Umverteilung von unten nach oben

Die Krise ist nur noch eine blasse Erinnerung: Den Konzernen in Deutschland geht es wieder blendend. Doch die hohen Gewinne gehen einher mit einer Umverteilung von unten nach oben. Auszugsweise und redaktionell verändert der FR entnommen.

Eine Jubelmeldung jagt die nächste, die Konzerne übertreffen sich in Superlativen. Die deutsche Industrie ist obenauf und macht satte Gewinne. Sechs Dax-Konzerne legten gestern Zahlen vor. Und mit einer Ausnahme des Rückversicherers Munich Re, der unter Sondereffekten leidet, sind die Kennziffern durchgängig hervorragend. Autos, Chemie, Dienstleistungen: Deutsche Produkte verkaufen sich blendend in aller Welt. Die Konzerne nutzen die Chancen, die der Aufstieg der Schwellenländer bietet.

Christoph Ohme, Fondsmanager der DWS, sagt: „In den Exportbranchen Automobil, Chemie und Maschinenbau sind die Kapazitäten nahezu ausgelastet. Der Eingang neuer Orders ist stark, die Auftragsbücher sind voll. Das sollte sich positiv für das Geschäftsjahr 2011 auswirken.“

Woher kommt der schnelle Aufschwung? Vor allem aus dem tiefen Abschwung zuvor. Für Ralf Zimmermann, Experte der Investmentbank Macquarie, gehen die Ursachen für die kräftigen Gewinne letztlich bis in die Krise des Frühjahrs 2009 zurück: „Überall auf der Welt wurden Lager komplett geleert.“ Als die Konjunktur nach wenigen Monaten wieder anzog, mussten erst einmal Lager wieder aufgefüllt werden, was bis weit ins Jahr 2010 getragen und alle Bereiche des verarbeitenden Gewerbes unterstützt habe.

Konzerne im Aufwind, einige Beispiele:

1.Mal 15: Der Münchner Autokonzern legte gestern brillante Zahlen für 2010 vor. BMW steigerte den Gewinn um das Fünfzehnfache von 210 Millionen auf 3,2 Milliarden Euro. Damit wurden die ohnehin optimistischen Erwartungen noch übertroffen. 14 Prozent mehr Autos (insgesamt 1,46 Millionen) wurden verkauft. Vor allem in China (plus 85 Prozent) lief das Geschäft hervorragend. Und auch der Absatz in den USA läuft besser als gedacht. Die Autos kommen großenteils immer noch aus Deutschland, auch wenn BMW mit neuen Fabriken stärker ins Ausland strebt. Besonders gut liefen zwei Klassiker, der 5er und der 7er. Doch auch die Geländewagen X1 und X5 kommen gut an. Der Gewinn geht zu guten Teilen direkt an die Aktionäre: Die Dividende steigt von 30 auf 130 Cent pro

2.Mal acht: Der größte Autokonzern Europas hat 2010 gleich eine Reihe neuer Rekorde erreicht. Unter anderem stieg der Nettogewinn auf 7,2 Milliarden Euro und damit um das Achtfache im Vergleich zum Vorjahr. Der Umsatz lag mit fast 127 Milliarden Euro gut 20 Prozent höher als 2009. Angefacht wurde die Gewinnexplosion nicht nur durch eine Absatzsteigerung, die mit einem Plus von 13,7 Prozent auf 7,2 Millionen Fahrzeuge über dem Marktniveau lag. Der Wolfsburger Konzern strich zudem allein eine Milliarde aus günstigen Wechselkursen ein. Aber die Kunden orderten auch immer öfter größere und besser ausgestattete Modelle, erläuterte Konzernchef Martin Winterkorn. Da leuchtet es ein, dass die Luxustochter Audi mit 3,3 Milliarden Euro den größten Beitrag zum Gewinn beisteuerte.

3.Mal vier: Unterm Strich verdiente der Logistik-Konzern Deutsche Post 2010 mehr als 2,5 Milliarden Euro. Das ist eine Vervierfachung des Nettogewinns im Vergleich zu den 644 Millionen Euro des Vorjahres. Dabei ging es mit dem Brot-und-Butter-Geschäft weiter abwärts. Da die Bundesbürger sich immer häufiger E-Mails schreiben, werden merklich weniger Briefe verschickt. Vorstandschef Frank Appel sprach von einem „phänomenalen Nettoergebnis“. Das Unternehmen war mit seiner Marke DHL, die Pakete und Fracht transportiert und in der Lager- und Lieferlogistik aktiv ist, enorm erfolgreich. Hier sind die Geschäfte mit dem globalen Konjunkturaufschwung gewachsen. Und wie bei vielen anderen Unternehmen spielt Asien eine zentrale Rolle. Hinzu kommt, dass der Verkauf der Postbank einen Beitrag zum Gewinn von fast 1,6 Milliarden Euro leistete.

4.Mal 1,6: „Die Weltwirtschaft ist schneller und stärker gewachsen, als dies zu erwarten war“, sagte Linde-Chef Wolfgang Reitzle gestern. Der Nettogewinn kletterte auf gut eine Milliarde, 2009 wurden nur 653 Millionen verdient. Der Konzern beliefert unter anderem die Stahl- und die Elektronikindustrie, die für ihre Produktionsprozesse Gase wie Stickstoff und Sauerstoff benötigen. Beide Branchen erlebten im vorigen Jahr einen Boom. Besonders starke Zuwächse erzielte das Unternehmen dabei auf den asiatischen Märkten. Reitzle erwartet, dass die Nachfrage in diesem Jahr noch weiter steigen wird. „Wir setzen uns neue Mittelfrist-Ziele“, sagte der Konzernchef. 2014 soll nun ein operativer Gewinn von mindestens vier Milliarden Euro erzielt werden, 2010 waren es noch 2,9 Milliarden.

5.Mal vier: Der Düngemittel- und Salzproduzent Kali+Salz hat seinen Gewinn im vergangenen Jahr auf 448 Millionen Euro gesteigert. Im Vorjahr kamen unter dem Strich nur rund 96 Millionen zusammen. Und der Vorstand erwartet auch für 2011 ein noch mal „deutlich steigendes“ Ergebnis , da die weltweite Nachfrage nach Agrar- produkten und damit auch der Bedarf an Dünger wachsen werde. Wichtige Faktoren sind Bevölkerungswachstum und größerer Wohlstand in Schwellen- ländern. Der Streusalzhersteller hat außerdem vom kalten Winter hierzu- lande profitiert. In diesem Geschäft erwartet das Management für 2011 ein „stabiles Geschäftsvolumen“. Auch beim Umsatz legte das Kasseler Unternehmen kräftig zu, und zwar um 40 Prozent auf knapp fünf Milliarden Euro. fw

Deutschen Unternehmen kam zupass, dass sie mit den richtigen Produkten auf dem Weltmarkt unterwegs sind. „Die Chinesen benötigen Präzisionsmaschinen, die deutsche Unternehmen liefern können“, so Macquarie-Stratege Zimmermann. Und der wachsende Wohlstand im Reich der Mitte bringe eine Mittelschicht hervor, die sich gern mit Statussymbolen schmücke. Dazu zählten Autos von Mercedes und BMW.

Was machen die Unternehmen mit dem Geld? Voriges Jahr hätten die Unternehmen noch abgewartet und wenig investiert, sagt Ohme von der DWS. „Jetzt steigen die Ausgaben, es gibt vermehrt Unternehmensübernahmen, und dieser Trend könnte sich fortsetzen. Die Dividenden für Aktionäre werden zum Teil deutlich erhöht. Ich erwarte aber auch, dass die Investitionen ansteigen“, sagt Ohme.

Boom mit öffentlicher Verschuldung erkauft

Nach Zimmermanns Ansicht haben die staatlichen Hilfsprogramme funktioniert. Aber: „Es ist so, dass Steuergeld in die Gewinne der Unternehmen geleitet wird.“ Der Boom werde mit einer höheren öffentlichen Verschuldung erkauft, die sich jetzt noch nicht negativ auswirke, aber langfristig Probleme machen könne.

Gustav Horn, Chef des gewerkschaftsnahen Instituts IMK, sieht das genauso: „Wir müssen aufpassen, dass die Umverteilung von Lohneinkommen zu Gewinneinkommen sich nicht fortsetzt.“

 

Gewinne steigen gegenüber dem Lohneinkommen deutlich

Nach einer Berechnung der Frankfurter Rundschau, die auf Zahlen des Statistischen Bundesamts basiert, ist die Gewinnquote in den vergangenen Jahrzehnten stark gestiegen. Sie drückt aus, wie hoch der Anteil der Unternehmens- und Vermögensgewinne am Volkseinkommen ist. Was übrig bleibt, wandert in die Lohntüten der Arbeitnehmer.

Diese Gewinnquote lag 1980 bei 26,8 Prozent. 2010 hingegen betrug sie 33,75 Prozent. Nach den Gewinnschätzungen zu urteilen wächst der Teil des Kuchens, den Firmen, deren Besitzer, das Führungspersonal sowie Vermögende erhalten, weiter an.


Forbes-Liste: Einige der reichsten Deutschen

Über 100 Milliardäre gibt es in Deutschland. Ungeschlagen ist laut der aktuellen Liste des US-Magazins Forbes der Supermarktgigant Karl Albrecht mit 25,5 Milliarden US-Dollar – einer der Gründer des Discounters Aldi.  Aufsichtsratschef Michael Otto sieht den Hamburger Mode-Konzern „auf einem guten Weg“. Dennoch hält er mit seinem Vermögen von 16,6 Milliarden US-Dollar ein deutlichen Abstand zum Aldi-Gründer. Reichste deutsche Frau bleibt BMW-Großaktionärein Susanne Klatten, die mit ihrem Vermögen von etwa 14,6 Milliarden Dollar Platz Drei belegt.

1.Das Vermögen der Familie Albrecht liegt in der Gesamtauflistung auf Platz 48 bei 14,4 Milliarden Dollar. Aldi-Mitbegründer Theo Albrecht lebte extrem zurückgezogen und starb 2010 im Alter von 88 Jahren. Das Vermögen der Familie Albrecht liegt in der Gesamtauflistung auf Platz 48 bei 14,4 Milliarden Dollar. Aldi-Mitbegründer Theo Albrecht lebte extrem zurückgezogen und starb 2010 im Alter von 88 Jahren.

2.Nachdem sich der Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne vor kurzem weitere Anteile an Hapag-Lloyd gesichert hat, spricht er nun erstmals über seine Pläne für Deutschlands größte Reederei. Dank der Spedition Kühne+Nagel ist sein Vermögen rund 10 Milliarden US-Dollar groß.

3.Von der Sekretärin zur Dynastieherrscherin: Johanna Quandt erbte von ihrem Gatten über 46 Prozent an BMW, die Mehrheit am Chemiekonzern Altana und diverse Beteiligungen. Auf Erfolg getrimmt darf sie sich über ein Vermögen von rund 9,8 Milliarden US-Dollar freuen.

4.Mit seinem Angriff auf den Konkurrenten Continental hatte der Autozulieferer Schaeffler vor zwei Jahren beide Unternehmen an den Rande des Abgrunds gebracht. Mit überraschend guten Jahreszahlen und steigenden Aktienkurse haben beide Konzerne jetzt aber wieder Boden unter den Füßen und Maria-Elisabeth Schaefller 9,8 Milliarden US-Dollar in der Tasche.

5.Jahrzehntelang stand er unter der Fuchtel des strengen Vaters. Als sein Vater 1980 starb, übernahm August von Finck dann die Rolle des Bankvorstehers im Familienbesitz „Merck, Finck & Co.“. Nach der Forbes-Liste der Milliardäre rangiert er auf Platz Neun mit 8,4 Milliarden US-Dollar.

6.Hasso Plattner ist einer der erfolgreichsten Deutschen. Mit vier anderen Wagemutigen hat er Anfang der siebziger Jahre die Firma SAP gegründet. Bislang führt er das Schlusslicht der Top Ten der reichsten Menschen in Deutschland mit 6,9 Milliarden US-Dollar an.

 

Warnung vor Auseinanderdriften der Gesellschaft

Horn hält das für eine gefährliche Entwicklung: „Die Gesellschaft driftet auseinander.“ Dass sich mehr Geld in den Händen weniger befände, habe auch die Risikobereitschaft steigen lassen und damit die Finanzkrise begünstigt.

Wie entsteht die Umverteilung? Vor allem durch niedrige Steuern auf Gewinne und durch niedrige Lohnabschlüsse, die nicht mit der Steigerung der Produktivität mithalten, sagt Horn. Sein Fazit: Die Vermögenssteuer müsse wieder eingeführt werden, und die Unternehmenssteuern sollten auf das Niveau anderer Industrieländer angehoben werden.

DWS-Manager Ohme glaubt hingegen, dass die Arbeitnehmer ohnehin profitieren: „Die Löhne steigen aktuell wieder stärker als in den Krisenjahren und damit werden auch die Arbeitnehmer am Erfolg beteiligt. Hinzu kommen viele Sonderausschüttungen an die Mitarbeiter.“

Kommentar

Wenn einzelne Personen ein Vermögen von mehreren Milliarden Euro haben, haben sie es in der Regel auf Kosten der Arbeitnehmer wie z.B. bei Aldi erworben,  ohne diese  angemessen zu beteiligen, sondern haben sie ganz im Gegenteil ausgebeutet.  Haben Einzelpersonen ein solches Vermögen geerbt, sind sie leistungslose Profiteure eines Systems der einseitigen Bevorzugung zu Lasten der übrigen Bevölkerung. Wenn der Milliadär Kühne sein Vermögen in einem Jahr um 800 Millionen Euro erhöhen kann, ist das obzön, zumal es mit der eigenen Leistung nichts zu tun hat. Und dann zu behaupten, Arbeitnehmer würden am Erfolg beteiligt, hat mit der Realität nichts zu tun, dafür umso mehr mit einer gehörigen Portion Zynismus. Wahrscheinlich sind die Banker gemeint, die inzwischen wieder absahnen und Boni erhalten, als sei nichts geschehen.

Im übrigen haben die  meisten Arbeitnehmer und alle Rentner  vom Aufschwung nicht profitiert. Auch die jetzigen (unzureichenden) Lohnerhöhungen ändern nichts an dieser Aussage, weil sie niedriger sind als die Inflationsrate

Die Gewinner  stehen deswegen seit Jahren fest, die Verlierer auch.

Einkommens- und Vermögensverteilung:

 

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