.“

Zu denen gehört Dieter Grüner. Er hatte im Dezember 2001 seine Hochzeit geplant und bereits das Aufgebot bestellt. Doch dann musste er den Hochzeitstermin aufs nächste Jahr verschieben, „und das hat dazu geführt, dass mir jetzt dauerhaft an der Rente 320 Euro fehlen“. Weil er am Stichtag der Rentenumstellung unverheiratet war, gilt er für die VBL-Rente ein Leben lang als ledig. Über diese Auswirkung wurde er weder vom Arbeitgeber noch von den Gewerkschaften rechtzeitig informiert. Grüner klagt gegen diese Rentenkürzung bereits vor dem Bundesverfassungsgericht und hofft noch dieses Jahr auf ein Urteil. So wie Grüner erging es Hunderttausenden von Angestellten im Öffentlichen Dienst, hat Wirtschaftsmathematiker Siepe ermittelt.

30.000 Gewinner

Doch es gibt auch Gewinner dieser Rentenumstellung. Was Grüner, Brinkmann und die anderen Betroffenen besonders wütend macht: 30.000 Spitzenverdiener bekommen jetzt mehr Rente: „Leute die sehr viel verdienen, über 5000 Euro und verheiratet sind. Sie profitieren von einer deutlich höheren Zusatzrente im Vergleich zu früher“, erklärt Siepe und fügt hinzu: Man könne sagen, sie bereichern sich auf Kosten der Verlierer.

Frontal21 fragt nach bei den Arbeitgebern. Kommunen und Länder verweisen auf das Bundesinnenministerium. Dort will man von Ungerechtigkeiten nichts wissen. Schriftlich teilt man uns mit: „Strukturelle Nachteile ganzer Beschäftigungsgruppen – liegen nicht vor.“ Schließlich hätten die Gewerkschaften dem Ergebnis auch zugestimmt. Auch dort fragen wir nach. ver.di teilt mit, dass das gewählte Verfahren „das schonendste“ war, teilt zwar im Nachhinein die Kritik, spielt aber das Problem herunter. Betroffene wie Dieter Grüner fühlen sich „über den Tisch gezogen, betrogen und enteignet“. Sein Kollege Axel Brinkmann wollte sich das nicht länger gefallen lassen: „Für mich war klar: Auf diesen Arbeitgeber kannst du dich nicht mehr verlassen.“
Er ist inzwischen aus dem Öffentlichen Dienst ausgeschieden.


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Ein Kommentar

  1. ich war 36 jahre im öffentlichen dienst. von 74an jetzt rechnet man mir alles mit punkten an. angeblich muß verdi seit jahren darüber verhandeln, ob ich noch unter die alten jahrgänge falle. das ist doch betrug. wenn aber die herren eine erhöhung brauchen, geht das sofort.

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