Trinkwasser

In vielen Ländern der Welt ist sauberes Trinkwasser Luxus. Bakterien, Arsen und andere unerwünschte Inhaltsstoffe sind dort die Regel. Die WHO schätzt, dass täglich 6.000 Kinder an Krankheiten sterben, die durch verschmutztes Trinkwasser verursacht werden. In Industriestaaten und vielen Schwellenländern ist Wasser eine begehrte Handelsware. Von Jens Berger, auszugsweise und redaktionell überarbeitet den NachDenkSeiten entnommen.

Nicht etwa das Wasser selbst, sondern die Dienstleistungen rund um das Wasser sind sehr profitabel. Dabei verbietet der gesunde Menschenverstand eigentlich jegliche Privatisierung dieser elementaren Lebensgrundlage. Die Trinkwasserversorgung ist lebensnotwendig und  daher  für einen Wettbewerb im Markt völlig ungeeignet.

Dennoch machen Konzerne gigantische Gewinne mit der Ressource Wasser, weil es als Lebensgrundlage von allen Menschen benötigt wird und sich daher bestens als Ware eignet, die hohe Renditen verspricht. 


Die Versorgung mit Trinkwasser ist eigentlich kein geeignetes Geschäftsfeld für renditeorientierte Konzerne. Um einen Haushalt mit Trinkwasser zu versorgen, sind immense Investitionen in das Verteilungsnetz notwendig. Die laufenden Einnahmen sind verhältnismäßig gering, so dass sich der Neubau eines Wasserversorgungsnetzes aufgrund des sehr langen Abschreibungszeitraums erst nach vielen Jahrzehnten rentiert. In der heutigen Zeit, in der sich Investitionen möglichst schnell rentieren müssen und der Blick auf die Quartalszahlen wichtiger erscheint als langfristige Strategien, sollten solche Geschäftszweige für „modern aufgestellte“ Unternehmen eigentlich unattraktiv sein. Aus diesem Grund haben sich renditeorientierte Wasserversorger auf  den Betrieb von bereits vorhandenen Wasserversorgungsnetzen verlegt. Diese Netze sind in der Regel vom Steuerzahler finanziert worden und größtenteils bereits abgeschrieben.

Der Betreiber soll  eigentlich für den ordnungsgemäßen Betrieb und die Pflege der Infrastruktur  sorgen.

Warum privatisieren Kommunen eigentlich ihre Wasserversorgung? In den meisten Fällen geht es  darum, vermeintlich die öffentlichen Kassen zu sanieren. Ein kompletter Verkauf der öffentlichen Infrastruktur kommt nur sehr selten vor – nicht, weil die öffentliche Hand dies ablehnt, sondern weil die privaten Dienstleistungskonzerne gar kein Interesse daran haben. Je nach Privatisierungsmodell bekommen die Kommunen  meist eine einmalige oder jährliche Konzessionsgebühr. Dieses Geld können die chronisch unterfinanzierten Stadtkämmerer kurzfristig sehr gut gebrauchen. Natürlich zahlt  der Bürger dieses Geld über seine Wasserrechnung. Schlechtere Wasserqualität bei höheren Preisen ist das Ergebnis.

Am Ende einer Vertragslaufzeit hat der private Wasserversorger dann seine Konzessionsabgabe samt satter Rendite auf Kosten der Bürger wieder eingefahren und die Kommune sitzt auf einem maroden Leitungsnetz. Die öffentliche Hand steht dann vor einem Berg notwendiger Investitionen, die  die eingenommen Konzessionsgebühren mehr als aufzehren. Der einzige Gewinner  ist der private Wasserversorger.

Solche Dummheiten sind allerdings hausgemacht, die Politik ist dabei nicht das Opfer, sondern der Handlanger.

Natürlich könnte eine Kommune die Wasserversorgung auch unter sinnvollen Auflagen ausschreiben, die beispielsweise die Wasserpreisentwicklung festlegen und verbindliche Regeln für Reinvestitionen in das Leitungsnetz aufstellen. Dummerweise haben private Wasserversorger jedoch kein Interesse an einer echten Partnerschaft, bei der sie sich im Endeffekt nicht zu Lasten der Bürger bereichern können. Wenn nun Ausschreibungen unter sinnvollen Auflagen aber auf mangelndes Interesse seitens der privaten Wasserversorger stoßen, kann dies nur bedeuten, dass jede Form der Privatisierung der Wasserversorgung den Bürger eindeutig übervorteilt.

Wer sich ein Bild von falscher Privatisierung machen will, der sollte sich die Erfahrungen Großbritanniens zu Gemüte führen. Dort wurde Ende der 80er Jahre die Wasserversorgung radikal privatisiert. In der Folge stiegen die Wasserpreise inflationsbereinigt binnen zehn Jahren um 46% an. Die Gewinne der Versorger stiegen im gleichen Zeitraum um 142%, einige Unternehmen zahlten ein Viertel der Einnahmen direkt als Dividende an die Aktionäre aus. Gespart wurde allerdings an den Investitionen ins Versorgungsnetz. Nach 10 Jahren privater Bewirtschaftung hatten einige britische Städte ein maroderes Netz als die meisten Drittweltstaaten – in London war das Netz derart heruntergewirtschaftet, dass die Leitungsverluste sich auf 40% summierten, was, neben immensen Schäden durch das auslaufende Wasser, dazu führte, dass ganze Teile Londons nicht mehr mit dem nötigen Wasserdruck versorgt werden konnten. Die Regierung erließ daraufhin neue Gesetze, die den Raubbau am „blauen Gold“ erschwerten und Investitionen in das Netz gesetzlich vorschrieben. Die bisherigen Profiteure stiegen daraufhin aus und die milliardenschweren Investitionen mussten erneut vom Steuerzahler bezahlt werden.

Hinweis zum Film:

Arte stand unter Druck der privaten Wasseranbieter. Der Sender hat jede Minute des Films durchforstet und juristisch abgesichert. Nach eingehender Prüfung des Films hat sich Arte entschieden, den Film zu zeigen. Nach einer nochmaligen juristischen Expertise durch den Justitiar des Senders hat  Arte das Risiko, als Verbreiter des Films möglicherweise mitangeklagt zu werden, in Kauf genommen. Diese Entscheidung muss als Unabhängigkeit eines Senders und als Unterstützung des engagierten Journalismus gesehen werden. In einer Medienlandschaft, die vielfach Informationen vorenthält, ist es notwendig, dass ein Sender den Mut hat, sich von mächtigen Konzernen nicht einschüchtern zu lassen, sondern einen  Film  zeigt, der Tatsachen offenlegt.

Kommentar

So weit sind wir schon, dass Wahrheiten zu massiven Einschüchterungen von Konzernen führen.  Wenn Wahrheit gegenüber privaten Betreibern juristisch abgesichert werden muss, ist die Lüge die selbstverständliche Norm. Wie steht es z.B. mit der Trinkwassergefährdung durch das marode Atommülllager Asse? Die Wahrheit ist nicht bekannt, dafür umso mehr die Vertuschung der Wahrheit, die im Ergebnis nichts anderes als eine Lüge ist. Oder die Lüge von den sicheren Atomkraftwerken, die urplötzlich nicht mehr sicher sind, obwohl mit dieser Lüge bisher die mangelnde Sicherheitslage schöngeredet werden sollte.

Das Schlimme daran: Die Lüge soll die Wahrheit sein, und ihr wird auch noch geglaubt, weil sie in vielen Medien mit massiver Unterstützung der Konzerne  als Wahrheit präsentiert wird. Dabei hilft die Kumpanei von korrupten Politikern mit solchen Konzernen. Merkel und Co.  lassen grüßen.


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