Praxisgebühr

Die Praxisgebühr von 10 Euro pro Quartal ist die Berechtigung, einen Arzt aufsuchen zu dürfen, bevor überhaupt eine Leistung erbracht worden ist. Eine solche Zahlung ohne Gegenleistung ist einmalig und ohne jede steuernde Wirkung. Dazu das folgende Beispiel:

Am 04.August 2012 war ich bei der Praxis meiner Hausärztin in Burg (Dithmarschen), weil ich nach einem Sturz einen Daumen wie eine Bockwurst hatte, der sich nicht mehr bewegen ließ. Zunächst war die Praxisgebühr fällig. Anschließend teilte mir die Arzthelferin mit, die Ärztin sei überlastet und sei deswegen nicht imstande, sich den Daumen anzusehen. Daraufhin bat ich sie, mir eine Überweisung für einen Orthopäden in Heide zu geben, was sie auch tat.

Damit ist der ersten Nichtleistung (Praxisgebühr) eine zweite Nichtleistung gefolgt, denn meine Hausärztin kann meinen Praxisbesuch abrechnen, obwohl sie eine ärztliche Leistung nicht erbracht hat.

Einen Termin mit dem Orthopäden konnte ich für den 09.September 2012 vereinbaren. In einer ländlichen Region wie Dithmarschen schon ein zeitiger Termin. Der Orthopäde hat sich dann zum genannten Termin nach vorher notwendigen Röntgenaufnahmen meinen Daumen angesehen und festgestellt, dass er nicht sicher sei, ob ärztlicherseits noch was getan werden könne. Immerhin hatte ich den dicken Daumen zum Zeitpunkt dieses Arztbesuches schon sechs Wochen. Eine eindeutige Diagnose war ihm also nicht möglich, was durchaus positiv ist, wenn man bedenkt, dass Diagnosen auch vorschnell und falsch erfolgen.

Ich bekam daher eine Überweisung zu einem Handchirurgen in Itzehoe. Einen Termin konnte ich am 01.Oktober 2012 vereinbaren, was nur möglich war, weil ich „dazwischengeschoben“ worden bin. Sonst hätte der Termin erst im November 2012 vereinbart werden können.

Wer nun glaubt, eine erneute Praxisgebühr sei nicht fällig, weil es sich immer noch um denselben Sachverhalt handelt, irrt gewaltig. Da ein neues Quartal mit dem 01.Oktober 2012 begonnen hat, waren weitere 10 Euro zu zahlen. Das ist absurd! Weder bin ich als Patient für die Terminsetzungen wegen des Ärztemangels in ländlichen Regionen verantwortlich, noch habe ich  einen weiteren Arztbesuch gewollt, der dann auf einer anderen medizinischen Grundlage hätte erfolgen müsssen. Wer da noch von wahllosen Arztbesuchen faselt, die mit einer Praxisgebühr unterbunden werden müssen, hat die Realität nicht mehr zur Kenntnis genommen und nimmt sie bis heute nicht zur Kenntnis. Für solche Propagandisten wäre ein Arztbesuch lehrreich.

Meine Arztbesuche haben aber nicht nur 20 Euro Praxisgebühr gekostet, sondern auch Fahrtkosten von 42 Euro. Immerhin musste ich deswegen insgesamt 140 km fahren (140 x 0,30 Cent = 42 Euro).

 

Allein dieses Beispiel belegt, dass die Praxisgebühr nichts bewirkt, außer dass sie unnötige Kosten zu Lasten der Versicherten verursacht. Aber nicht genug damit. Die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)fordert statt der jetzigen Praxisgebühr von 10 Euro pro Quartal eine Gebühr von 5 Euro pro Arztbesuch. Eine solche Gebühr hätte tatsächlich eine steuernde Wirkung, nämlich die, Arztbesuche zu verhindern, obwohl sie gerade von chronisch kranken Patienten benötigt werden, aber dann nicht mehr bezahlt werden könnten.

 

Ein Solidarsystem wie die gesetzliche Krankenversicherung muss scheitern, wenn Zuzahlungen und Selbstbeteiligungen ausgeweitet und mehr und mehr auf die kranken Versicherten verlagert werden.

Das Ende der Fahnenstange ist aber noch nicht erreicht, weil die Partei (fdp), die für weitere Selbstbeteiligungen im Schulterschluss mit der BDA eintritt, letztlich das Ziel hat, die gesetzliche Krankenversicherung zu privatisieren. Für einen solchen Fall ist die Rendite maßgebend und nicht mehr die Versorgung der Bevölkerung unabhängig vom Geldbeutel.

Wer das bewährte Solidarsystem erhalten will, das gewährleisten soll, dass die Starken für die Schwachen einstehen und die Gesunden für die Kranken, muss dafür sorgen, dass Zuzahlungen und Selbstbeteiligungen entfallen. Dazu gehört auch der Wegfall der Praxisgebühr. Es muss wieder dazu kommen, dass allein die hälftige Beitragszahlung als Grundlage genügt, damit die gesetzlichen Krankenkassen mit der nötigen und gerechten Finanzausstattung aus dem Gesundheitsfonds ihrem Versorgungsauftrag ohne Bevorzugung einzelner Kassen gerecht werden können.

Alternativen zur bisherigen Politik sind gefordert, die die Parität der Beitragszahlung zu Voraussetzung hat.

 

Rolf Aschenbeck

 

PS: Der Handchirurg hat entgegen meiner Befürchtung nach einer nochmaligen Röntgenaufnahme keine Operation vorgeschlagen, sondern festgestellt, dass die vollständige Heilung des Daumens ohne weitere Maßnahmen erfolgen wird, auch wenn das ungefähr ein halbes Jahr dauert.  Erneut ein niedergelassener Arzt, der nicht vorrangig im Eigeninteresse, sondern im Interesse des Patienten handelt.

 

 

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