Umweltzerstörung beenden

Ein Lkw-Fahrer hat in Stralsund bei einer Blockade ei­nen Kli­ma­ak­ti­vis­ten angefahren. Sowohl mit seinem LKW als auch physisch hat er willkürlich Gewalt ausgeübt und hat bleibende Schäden seines Opfers als Folge seiner Gewalttat in Kauf genommen. Lesen Sie den gekürzten und redaktionell erheblich geänderten Beitrag der taz.

Am vergangenen Mittwoch veröffentlichte ein Reporter des Lokalblatts Ostseezeitung ein Video auf Twitter, das den Übergriff dokumentiert. Der Lkw-Fahrer reagiert vom ersten Moment an hochaggressiv auf die beiden Ak­ti­vis­ten, die die Fahrbahn blockieren. Zunächst steigt er aus, zerrt eine Person weg, schubst die andere so stark, dass sie fast mit dem Kopf auf den Asphalt knallt. Anschließend droht er ihr Schläge an, gefolgt von den Worten „Verpiss dich hier“. Der Mann steigt wieder in den Lkw, fährt los und schleift einen der Ak­ti­vis­ten noch einen halben Meter mit, bevor er zum Stillstand kommt.

Video auf Twitter, das den Übergriff dokumentiert.

Weil dieser Täter wegen seines unstrittig strafrechtlichen Verhaltens Job und Führerschein verlor und ihm zudem ein Verfahren wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung droht, starteten gleich mehrere Un­ter­stüt­ze­r eine Spenden­ak­tio­nen. Allein die extrem rechte Wochenzeitung Junge Freiheit sammelte nach eigenen Angaben bereits über 25.000 Euro für den 41-Jährigen. Offensichtlich sind diese Sammlungen als Zustimmung für diese Selbstjustiz des LKW-Fahrers zu verstehen. Und diese Zustimmung ist überwiegend bei rechtsextremen Antidemokraten wie der AfD festzustellen, die sich inzwischen jedenfalls in Ostdeutschland auch in der gesellschaftlichen Mitte breit gemacht hat.

Woher kommt der Hass auf Kli­ma­ak­ti­vis­ten, die mit verzweifelten Mitteln gegen die voranschreitende Zerstörung der Lebensgrundlagen kämpfen, von der der Täter genauso betroffen ist? Der Fahrer meinte wohl, mit seinem „gesunden Volksempfinden“ im Recht zu sein. Die Nazis haben diesen Begriff verwendet, aber auch die Gerichte im damaligen Westdeutschland der 1950er Jahre, um Straftaten ehemaliger Nazis und Nazi-Kollaborateure zu verneinen.

Bei einer Umfrage der Ostseezeitung befürworteten zwischenzeitlich 62 Prozent der Lese­r die Sammelaktion. Es könnte sein, dass sich die Zustimmung aus der bürgerlichen Mitte ausschließlich auf die Spendanaktion bezog und nicht auf die rechtsextreme Gesinnung des LKW-Fahrers. Unterstützt wird eine solche Gesinnung auch von Politikern wie Verkehrsminister Volker Wissing, dem nach dem Vorfall nichts Besseres einfiel, als der letzten Generation vorzuwerfen, „die Gesellschaft zu spalten“ und sie als „kriminell“ zu bezeichnen. Es gab aus Bayern davor auch solche Politiker, die die letzte Generation als kriminelle Vereinigung bezeichnet haben.

Dazu ist festzustellen:

1.Wer die Klimaaktivisten kriminalisiert und sie in einem Atemzug mit Terroristen nennt, ist nicht nur ein übler Populist, sondern will im Benehmen mit anderen Entscheidern von der eigenen Untätigkeit, vom eigenen Versagen ablenken. Er macht die Opfer zu Tätern und kann sicher sein, dass dieses üble Verhalten von der Mehrheit der Bevölkerung auch noch gutgeheißen wird.

2.Es ist realitätsfremd, auf den bedrohlichen Klimawandel, der mit allen Mitteln verhindert werden muss, mit Klebeaktionen zu reagieren, die klimapolitisch nichts bewirken, dafür aber erreichen, dass sich diese Aktivisten zum Ziel von Unmut und Ärger werden, während ihr eigentliches Ziel, nämlich auf die verheerenden Folgen des Klimawandels hinzuweisen und diese zu verhindern versuchen, ausgeblendet wird.

3.Es ist purer Defaitismus, sich als letzte Generation zu bezeichnen und die Opferrolle einzunehmen, statt sich auf den (mühsamen) Weg zu begeben, Mehrheiten in Vereinen, Parteien und weiteren Organisationen zu erreichen. Es gibt schon jetzt letzte Generationen in Afrika, die permanent sozial und ökonomisch um ihr Leben kämpfen und oftmals ihr Leben verlieren. Und es gibt Generationen, die wie im Iran um ihr Leben kämpfen, weil sie wegen ihrer demokratischen Haltung mit dem Tod bedroht und getötet werden.

4.Auch passive Gewalt mit Klebeaktionen ist Gewaltanwendung. Der Anspruch, um eines höheren Ziels willen das Recht zu haben, geltende Regeln zu ignorieren, ist eine Anmaßung und enttarnt diese Aktivisten als verblendete Minderheit. Selbstverständlich muss es ihr Anspruch sein, geltende Regeln zu verändern, die die Umwelt belasten. Ein solches Ziel wird aber nur erfolgreich sein, wenn die Mehrheit der Bevölkerung, die ebenfalls die Umweltzerstörung beenden will, mitgenommen wird. Klebeaktionen gehören nicht dazu.

Im übrigen gibt es auch andere Minderheiten, die glauben, ihre Meinung sei die einzig gültige Meinung, die deswegen für alle zu gelten hat. Diese Minderheiten diskreditieren sich mit einem solchen totalitären und damit antidemokratischen Ansatz selbst.

5.Wer das Gewaltmonopol infrage stellt, stellt sich gleichzeitig gegen die demokratische Gewaltenteilung. Um nicht mißverstanden zu werden: Die Klimaaktivisten wollen demokratische Werte wie Freiheit, und dazu zählt die Meinungsfreiheit, ganz bestimmt beibehalten. Sie werden aber zu Handlangern der Unfreiheit, wenn sie ihre Methoden beibehalten. Mehr Informationen statt einseitiger Aktionismus wären notwendig.

6.Machen wir uns das Anliegen der letzten Generation – nicht ihre Methoden- zu eigen. Stellen wir klar, dass es nicht die Mehrheit der Bevölkerung ist, die willentlich den Klimawandel herbeigeführt hat, sondern eine wirtschaftliche Elite, unterstützt von der politischen Elite, die auf Kosten der jetzigen Generationen mit aufgeblasenem Ego die begrenzt verfügbaren Ressourcen überwiegend für sich in Anspruch nimmt. Diese Eliten sind vorrangig verpflichtet, ihr soziales und wirtschaftliches Handeln radikal zu ändern.

Beginnen können sie damit, kein schmutziges Fracking-Gas aus den USA einzuführen und den Bau von LNG-Terminals mit ausdrücklicher Unterstützung des grünen Bundeswirtschaftsministeriums zu unterlassen. Die Eliten müssen zu einer Vermögensabgabe gezwungen werden, die nicht nur die Schäden ausgleicht, die sie jahrzehntelang verursacht haben, sondern darüber hinaus erfolgt, um den Umbau der Wirtschaft und die Verbesserung der Sozialsysteme zu finanzieren.

Wer z.B. 30% der Aktien von Hapag Lloyd besitzt und in den letzen beiden Jahren eine leistungslose Rendite von 3,7 Mrd Euro erhalten hat, muss den Anstand haben, den größten Teil dieses Betrags der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Ohnehin ist ein derart unfassbar hoher Gewinn obszön, wenn er der eigennützig verwendet wird und damit den Profiteur als asozial entlarvt.

Rolf Aschenbeck

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