Fehlentscheidungen systembedingt

Die Belastung unserer Volkswirtschaft durch politische Fehlentscheidungen ist inzwischen gefährlich hoch, so überschreibt Albrecht Müller seinen Artikel im Südkurier.


In unserer Alltagssprache kennen wir einige überaus freundliche Sprichwörter. „Irren ist menschlich“ zum Beispiel oder „Durch Schaden wird man klug“. Solche Redensarten erleichtern das menschliche Zusammenleben. Jetzt wird wieder einmal versucht, diese Alltagserfahrung auch auf politische Entscheidungen anzuwenden. Die Bundesregierung nimmt die Katastrophe in Japan zum Anlass für die Korrektur ihrer Atomenergiepolitik und baut darauf, dass wir ihr den Ausstieg vom Ausstieg aus der Kernenergie, den sie vor wenigen Monaten gegen alle Warnungen entschieden hat, nachsehen.

Die Risiken liegen seit Langem auf dem Tisch. Die Entsorgung des Atommülls ist ungeklärt. Sie wird unglaublich teuer und Atomstrom überhaupt nicht billig – das wusste man auch schon vor der Katastrophe in Japan. Und auch vom Restrisiko eines GAU wusste man. Spätestens seit 1986 mit der Katastrophe von Tschernobyl war auch bekannt, dass dieses Restrisiko möglicherweise aktuell eintritt und nicht erst in 100 000 oder einer Million Jahren, was aber behauptet worden ist.

„Durch Schaden wird man klug“ – dieses Motto können wir auf politische Entscheidungen beim besten Willen nicht anwenden. Es wird aber nach Herzenslust nach diesem Motto verfahren, in vielen Bereichen der Politik: In der Atompolitik gleich mit mehreren Projekten, unter anderem mit dem Schnellen Brüter von Kalkar, in den 8 Milliarden DM nutzlos verbaut worden waren.

 

Die Regierungen Schröder und Merkel haben zur Förderung des Finanzplatzes Deutschland, wie sie schwärmten, Spekulanten eingeladen, sich in Deutschland zu tummeln. Und die deutschen Banken selbst stiegen in die spekulativen Geschäfte ein. Die Finanzmärkte wurden dereguliert, es konnte ohne Rücksicht auf die Risiken spekuliert werden. Den Schaden tragen wir Steuerzahler mit einem Rettungsschirm von 480 Milliarden Euro.

Man konnte auch wissen, dass der Gymnasialabschluss mit acht Jahren ohne entsprechende Umstellung nicht funktionieren kann. Man hat es trotzdem gemacht. Einige Bundesländer werden jetzt aus dem Schaden klug. Ein teurer Umweg.

 

Man konnte wissen, dass die Privatisierung der Wasserversorgung wie in Berlin oder der Verkauf städtischer Wohnungen wie in Dresden und vielen anderen Städten oder der Verkauf und die Privatisierung von Kliniken böse Folgen für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger haben wird: höhere Wassergebühren, höhere Mieten, schlechtere gesundheitliche Versorgung. Und dennoch sind die politischen Entscheidungen zur Privatisierung getroffen worden. Die Privatisierungspolitik ist ein einziges Trauerspiel.

Die Belastung unserer Volkswirtschaft und damit die Belastung der Bevölkerung  wegen politischer Fehlentscheidungen ist inzwischen gefährlich hoch. Ich erinnere an die fünf dicksten Klöpse:

1.Die echte Belastung aus dem Bankenrettungsschirm hatte nach einer Mitteilung der Deutschen Bundesbank schon zu Beginn des Jahres 2010 die Hundertmilliardengrenze erreicht.

2.Wie hoch alleine die Entsorgungskosten der Atomkraftwerke in Deutschland sein werden, wissen wir nicht. Vermutlich wird es Dutzende, eher Hunderte von Milliarden kosten, die in dem angeblich billigen Atomstrom nicht einkalkuliert sind, und von uns, unseren Kindern und Kindeskindern getragen werden müssen.

3.Die von der Regierung Kohl betriebene Kommerzialisierung und Überflutung mit Fernsehprogrammen hat das Bildungsniveau in Deutschland und damit auch die volkswirtschaftliche Produktivität deutlich abgesenkt.

4.Die Altersvorsorge- und die Krankenversicherungssysteme sind durch Teilprivatisierung komplizierter und teurer geworden. Auch das kostet die Volkswirtschaft Milliarden.

5.Diese zusätzlichen Belastungen müssen von einer Gesellschaft getragen werden, die weit unter ihren Kapazitäten produziert. Auch das geht auf politische Fehlentscheidungen zurück. Seit Ende der achtziger Jahre wird uns erzählt, Konjunkturprogramme seien Strohfeuer. Seitdem ist praktisch die Steuerung der konjunkturellen Bewegungen unterblieben, die Arbeitslosigkeit gestiegen und die volkswirtschaftliche Produktivität gesunken. Deutliches Zeichen dieser Stagnation ist die Tatsache, dass die Reallöhne von kleinen Schwankungen abgesehen seit 25 Jahren stagnieren.

 

Wir haben also den Befund, dass gravierende politische Fehlentscheidungen unsere Volkswirtschaft mit Hunderten von Milliarden belasten und gleichzeitig die Leistungsfähigkeit dieser Volkswirtschaft bewusst oder aus Dummheit reduziert worden ist. An diesem jämmerlichen Zustand wird sich nur dann etwas ändern, wenn sich wieder mehr Bürgerinnen und Bürger um die öffentlichen Belange kümmern.

Kommentar:

Was Albrecht Müller völlig zu Recht kritisiert, werden Sie in den einschlägigen Artikeln dieser Website bestätigt sehen. Lesen Sie bitte die Artikel zu Gorleben, zur Teilprivatisierung der Rentenversicherung,  zum Rettungsschirm und zur Einkommenssituation der Arbeitnehmer, um nur einige zu nennen. Nicht genannt hat er die Wohnungsnot, die aber in diesen Zusammenhang gehört.

Im übrigen: Diejenigen, die populistisch und wohlfeil die Belastungen der nachfolgenden Generationen thematisieren und vorgeben, sie verhindern zu wollen, sind in Wahrheit gekaufte Interessenvertreter, die die genannten Belastungen um des eigenen Vorteils willen bewußt in Kauf  nehmen.

Die Lüge soll die Wahrheit sein.


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