Steueroase

Interview mit Kim Otto über eigentümliche Praktiken der Begüterten – und wie diese von den Finanzämtern unterstützt werden; von Reinhard Jellen,  aus Telepolis in gekürzter Fassung übernommen. Skandalös sind nicht nur die „eigentümlichen Praktiken“ der Reichen – eine euphemistische Wortwahl – sondern auch die Hilfestellung von Behörden und Banken.


Während Hartz-IV-Bezieher damit rechnen müssen, dass Kontrolleure sogar in ihren Kühlschrank blicken, um potentiellen Missbrauch aufzudecken, dürfen Wohlhabende in Deutschland in puncto Steuerzahlungen mit einem rücksichtsvollen und nachlässigen Vorgehen des Staates rechnen – und dass, obwohl dem notleidenden Fiskus damit dreistellige Milliardensummen entgehen. Dabei offenbaren die Besserverdiener in Sachen Steuerhinterziehung olympischen Ehrgeiz und ungeahnte anarchistische Energien. Ein Interview mit Kim Otto, der sich mit seinem Kollegen Sascha Adamek für das Buch „Schön Reich – Steuern zahlen die anderen“  investigativ dem Thema widmete.

Herr Otto – während sich Medien über die 0,1 prozentige Zunahme der vermuteten Missbrauchsfälle beim Bezug von Hartz IV auf insgesamt 1,9 Prozent heftig empören, wird im Vergleich dazu über den Steuerbetrug bei gehobenen und Spitzeneinkommen vornehm der Mantel des Schweigens gebreitet. Wie hoch schätzen Sie die reale Steuerhinterzieherquote bei Wohlhabenden ein und welche Summe würde schätzungsweise dem Fiskus zufließen, wenn hier die Missbrauchsquote sich wie bei den Hartz-IV-Beziehern auf 1,9 Prozent belaufen würde?

Kim Otto: Ich finde Sozialleistungsmissbrauch auch nicht gut, um das vorab zusagen. Auch diese Menschen nutzen den Sozialstaat aus, genauso wie die Steuerhinterzieher. Allerdings kam es bei einem Sozialleistungs-Etat für’s SGB II (Arbeitslosengeld II) in Höhe von 24 Mrd. Euro im Jahr 2009 zu Überzahlungen in der Größenordnung von 72 Millionen Euro. Hingegen kostet die Steuerhinterziehung, laut OECD, den deutschen Steuerzahler jedes Jahr über 100 Mrd. Euro. Anders gerechnet, belastet das jeden einzelnen Deutschen mit gut 1250 EUR im Jahr. Das ist also eine ganz andere Hausnummer und es gibt keinen öffentlichen Aufschrei. Obwohl diejenigen, welche hier betrügen, oftmals sehr reich sind. Auch sind die Zahlen des Sozialmissbrauches ja nicht gestiegen. Die Bundesagentur verweist darauf, dass sie nur mehr Personal zur Prüfung hatte und so mehr Betrugsfälle aufdecken konnte. Hingegen wird in der Steuerverwaltung immer mehr Personal abgebaut und dadurch wird die Steuerhinterziehung auch noch gefördert.

Wie sieht es also ihrer Einschätzung nach in Deutschland mit der Steuergerechtigkeit aus?

Kim Otto: Sie müssen nur fragen:  Wer zahlt in Deutschland eigentlich Steuern? Vor allem die Arbeitnehmer. Denen wird jeder Cent sofort vom Lohn abgezogen. Für Millionäre hingegen ist Deutschland eine Steueroase. Denn deren Vermögen können die Finanzämter schon längst nicht mehr gründlich prüfen: Lasche Gesetze, zu wenig Personal. Seit Jahren haben die Länder Personal abgebaut und der Bund erlässt keine effektiven Gesetze gegen Steuerhinterzieher. So lassen Landes- und Bundespolitiker selbst die milliardenschwere Steuerflucht der Reichen zu.

Die Parteien überschlagen sich mit Vorschlägen für Steuerreformen, damit der einfache Bürger auch am Aufschwung teilhaben kann. Was aber nicht diskutiert wird: Könnten sich die Reichen nicht so einfach der Besteuerung entziehen, wäre es schon jetzt möglich, für alle Bürger die Steuern zu senken. Rund 72 Milliarden Euro entgehen dem Staat jährlich, weil die Finanzämter immer weniger Personal beschäftigen. Häufig ist das sogar politisch gewollt, denn mit einer großzügigen Steuerverwaltung glauben die Bundesländer, vermögende Unternehmer bei der Stange zu halten. Anhand von internen Unterlagen und Gesprächen mit Finanzbeamten, Zollfahndern und Staatsanwälten beschreiben wir den desolaten Zustand der Steuer- und Kontrollbehörden und zeigen zugleich die Steuersparmethoden und Raffgier der Wohlhabenden auf.

Wie sparen denn die Reichen Steuern?

Kim Otto: Wir haben bei unseren Recherchen schnell gemerkt, dass die Millionärsbranche ziemlich verschwiegen ist. Aber wir hatten das Glück, auf einen Millionär zu stoßen, der uns Einblick in sein Leben gewährt. Wir haben ihn nicht nur in die Glamourwelt von Cannes und seine Luxusvilla bei Frankfurt begleitet, sondern auch seine Steuerunterlagen eingesehen. Und was wir da erblickt haben, hat uns schon umgehauen. Dieser Mensch besitzt Mietshäuser im Wert 5 Millionen, aber seine Einkommensteuer lag bei 2300 Euro im Jahr. Und dieser Millionär bezahlt seinen 100.000 Euro teuren Mercedes SL einfach einmal mit Bargeld, also aus der Portotasche. Wie macht er das? Seine Häuser kauft er billig und nach zehn Jahren ist ihr Wert gestiegen, weil aus einem schlechten Viertel ein gutes wurde, da hat man mit Steuermitteln ein Pflegeheim mit Park, eine Musikschule gebaut, da macht er mal locker eine halbe Million Gewinn, ohne einen Cent Steuer zu zahlen. Das heißt er profitiert von seinem Vermögen und von Steuergeldern, zahlt dafür aber so gut wie keine Steuern.

Welche Rolle spielen generell die Banken?

Kim Otto: Die deutschen Banken haben ja schon in den 90er Jahren den Millionären in Deutschland geholfen, über sogenannte Nummerkonten Milliarden ins Ausland zu transferieren.: Das heißt, das Geld wurde auf ein anonymes Konto eingezahlt und von dort aus auf ein Nummernkonto in die Schweiz überwiesen. Wir haben auch geschaut, wie die Banken noch im letzten Jahr den Millionären bei der Steuerflucht geholfen haben. Ein Kollege und eine Kollegin von uns, Jörg Heimbrecht und Julia Beerhold, machten noch im Herbst letzten Jahres die Probe auf Exempel. Sie gingen zur Deutschen Bank und zur Commerzbank in Wien und gaben sich als Kunsthändler aus, die 8,4 Millionen Euro geerbt hätten und dafür keine Erbschaftssteuer zahlen wollten. Beide Banken haben damit kein Problem und gaben den beiden Tipps, wie sie das Geld der Steuerzahlung entziehen können. Die Deutsche Bank empfahl ein Nummerkonto oder eine Stiftung in Österreich. Die Commerzbank wiederum regten eine Lebensversicherung über ein Treuhänder an: Nach bereits 10 Jahren sei die Steuerhinterziehung dann verjährt.

Dieser Ratschlag entbehrt nicht der Pikanterie, denn alle wissen, mit wie viel Geld die Commerzbank von uns Steuerzahlern gestützt werden musste, und nun hilft diese auch noch bei der Steuerhinterziehung.

Fehlt nur noch der Rat, Schwarzgeld nach Asien zu verlagern:

Hamburg. Deutsche verschieben ihr Schwarzgeld von der Schweiz einem Bericht des „Spiegels“ zufolge in größerem Stil in die asiatischen Steueroasen Singapur und Hongkong. Spitzenbeamte des Bundesfinanzministeriums halten es für möglich, dass sie dabei die Hilfe Schweizer Banken bekommen, wie der „Spiegel“ berichtet. Grund dafür ist das geplante Steuerabkommen zwischen Berlin und Bern, in dem die Besteuerung von Altvermögen sowie eine Abgeltungsteuer für künftige Erträge festgelegt werden sollen. Nach Angaben des Bankenexperten der Schweizerischen Volkspartei, Hans Kaufmann, wurden allein in den ersten acht Monaten dieses Jahres 62 Milliarden Schweizer Franken verschoben.

Die Schwarzgelder sind in Singapur und Hongkong weitgehend sicher. Mit Hongkong hat Deutschland kein umfassendes Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen, der Vertrag mit Singapur lässt Lücken bei der Amtshilfe. Schnelle Abhilfe ist dem Bericht zufolge nicht in Sicht, weil sich Finanz- und Wirtschaftsressort über grundlegende Fragen der Besteuerung deutscher Unternehmen in Singapur streiten.(AFP)

Nicht genug damit:

Frankfurt. Die Commerzbank droht wegen einer neuen Milliardenlast noch lange am Tropf des Staates zu hängen. Eine Abschreibung bei der Immobilientochter Eurohypo wird das Ergebnis des teilverstaatlichten Mutterkonzerns in diesem Jahr mit mindestens einer Milliarde Euro belasten, teilte die Commerzbank gestern mit. Das macht eine von der Politik angemahnte baldige Rückzahlung rettender Steuermilliarden unwahrscheinlich – obwohl die Commerzbank auch im dritten Quartal schwarze Zahlen schrieb. Aller Voraussicht nach wird das Unternehmen dem Bund in diesem Jahr auch noch keine Zinsen für die Hilfsgelder überweisen. Finanzvorstand Eric Strutz bekräftigte jedoch die Absicht, spätestens 2012 mit der Rückzahlung der Rettungsgelder zu beginnen.(dpa)

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Welche Rolle spielen generell die Banken? Kim Otto: Die deutschen Banken haben ja schon in den 90er Jahren den Millionären in Deutschland geholfen, über sogenannte Nummerkonten Milliarden ins Ausland zu transferieren.: Das heißt, das Geld wurde auf ein anonymes Konto eingezahlt und von dort aus auf ein Nummernkonto in die Schweiz überwiesen. Wir haben auch geschaut, wie die Banken noch im letzten Jahr den Millionären bei der Steuerflucht geholfen haben. Ein Kollege und eine Kollegin von uns, Jörg Heimbrecht und Julia Beerhold (4), machten noch im Herbst letzten Jahres die Probe auf Exempel. Sie gingen zur Deutschen Bank und zur Commerzbank in Wien und gaben sich als Kunsthändler aus, die 8,4 Millionen Euro geerbt hätten und dafür keine Erbschaftssteuer zahlen wollten. Beide Banken haben damit kein Problem und gaben den beiden Tipps, wie sie das Geld der Steuerzahlung entziehen können. Die Deutsche Bank empfahl ein Nummerkonto oder eine Stiftung in Österreich. Die Commerzbank wiederum regten eine Lebensversicherung über ein Treuhänder an: Nach bereits 10 Jahren sei die Steuerhinterziehung dann verjährt. Dieser Ratschlag entbehrt nicht der Pikanterie, denn alle wissen, mit wie viel Geld die Commerzbank von uns Steuerzahlern gestützt werden musste und nun hilft diese auch noch bei der Steuerhinterziehung.
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