Angst vor Altersarmut

Leidet die junge Generation unter dem demographischen Wandel oder unter vielen politischen Fehlentscheidungen. So überschreibt Albrecht Müller seinen Beitrag zu den Lasten, die der jungen Generation vermeintlich von den jetzigen und künftigen Rentnern aufgebürdet werden. Dieser Beitrag aus den NachDenkSeiten wird auszugsweise wiedergegeben.


Die öffentlich-rechtlich betriebene Volksverdummung in Sachen Demographie geht weiter. Am 11. Januar 2011 um 20:15 Uhr, also zur besten Sendezeit, lief im ZDF der Film „2030-Aufstand der Jungen“ . Im Ankündigungstext war von „Verlierern der Gesellschaft“ die Rede, die „die immer schwerer wiegende Last, die ihnen der demographische Wandel aufgebürdet hat, nicht mehr schultern können“.  Die hohen Kosten für Renten-, Alters und Gesundheitsversorgung nehme den Jungen die Luft zum Atmen. – Das sind Glaubenssätze, die vermutlich viele Menschen aus Sorge um ihre Enkelkinder und darunter auch solche, die sich für besonders intelligent halten, unterstützen.

Wenn die politischen Fehler weitergemacht werden, lebt die jüngere Generation heute und möglicherweise auch in 20 Jahren, in geringerer sozialer Sicherheit und mit größeren Sorgen um den Arbeitsplatz. Ob sie „eine immer schwerer wiegende Last“ zu tragen haben, wie es im Ankündigungstext heißt, ist eher zu verneinen.

Aber einmal unterstellt, die Behauptung von der „schwerer wiegenden Last“ der künftig Jungen stimme, ist es schlicht Unsinn, diese werde ihnen vom „demographischen Wandel aufgebürdet“. Sie ist durch nichts belegt. Sie ist Ergebnis einer fehlgeleiteten Denkweise. Es wird eine partielle Veränderung diagnostiziert und dieser dann die gesamten Missstände zugeschrieben. Es wird außerdem völlig ausgeblendet, wie der demographische Wandel zu andern Zeiten war.

Der demographische Wandel war im letzten Jahrhundert rasanter als heute. Die Alterung nahm gewaltig zu. Die Relation von arbeitender Bevölkerung bzw. arbeitsfähiger Bevölkerung zu der Rentnergeneration und der Kindergeneration hat sich laufend zu Lasten der arbeitsfähigen Generation verändert. Hinzu kamen die beiden Weltkriege und die Vereinigung beider Teile Deutschlands mit speziellen Belastungen bzw. Verschiebungen. Es kamen Flüchtlingsströme und Aussiedlerbewegungen. Es ist nicht absehbar, dass in den nächsten 20 Jahren nun gerade aus dem demographischen Wandel besondere Belastungen hervor wachsen sollten. Und dennoch wird dieser Unsinn offensichtlich von Drehbuchautoren, Filmemachern und einem weiten Teil der Medienverantwortlichen und Medienmachern geteilt.

Irgendwie haben wir neben dem Schwund der Arbeitsplatzsicherheit auch einen Schwund des geistigen Vermögens und der kritischen Kraft festzustellen. Andernfalls müssten die Programmverantwortlichen des ZDF und die Macher eines Stückes wie „2030 – Aufstand der Jungen“ doch merken, dass ihre Verknüpfung von Schwierigkeiten der Jungen mit dem demographischen Wandel hinten und vorn nicht stimmt:

1.Die Verschlechterung der Arbeitsplatz- und Berufschancen junger Menschen folgt nicht aus dem demographischen Wandel, sondern aus der Unfähigkeit und dem Unwillen zu einer makroökonomisch vernünftigen Politik. Die Politik hat versagt. Sie hat den Aufbau einer Reservearmee an Arbeitslosigkeit zugelassen und damit das Gewicht der Arbeitssuchenden auf dem Arbeitsmarkt durchgehend zugunsten der Arbeitsplatzanbieter geschwächt.

2.Die Stagnation der Löhne und die Verschiebung der Einkommensverteilung zu Gunsten der Vermögens- und Gewinnseinkommen folgt aus der Weigerung der politisch Verantwortlichen, anzuerkennen, dass die Löhne mindestens im Rahmen des Produktivitätsfortschritts steigen dürfen und sollten. Die skandalöse und folgenreiche Auseinanderentwicklung der Löhne und der Lohnnebenkosten in Europa ist doch nicht die Folge des demographischen Wandels, sondern die Folge einer irren Fixierung der deutschen Bundesregierung auf Exportüberschuss.

3.Die Erosion der Normalarbeitsverhältnisse, der Ausbau des Niedriglohnsektors und der Leiharbeit sind die Folgen bewusster politischer Entscheidungen, deren sich Politiker wie Gerhard Schröder sogar noch rühmen und von denen Politiker wie Wolfgang Clement profitieren.

Die enorme Last, die auf die junge Generation durch den Bankenrettungsschirm zukommt, hat nicht einmal ein Fitzelchen mit dem demographischen Wandel zu tun.

Die gesetzliche Rente und die anderen solidarischen Sicherungssysteme sind bewusst der Erosion preisgegeben worden, damit den privaten Interessen der Versicherungskonzerne und der Banken Geschäftsfelder eröffnet werden. Ich verweise in diesem Kontext darauf, dass sich der einschlägige Interessenvertreter Professor Raffelhüschen dieser bewussten Erosion des Vertrauens in die gesetzliche Rente durch Minderung ihrer Leistungsfähigkeit auch noch rühmt.

Und ich verweise auf die am 12. Januar laufende Dokumentation in der ARD über die Machenschaften des Finanzdienstleisters Maschmeyer und seiner Helfer in Politik und Wissenschaft. Siehe hier.

Niemand hat die Bundesregierung dazu gezwungen, den sozialen Sicherungssystemen versicherungsfremde Leistungen aufzubürden, wie das Anfang der Neunzigerjahre massiv geschehen ist. Niemand hat die Bundesregierung gezwungen, den Beitragssatz der gesetzlichen Rente unter 20 % festzuhalten. Wäre das nicht geschehen, dann hätte die jetzige Generation einen etwas höheren Beitrag für die sozialen Sicherungssysteme geleistet, statt in die Privatvorsorge gezwängt zu werden.

(Redaktion: siehe dazu den Beitrag „Riesterrente.“)

Diese politischen Fehlentscheidungen haben mit dem demographischen Wandel nichts zu tun. Ihm wird das Elend zugeschrieben. Das ist aber schlicht die Folge von mangelnder Übersicht, von mangelnder Intelligenz und –vorrangig– der Einbindung in die Interessen der Versicherungswirtschaft und der Banken. Sie haben ein Interesse an der Verbreitung von Unsicherheit, sie haben ein Interesse daran, den Jüngeren jeden Tag neu einzutrichtern, sie würden von den Alten benachteiligt und ihnen bliebe nur noch die Chance, privat vorzusorgen. Vielleicht ist das auch die direkt ausgesprochene Botschaft des Films im ZDF. 

Das ZDF sollte aufklären, statt einer dumpfen Dummheit nachzulaufen.

Kommentar:

Die Perspektive für die jetzigen und künftigen Rentner ist dennoch trostlos, weil kein politisches Interesse daran besteht und bestehen wird, die bisherige Rentenhöhe wegen der vermeintlichen Überforderung der jungen Generation beizubehalten, sondern sie sogar weiter abzusenken, zumal der Niedriglohnsektor nicht abnehmen – sondern weiter zunehmen wird. Wer dann in 20  oder 30 Jahren eine Minirente bezieht, wird wütend und aggresiv auf Rentner reagieren, die  vielleicht noch mehr haben, auch weil es dann eine Mindestsicherung nicht mehr geben wird, weil sie dann zu teuer ist.  Die Rente als Ergebnis der Lebensleistung wird nicht mehr existent sein. Der Generationenkonflikt wird daher unausweichlich sein, weil er  gewollt ist.

Er wäre zu vermeiden, wenn sofort und auf Dauer die Interessen der Arbeitnehmer und künfigen Rentner statt der Interessen der Banken und der Versicherungswirtschaft vorrangig Grundlage des politischen Handelns wären.


Hamburg – Die Union plant, im Jahr 2011 neue Anreize für die private Altersvorsorge zu schaffen. Wie bei der Riesterrente soll es nach Informationen des SPIEGEL künftig auch für Berufsunfähigkeitsversicherungen staatliche Förderungen geben. Zudem werden die Regelungen bei der Eigenheimrente, dem sogenannten Wohn-Riester, praxisnäher gestaltet.

„Die private Altersvorsorge gewinnt in Anbetracht der demografischen Entwicklung immer mehr an Bedeutung“, sagt Flosbach(CDU). Noch in diesem Jahr soll ein entsprechendes Gesetz auf den Weg gebracht werden.(bim)

Kommentar:

Nachdem die Berufsunfähigkeitsrente in der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgreich abgeschafft worden ist, soll nunmehr u.a. eine private Absicherung für die, die es sich leisten können, auch noch steuerlich gefördert werden. Die Privatisierung der gesetzlichen Rentenversicherung wird daher erweitert, statt sie rückgängig zu machen. Sie mit der „demografischen Entwicklung“ zu rechtfertigen, ist pure Heuchelei, geht es doch tatsächlich darum, der Privatwirtschaft weitere Profite zu ermöglichen.

Um es klarzustellen: Es geht nicht darum, die zusätzliche private Vorsorge zu diskreditieren. Sie muss aber eine individuelle Entscheidung  bleiben und darf  die kollektive Alterssicherung weder ersetzen noch benachteiligen, was aber offensichtlich beabsichtigt ist.


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