Unabhängige Patientenberatung entbehrlich

Im Streit um die Finanzierung der Stiftung Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) zieht der GKV-Spitzenverband die Reißleine und wird unter den gegebenen Umständen nicht mehr an der Errichtung der Bundesstiftung UPD mitwirken.

Der Spitzenverband erklärte nach der turnusmäßigen Sitzung seines Verwaltungsrats, dass die von der Regierung geplante Zweckentfremdung mit GKV-Beiträgen für gesamtgesellschaftliche Aufgaben das Haupthindernis für eine Zustimmung ist. Hinzufügen ist, dass die Patientenberatung überwiegend von den Krankenkassen erfolgt und nicht von der UPD. Der eigentliche Grund für die absurde Finanzierung der UPD mit GKV-Beitragszahlungen ist die gewollte Entmachtung des GKV-Spitzenverbandes (GKV-SV).

Finanzierung der UPD mit Steuermitteln

Während der Referentenentwurf des Gesetzes zur Reform der UPD ab 01.01.2024 noch eine verpflichtende Finanzierung durch die private (PKV) und gesetzliche Krankenversicherung (GKV) vorsah, ist diese im überarbeiteten und vom Bundestag im März 2023 beschlossenen Gesetz nur noch auf die GKV beschränkt. Hintergrund der Änderung dürfte auch die Drohung der PKV gewesen sein, im Falle des Einbezugs in die Zwangsfinanzierung vor das Bundesverfassungsgericht ziehen zu wollen. Untermauert hat sie diese Absicht mit einem Gutachten, welches die Finanzierung der geplanten Stiftung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe und damit als „versicherungsfremde Leistung“ beschreibt. Die Finanzierung müsse daher aus Steuergeldern und nicht aus Versicherungsprämien bzw. Beitragsgeldern erfolgen.

Der GKV-Spitzenverband schloss sich dieser Meinung in einer gemeinsamen Mitteilung zwar an, drohte jedoch nicht mit einer Verfassungsbeschwerde. Vielmehr forderte der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes die Bundesregierung im November 2022 auf, ihre gesamtgesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen und die Zweckentfremdung von Beitragsmitteln zu beenden.

Regierung entzieht der GKV Milliarden zugunsten des Bundeshaushalts

Der Trend, gesamtgesellschaftliche Aufgaben aus Beitragsgeldern der Sozialversicherung anstatt aus Steuergeldern zu finanzieren, hat sich auch mit der Amtszeit von Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) nicht geändert. Auf diese Weise werden insbesondere der Kranken- und Pflegeversicherung Milliardenbeträge zugunsten des Bundeshaushalts entzogen und die Beitragszahler über Beitragssatzerhöhungen weiter belastet. Um seiner Forderung an die Bundesregierung aus November 2022 Nachdruck zu verleihen, zieht der GKV-Spitzenverband nun bei der UPD-Errichtung die Reißleine.

Spitzenverband stoppt Mitwirkung an UPD-Errichtung

In einer Erklärung zur Sitzung des Verwaltungsrates am 14.06.2023 heißt es: „Der Verwaltungsrat erkennt an, dass die Veränderungen, die am Ende in die Beschlussfassung im Bundestag eingeflossen sind, die Bedenken des Verwaltungsrates ansatzweise aufgegriffen haben. Nach wie vor ist es aber so, dass der GKV-Spitzenverband (also die Vertreter der Versicherten und der Arbeitgeber in der GKV) weder auf die inhaltliche Ausrichtung der UPD noch auf die haushalterischen Entscheidungen tatsächlichen Einfluss ausüben kann. Und das bei einer Aufgabenstellung, die jetzt schon millionenfach durch die gesetzlichen Krankenkassen wahrgenommen wird. Die Finanzierung der UPD als zusätzliche Aufgabe entspricht auch nicht der Auflage der GKV-Kassen, wirtschaftlich zu handeln.

Der GKV-Spitzenverband wird sich deshalb, solange die genannten Bedenken nicht ausgeräumt sind, nicht an der Errichtung der Bundesstiftung UPD beteiligen oder daran mitwirken.“ 

Verbraucherzentralen: Politik steht vor „Scherbenhaufen“

Michaela Schröder, Geschäftsbereichsleiterin Verbraucherpolitik im Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) erklärt dazu: „Mit der Ablehnung des GKV-Spitzenverbands steht die Koalition nun vor einem Scherbenhaufen. Wider aller Empfehlungen hatte sie eine Finanzierung der Stiftung Unabhängige Patientenberatung Deutschland durch die Krankenkassen beschlossen. Das war bereits eine große Bürde für den Neustart der UPD, sind doch Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit die entscheidenden Voraussetzungen für die Stiftung.“

Auch zeitlich sieht Schröder ein Problem: Der GKV-Spitzenverband wurde mit dem Gesetzesbeschluss im März verpflichtet, die Stiftung ab dem Jahr 2024 weiter zu finanzieren und sie zu errichten. Die für Genehmigung, Errichtung und Aufbau der Stiftung verfügbare Zeit war bereits äußerst knapp. Durch den jetzt angekündigten Rückzug des GKV-Spitzenverbandes wird die UPD nicht zum geplanten Termin am 01.01.2024 starten können.

 
Anmerkungen

Der Verwaltungsrat des GKV-SV beschäftigt sich schon seit 2016, als ich noch diesem Gremium angehörte, mit der vermeintlich unabhängigen Patientenberatung. Schon damals war klar, dass die gesetzlichen Krankenkassen eine solche Einrichtung nicht benötigen. Es muss deswegen klargestellt werden, dass die Stiftung UPD genauso unnötig ist. Diese Klarstellung muss vom Vorstand des Spitzenverbandes erfolgen, wenn er seiner Aufgabe gerecht werden will.

Leider ist inzwischen das Gegenteil erfolgt. Der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes hat nämlich auf seiner Sitzung im Juli 2023 beschlossen, an der Errichtung der Stiftung UPD mitzuwirken.  Eine unverständliche und den Interessen der Versicherten entgegengersetzten Entscheidung, die zudem der bisherigen Haltung des Spitzenverbands diametral entgegensteht.

Die übereinstimmende Sichtweise“ (mit dem BMG) und ein „gemeinsames Grundverständnis zur Umsetzung des Gesetzes zur Unabhängigen Patientenberatung (UPD)“ sind für diese Entscheidung nach Gesprächen mit dem BMG die Grundlage der jetzt beschlossenen Mitwirkung. Es drängt sich der Eindruck auf, dass der Spitzenverband nunmehr das Vollzugsorgan des BMG geworden ist. Auch wenn das nicht der Fall sein sollte, ist die Unabhängigkeit de GKV-Spitzenverbandes in Frage gestellt.

Ich selbst als ehemaliges Mitglied des Verwaltungsrates (VR) bin maßlos enttäuscht über das nicht nachvollziehbare Verhalten der Mehrheit der jetzigen Mitglieder des VR, welches ihrer Augabe als Interessenvertretung der Versicherten entgegensteht. Bei künftigen Entscheidungen kann der VR hoffentlich belegen, dass die jetzige Entscheidung ein einmaliger Ausrutscher gewesen ist. Wenn nicht, sollte eine Neuwahl der beiden Vorsitzenden des VR erfolgen.

Rolf Aschenbeck

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