Ethanol oder Ernährung

Die Einführung von E10 ist ein Flop. Die Autofahrer lehnen den neuen Sprit mit Alkoholzusatz ab. Der Nutzen für die Umwelt ist umstritten. So überschreibt Olaf Preuß, HA, seinen Artikel über die Beimischung von Ethanol, der auszugsweise und redaktionell überarbeitet wiedergegeben wird.


Zum Alkohol hat man in Brasilien ein gutes Verhältnis. Im größten Staat Südamerikas fahren Millionen Autos damit. Die Brasilianer nutzen ihre Agrarflächen und das milde Klima, um Zuckerrohr anzubauen. Die Plantagen dort sind die größten der Welt. Der vergorene Saft aus den gepressten Stängeln landet großteils in Benzintanks, etwa in  Abertausenden von VW-Käfern, die in Brasilien noch immer zu den beliebtesten Kleinwagen zählen. Das brasilianische Benzin enthält in der Regel mindestens 20 Prozent Ethanol, viele Tankstellen bieten aber auch reinen Biosprit an – seit Jahren schon.

In Deutschland wiederum verstehen die Autofahrer, wenn es um die Befüllung ihrer Fahrzeuge geht, keinen Spaß.  Die Einführung der neuen Spritsorte E10, die zehn Prozent Ethanol enthält, erweist sich als grandioser Flop. Die Autofahrer lehnen den Sprit mehrheitlich ab. Die Mineralölwirtschaft muss die Produktion wieder drosseln und die Einführung verzögern. Während die Tankstellenketten auf dem E10 sitzen bleiben, wird konventionelles Superbenzin vielerorts knapp.

Etliche Autofahrer fürchten, dass E10 Gummiteile der Spritleitungen angreifen oder gar ihren Motor entflammen könnten. Politik und Verbände streiten heftig darüber, wer für den Misserfolg verantwortlich ist. Dabei bildeten sich schnell die üblichen Frontverläufe heraus. Wortführer der E10-Gegner ist der weltgrößte Automobilklub ADAC. Die Münchner PS-Lobbyisten fürchten nicht nur Feuersbrünste unter Motorhauben, sondern vor allem Abzocke durch die Mineralölwirtschaft.

Um den Biosprit attraktiver zu machen, bieten ihn die Tankstellen um einige Cent billiger an als konventionelles Benzin – obwohl die Beimischung von Ethanol in der Herstellung teurer ist als sortenreiner Kraftstoff. Zugleich wird Superbenzin vielerorts durch das teurere Super Plus verdrängt. Für den ADAC sind das klare Indizien dafür, dass die Tankstellenbetreiber die Spritpreise mittelfristig insgesamt anheben wollen. „Verantwortlich für das kolossale Durcheinander an den Zapfsäulen sind sowohl die Mineralölkonzerne als auch die Fahrzeughersteller, die die Einführung von E10 nur halbherzig begleitet haben. Damit muss jetzt Schluss sein“, polterte ADAC-Präsident Peter Meyer am Freitag nach der Ankündigung des Mineralölwirtschaftsverbands (MWV), dass die E10-Produktion vorerst zurückgefahren werden soll.

Die Bundesregierung hat die Einführung des Mischbenzins beschlossen, um zur Erreichung der europäischen Klimaschutzziele beizutragen. Die Brüsseler Kommission hat allerdings darauf hingewiesen, dass es jedem Land selbst überlassen sei, wie die von den EU-Mitgliedstaaten vereinbarten Ziele erreicht werden sollen.

Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace allerdings lehnen die Herstellung von Biosprit seit geraumer Zeit ab, weil dieser die Umwelt eher be- als entlaste: „Die Beimischung von Ethanol bringt für die Kohlendioxid-Bilanz salopp gesagt weniger als etwas besser aufgepumpte Reifen“, sagt Greenpeace-Automobilexperte Wolfgang Lohbeck. „Das ist so marginal, dass es geradezu absurd ist, hierauf eine Kraftstoffstrategie aufzubauen – mit all den unbekannten Nebenwirkungen.“ Vor allem der intensive Einsatz von Künstdünger, hergestellt aus Mineralöl, und der hohe Flächenbedarf schlügen negativ zu Buche. So würden in ökologisch hoch sensiblen Urwaldgebieten wie in Indonesien oder Brasilien weite Flächen für den Anbau von Palmölpflanzen oder von Zuckerrohr gerodet.

Kritiker des Biosprits sehen die viel zitierte „Konkurrenz zwischen Teller und Tank“, zwischen dem Anbau von Energie- und Nahrungsmittelpflanzen, mit wachsenden Bedenken – und das nicht nur aus ökologischen Gründen. „Wir haben die Sorge, dass die Konkurrenz auf den Anbauflächen weiter zunimmt und dass sich das auf die Preise auswirkt“, sagt Sabine Eichner, Geschäftsführerin der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie. Besonders die hohen Subventionen, die Bauern für den Anbau von Energie-Nutzpflanzen erhielten – vor allem für Mais, Weizen und Zuckerrüben – beschleunigten diese Fehlentwicklung. „Dem Verbraucher ist nicht vermittelbar, warum er einerseits mehr für die Lebensmittel bezahlen soll, aber zugleich über seine Steuern diese Entwicklung auch noch subventioniert.“

Der Verband MWV in Berlin gibt sich unterdessen zerknirscht. Das Image der Benzinbranche ist ohnehin seit Jahren am Boden, vor allem wegen der ewigen Debatten um das Auf und Ab an den Preistafeln der Tankstellen. Die Beimischung von Ethanol sei der ökonomisch und ökologisch einzig gangbare Weg für die Anbieter, um die von der Regierung geforderten Ziele zu erreichen, sagt MWV-Hauptgeschäftsführer Klaus Picard: „Die Entscheidung über die Biokraftstoffe liegt nicht bei uns. Wir befinden uns auf einem zwangsregulierten Markt.“

Vorgegeben ist ein Anteil von 6,25 Prozent Biokraftstoff am Energiegehalt des gesamten Sprits in Deutschland. Das bedeutet beim Diesel eine Beimischung von sieben Prozent Biosprit und beim Benzin einen Anteil von zehn Prozent Ethanol. Der Energiegehalt der Biokomponenten ist geringer als der des Sprits aus Mineralöl. Für jeden Liter Ethanol, den die Tankstellenbetreiber zu wenig beimischen, müssen sie am Jahresende nach bisheriger Regelung 40 Cent Strafe zahlen

 

Kommentar:

Als Autofahrer frage ich mich zunächst, warum die Beimischung von 10% Ethanol für das Auto gegenüber der bisherigen Beimischung von 5% schädlich sein soll, abgesehen davon, dass jeder Autofahrer sich selbst darüber informieren kann, ob sein Auto diese Benzinmischung verträgt, auch wenn dann ein „Restrisiko“ bleibt. Darum geht es aber gar nicht. Die Diskussion darüber vernebelt den eigentlichen Skandal, nämlich die Absicht, zu Lasten von Umwelt(Klimaschutz) und Verbrauchern die Preise und damit die Profite der Mineralölwirtschaft zu erhöhen. Was kümmert es diese Profiteure und deren Helfershelfer, wenn Weideland und Getreideflächen zugunsten der Energieanpflanzung umgewidmet werden mit der Folge, dass Fleisch und Getreide und deren Produkte deutlich teurer werden; und zwar in Deutschland in absehbarer Zeit bis zu 20%, wenn diese Entwicklung so weitergeht.

Diese Umwidmung und deren Folgen sind nicht etwa nur in fernen Ländern  festzustellen, sondern zunehmend auch in Deutschland. Mit Umweltschutz hat das nichts zu tun. Niemand kann daher diese neue Benzinmischung  tanken, solange es in Deutschland erlaubt ist,  Getreide für den sogenannten Biosprit zu verwenden. Auch bei einem Verzicht auf Getreide verbraucht die Energieanpflanzung für Ethanol landwirtschaftliche Flächen, die  an sich für die Lebensmittelproduktion erforderlich sind. Dieser Biosprit kann daher auch dann nicht akzeptiert werden. Andernfalls müsste  in Kauf genommen werden, dass künftig  E20, also die Beimischung von 20% Ethanol wie in Brasilien,  eingeführt wird, weil E10 widerstandslos hingenommen wurde. Weiter steigende Preise für Lebensmittel wären die Folge.


Nachsatz: Wenn die Ölkonzerne, vertreten durch den MWV  meinen, „wir befinden uns auf einem zwangsregulierten Markt“, erwähnen sie nicht, dass es das Oligopol dieser Konzerne ist, welches Wettbewerb verhindert und den Markt reguliert, ohne dass das Kartellamt eingreift.

Im übrigen: Wer sich für die Machenschaften der Ölkonzerne und ihren Einfluss auf politische Entscheidungen interessiert, der lese dass immer noch aktuelle Buch von Upton Sinclair: „Öl“.

 

Aktueller Kommentar:

Bürokratiewahn statt Sachverstand

20.08.2012  Uhr Oliver Schade

Es ist schon so viel über den sogenannten Biokraftstoff E10 geschrieben worden, dass jede weitere Zeile fast in den Fingern schmerzt. Und dennoch darf man nicht müde werden, Irrsinn anzuprangern. E10 ist zusammen mit dem Glühbirnenverbot aus Brüssel wohl eine der größten Dämlichkeiten, die dem Verbraucher in den vergangenen Jahren von Hinterzimmerbürokraten – angetrieben von Geschäfte witternden Lobbyisten – verordnet wurde. Das Ethanolgemisch ist unter Umweltgesichtspunkten höchst umstritten, wird stark subventioniert, fördert Monokulturen in der Landwirtschaft und verschärft die Hungerproblematik in der Dritten Welt. Pflanzen, die Tiere und Menschen zur Ernährung benötigen, werden zum Antrieb von Motoren eingesetzt. Zynischer geht es kaum noch. Und tanken will den neuen Sprit auch kaum jemand, obwohl er mittlerweile sogar deutlich billiger angeboten wird als die klassische Alternative.

 

Einigen Politiker – unabhängig von der Parteizugehörigkeit – wird der Irrsinn mit E10 nun langsam bewusst. Die schwere Dürre in den USA, die zu einem starken Rückgang der Bestände in den weltweiten Getreidespeichern führt, macht zumindest sie nachdenklich. Dritte-Welt-Experten prophezeien derweil schon die nächste schwere Hungerkatastrophe in Afrika. Doch was soll man jetzt machen? Die Politik könnte natürlich das einzig Richtige tun und E10 von den Zapfsäulen verbannen. Aber was ist dann mit der EU-Biokraftstoffrichtlinie? Sie würde nicht eingehalten. Bürokratiewahn und Lobbyinteressen werden wohl mal wieder über den Sachverstand siegen.

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