Entgelttransparenz

Bei einer öffentlichen Anhörung des Bundestagsausschusses für Familien, Senioren, Frauen und Jugend waren die Verbands – und Interessenvertreter nicht einig darüber, ob ein Entgelttranparenzgesetz geeignet ist, tatsächliche Entgeltunterschiede festzustellen und daraus Konsequenzen zu ziehen.

Berlin: (hib/AW) Die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen und die Wirksamkeit des Entgelttransparenzgesetzes wird von Sachverständigen und Interessenvertretern höchst unterschiedlich bewertet. Dies zeigte sich in einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses am Montag über zwei Anträge der Fraktionen Die Linke (19/1005) und Bündnis 90/Die Grünen (19/1192) zur Bekämpfung von Lohndiskriminierung von Frauen.

Die Linksfraktion fordert in ihrem Antrag unter anderem, dass der Auskunftsanspruch über die betriebliche Entlohnung im Entgelttransparenzgesetz für alle Beschäftigten unabhängig von der Betriebsgröße gelten muss, dass Stillschweige-Klauseln in Arbeitsverträgen über die Entlohnung für nicht erklärt werden und alle Unternehmen ab 25 Beschäftigten zu einer verbindlichen und regelmäßigen Überprüfung der Entgeltgleichheit verpflichtet werden. Übereinstimmend fordern Linke und Grüne ein Verbandsklagerecht gegen Lohndiskriminierung.

Die Volkswirtschaftlerin Christina Boll vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) verwies darauf, dass das im Entgelttransparenzgesetz genannte Lohnbewertungskriterium keine belastbare Aussage über eine Entgeltdiskriminierung zulasse, sondern allenfalls einen Verdacht. Dem trage das Gesetz mit dem individuelle Auskunftsrecht Rechnung. Die Einführung eines Verbandsklagerechts sei hingegen nicht angemessen. Boll argumentierte, dass der hohe Anteil von teilzeitbeschäftigten Frauen eine der Hauptursachen für die Gehaltsschere von 21 Prozent zwischen Männern und Frauen sei. Zudem sei das Entgelttransparenzgesetz erst im Sommer 2017 in Kraft getreten, es sei noch zu früh, um eine Bewertung bezüglich seiner Wirksamkeit abzugeben.

Positionen der Arbeitgeber

Auf Seiten der Arbeitgeber stießen die Forderungen der Linken und der Grünen nach einer Verschärfung des Entgelttransparenzgesetzes und einer Einführung eines Verbandsklagerechts durchgehend auf Ablehnung. Claudia Große-Leege vom Verband deutscher Unternehmerinnen (VdU) verwies darauf, dass die Arbeitgeber großen Wert auf eine faire und leistungsgerechte Entlohnung der Beschäftigten unabhängig vom Geschlecht legten. Die unbereinigte Lohnlücke von 21 Prozent zwischen Männern und Frauen sei nicht auf unterschiedliche Gehälter bei gleicher Arbeit und Qualifikation zurückzuführen. Selbst in der bereinigten Lohnlücke von rund sechs Prozent seien Erwerbsunterbrechungen nicht einbezogen, Frauen seien aber wegen Kinderbetreuung oder Pflege von Angehörigen sehr viel öfter von Erwerbsunterbrechungen betroffen. Bei Einberechnung dieser Erwerbsunterbrechungen sei die Lohnlücke deutlich kleiner. In diesem Sinne argumentierte auch Anja Klie von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Die bereinigte Lohnlücke liege zwischen 2,3 und 5,8 Prozent. Deutschland habe in Europa eine der geringsten Lohnlücken. Dieser statistische Wert lasse sich auch nicht automatisch mit Diskriminierung von Frauen in Unternehmen erklären. Klie verwies auf die deutlich geringe Lohnlücke im Osten Deutschlands. Dies sei darauf zurückzuführen, dass Frauen in den ostdeutschen Bundesländern sehr viel häufiger in Vollzeit beschäftigt seien als in den West-Ländern. Ebenso wie Große-Leege und Klie lehnte auch Steven Haarke vom Handelsverband Deutschland (HDE) weitere Auflagen für die Arbeitgeberseite ab. Bereits das Entgelttransparenzgesetz habe zu unverhältnismäßig hohen bürokratischen Belastungen geführt. Statt weiter in die Tarifautonomie einzugreifen, sollten ganztägige Betreuungsangebote in Kitas und Schulen ausgebaut werden, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern.

Unterstützung der Anträge von Verbandsvertretern

Unterstützt wurden die Anträge von Linken und Grünen hingegen von der Arbeitsrechtlerin Gisela Ludewig vom Deutschen Juristinnenbund (djb), der Rechtsanwältin Lena Oerder von der Düsseldorfer Anwaltskanzlei „silberger.lorenz.towara“, der Rechtswissenschaftlerin und früheren Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts, Heide Pfarr, sowie der Wirtschaftswissenschaftlerin und Beraterin Andrea Jochmann-Döll (GEFA, Forschung und Beratung). Lena Oerder verwies darauf, dass der Auskunftsanspruch nach dem Entgelttransparenzgesetz nur für Beschäftigte in Betrieben mit mehr als 200 Angestellten gelte. Damit sei ein Großteil der Beschäftigten von diesem Anspruch ausgeschlossen. Selbst die Europäische Kommission empfehle, diese Schwelle auf 50 Beschäftigte zu senken. Auch Andrea Jochmann-Döll plädierte dafür, dass die Unternehmensgröße nicht ausschlaggebend sein dürfe bei der Gewährung des Auskunftsanspruchs. Das Entgelttransparenzgesetz zeige insgesamt nur geringe Wirkung. Heide Pfarr plädierte für eine Verpflichtung der Unternehmen, ihre betrieblichen Entgeltsysteme mithilfe zertifizierter Verfahren zu überprüfen. Allein mit einem individuellen Auskunftsanspruch der Beschäftigten ließe sich keine echte Transparenz schaffen. Übereinstimmend forderten Jochmann-Döll, Ludewig, Order und Pfarr ein Verbandsklagerecht gegen Lohndiskriminierung. Der Weg einer individuellen Klage gegen den eigenen Arbeitgeber werde nur von sehr wenigen Frauen eingeschlagen, da diese mit negativen Auswirkungen rechnen müssten.

Anmerkungen

Zunächst muss verwundern, dass bei dieser Anhörung die Positionen des DGB von den Abgeordneten  nicht nachgefragt worden sind, obwohl ein Vertreter des DGB eingeladen war, was gerade bei diesem Thema zu unterstellen ist. Hoffentlich hat der Vertreter des DGB darauf hingewiesen, dass es vorrangige Aufgabe der Gewerkschaften ist, mit tarifvertraglichen Regelungen die gleiche Vergütung für gleiche Tätigkeiten zu vereinbaren. Möglicherweise hat er auf die Probleme in den sozialen Berufen, z.B. in der ambulanten Pflege, hingewiesen, überhaupt Tarifverträge vereinbaren zu können. Diese Probleme können jedoch kein Grund sein, für ein Verbandsklagerecht einzutreten. So kann sich eine Gewerkschaft auch selbst entmachten. Im übrigen sind von den niedrigen Entgelten in den sozialen Berufen gleichermaßen Frauen und Männer betroffen, weil diese Tätigkeiten gesellschaftlich unterbewertet sind.

Ausdrücklich hinzuweisen ist darauf, dass der  Entgeltunterschied von 21%, der von den Fraktionen „Die Linke“ und „Bündnis 90/Die Grünen“ behauptet wird, vornehmlich auf Teilzeitbeschäftigungen zurückzuführen ist, die überwiegend von Frauen ausgeübt werden. Die notwendige Rückkehr zur Vollzeitbeschäftigung ist ebenfalls eine originäre Aufgabe der Gewerkschaften und hat auch bereits zu entsprechenden tarifvertraglichen Regelungen geführt. Das nunmehr gesetzlich geregelte Rückkehrrecht zur Vollzeit ist zwar für die Frauen positiv, für die tarifvertragliche Regelungen nicht vereinbart wurden , erreicht aber als Kompromiss nicht alle Frauen, die zur Vollzeit zurückkehren wollen, weil es für Unternehmen bis 200 Beschäftigte nicht gilt (s.& 12 Entgelttransparenzgesetz). Dort ist aber ein erheblicher Anteil der Frauen in Teilzeit beschäftigt. Gerade bei diesen Unternehmen wäre eine gesetzliche Regelung notwendig, da Gewerkschaften dort mangels Mitglieder  vergleichsweise machtlos sind.

Notwendig ist darüber hinaus ein Mindestlohn von 13,50 Euro – nicht 12,00 Euro – mit kontinuierlicher Dynamisierung, um Niedriglöhne flächendeckend zu vermeiden. Ein solcher Mindestlohn (13,50) entspricht einem Monatsententgelt von 2240 Euro, also 70% des Durchschnittsentgelts. Wer meint, dass das zu viel ist, soll auch sagen, dass damit nach 40 Jahren eines solchen Entgelts die Grundsicherung im Alter gerade so eben überschritten wird.

Rolf Aschenbeck

Entgelttransparenzgesetz und weitere Gesetze:

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