Zukunft des Euro

Deutschland als einsamer Retter des Euro – mit diesem Zerrbild sollte Schluss sein. So überschreibt Olaf Preuss, HA, seinen Leitartikel zur Eurokrise. Auch wenn er nicht darauf hingewiesen hat, das der Euro nicht mit Europa gleichzusetzen ist, ist der Artikel jenseits ideologischer  Positionen wohltuend sachlich.

Mario Monti ist ein besonnener Mann. Neun Jahre lang diente er, bis 2004, der Europäischen Union in Brüssel als Kommissar. Seit November regiert der Ökonom Italien, mehr gedrängt als begeistert. Er ist der Beste, um diese Bürde in schwerer wirtschaftlicher Lage zu übernehmen.

 

Mit seinem Interview in der neuen Ausgabe des „Spiegels“ hat Monti Europa wieder einen Dienst erwiesen. Der Ministerpräsident, der für rhetorische Überhöhungen nicht bekannt ist, benannte ungewohnt deutlich das Risiko, dass die EU durch die Euro-Schuldenkrise insgesamt schwer beschädigt werden könnte. Und er rechnete präzise vor, dass Italien – vermeintlich faul und disziplinlos – für die Stabilisierung der europäischen Finanzen ebenso arbeitet und Verantwortung trägt wie Deutschland.

 

Monti hat recht, denn er rückt ein Bild gerade, das sich in der öffentlichen Wahrnehmung immer mehr verzerrt: dass nämlich Deutschland wie ein Fels in der Brandung quasi allein für die Rettung der gemeinsamen Währung steht. Eine Reihe von Ökonomen und Politikern gibt sich alle Mühe, diese Unwahrheit rhetorisch noch zu befeuern, so wie etwa Bayerns beflissener Finanzminister Markus Söder (CSU), der Griechenland gern aus der Euro-Zone hinauswerfen würde.

 

Man kann den Menschen Angst damit einjagen, dass Deutschland als vermeintlicher Hauptakteur für die Euro-Rettung einen hohen Preis zahlen wird. Tatsache ist, dass Deutschland bislang mehr als alle anderen europäischen Staaten von der Krise profitiert: durch niedrige Zinsen auf Staatsanleihen, durch verzinste Rückzahlungen auf Staatskredite. Vor allem aber dadurch, dass die deutsche Wirtschaft auf Hochtouren läuft, besonders der Export, während Unternehmen und wirtschaftliche Strukturen in anderen europäischen Ländern wie paralysiert erscheinen. Der jüngste Niedergang der französischen Automobilindustrie liefert dafür einen erschreckenden Hinweis.

 

Tragisch an der europäischen Schuldenkrise ist vor allem, dass Europa seine Stärken nicht fortentwickeln und ausspielen kann, weil die EU und die Euro-Länder seit fast vier Jahren nur noch akute Krisenbewältigung betreiben. Der europäische Arbeitsmarkt ist noch immer völlig unterentwickelt. Die Vielfalt der Sprachen und der Normen schmälert die enormen Chancen, die den jungen Menschen heute mit der Freizügigkeit in der EU offenstehen. Während gut qualifizierte Menschen im Süden nach der Ausbildung verzweifelt einen Arbeitsplatz suchen, mangelt es im Zentrum und im Norden allerorten an Nachwuchs und an Fachkräften.

 

Ähnliches gilt für die Infrastruktur, für grenzüberschreitende Systeme von Schienen, Straßen, Energieversorgungen und Telekommunikation: Mehr Verbindung, mehr Bewegung innerhalb Europas könnte riesige wirtschaftliche Kräfte freisetzen – und dazu beitragen, die Schuldenkrise zu lindern und sie zu überwinden.

 

All jene, die ein Ende der Euro-Zone in ihrer heutigen Form fordern und weniger Europa anstelle von mehr, täuschen die Bürger in der EU: Ein Austritt Griechenlands oder gar mehrerer Länder aus der gemeinsamen Währung würde bedeuten, dass Europa über Jahre hin mit Abwicklung beschäftigt wäre. Nötig ist aber genau das Gegenteil: Aufbau, Investition, Entwicklung an all den Ecken des Kontinents, die heute wegzubrechen drohen. Das Potenzial für einen neuen europäischen Aufschwung ist da.

 

Diejenigen, die den Euro und die EU in ihrer heutigen Form abschaffen wollen, haben keinen Plan für die Zukunft in der Tasche. Und diejenigen reden wider besseres Wissen, die uns weiszumachen suchen, die Ersparnisse und die wirtschaftliche Kraft in Deutschland seien nach einem Austritt der südlichen Schuldenländer aus dem Euro sicherer als heute. Denn auf welche Idee und vor allem auf welche Gemeinschaft sollten wir eigentlich hoffen, wenn Europa scheitert?

 

Kommentar:

Scheitert Europa, wenn der Euro scheitert? Auch vor der Einführung des Euro war Europa existent, weil die Mitgliedsstaaten durch gemeinsame Werte miteinander verbunden waren und sind. Deswegen wäre Europa nicht gescheitert, wenn der Euro scheitert. Wer allerdings Europa nur als Fiskalunion begreift, ohne die Finanzmärkte an die Kandare zu nehmen, ohne die Großbanken zu zerschlagen, ohne die Steuerhinterzieher als kriminelle Profiteure zu brandmarken und zu bestrafen, wird in der Bevölkerung keine mehrheitliche Zustimmung zu einem solchen Europa erreichen, zumal mit der Einführung des Euro die Einkommen in Deutschland auf Dauer nahezu halbiert wurden, die Preise jedoch nicht.

Europa ist mehr als der Euro. Europa ist eine Wertegemeinschaft, das nicht einer finanzstarken Elite gehört, sondern Menschen unterschiedlicher Nationalität und Konfession, die miteinander leben wollen und die zu Recht darauf bestehen, von ihrer Arbeit und später von ihrer Rente leben zu können, egal wo sie wohnen. Wird der Wert der Arbeit nicht geschätzt oder ist Arbeit nicht verfügbar, weil sich nationale Regierungen und die EU-Kommission den Finanzmärkten ausgeliefert haben und Arbeitnehmer und Rentner für deren Spekulationen büßen lassen, hat auch Europa keine Akzeptanz mehr. Dann hilft es auch nicht, nunmehr eine gemeinsame Steuer – und Finanzpolitik einzufordern, die mit der Einführung des Euro versäumt worden ist.

Ich sage Ja zu einem Europa, das demokratisch legitimiert ist und Transparenz  gewährleistet. Ich sage Nein zu einem Europa, welches Minderheiten bedient,  die Mehrheit missachtet und  Spekulanten hofiert.

Rolf Aschenbeck

 

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