Wechsel des Stromanbieters

Wenn Politik durch Kosmetik ersetzt wird, ist das Ergebnis bestenfalls Augenwischerei, oft aber eine massive Begünstigung einer Minderheit, wie sich wieder einmal belegen lässt. Stromkonzerne werden bevorteilt, obwohl das Gegenteil behauptet wird.

Mitte Februar 2012 wurde in den Medien, vorwiegend in Zeitungen und im Fernsehen, eine Gesetznovelle positiv hervorgehoben, mit der als wesentlicher Teil dieser Novelle der Wechsel zu einem anderen Stromanbieters von vier auf zwei Wochen verkürzt wird, was nur möglich ist, wenn der Stromkunde lediglich die (teure) Grundversorgung nutzt, also keinen Vertrag mit einem besonderen Tarif abgeschlossen hat. Hat er einen solchen Vertrag, kann er wie bisher erst wechseln, wenn er den Vertrag nicht verlängern will oder wenn eine Preisgarantie während der Laufzeit des Vertrags nicht vereinbart ist und der Stromanbieter den Strompreis vorzeitig erhöht.

 

Die Lappalie des schnelleren Wechsels bei denen, die noch die teurere Grundversorgung in Anspruch nehmen, lobte die Verbraucherministerin Ilse Aigner, denn „mit den Änderungen werden die Rechte der Verbraucher im Energiesektor weiter gestärkt“. Zusätzlich stellte sie fest: „Die Verbraucher(Anm.: Gemeint sind die Privathaushalte) haben viel Macht. Sie können durch ihre Entscheidungen Bewegung in den Markt bringen und den Großkonzernen zeigen, dass ihre Kunden nicht bereit sind, jede Preiserhöhung einfach hinzunehmen.“

Der Wirtschaftsminister Philipp Rösler will, so war zu lesen, mit dieser Lappalie  einer Preistreiberei im Energiebereich vorbeugen. Ziel sei es, den Wettbewerb zu fördern und dadurch die Preise für Strom- und Gaskunden stabil zu halten, so seine weitere Aussage. Er sprach von einem „guten Tag“ für die Verbraucher.

 

Man kann solche Aussagen an sich nicht mehr ernst nehmen. Sie sind eine Lachnummer, obwohl diese beiden Minister tatsächlich meinen, dass ihnen dieser Mist abgenommen wird. Noch schlimmer ist, dass in den genannten Medien kein kritischer Hinweis zu einer Regelung erfolgt, die man nur noch als Verdummung bezeichnen kann. Nicht nur in diesem Fall versagt insbesondere das öffentlich-rechtliche Fernsehen zur Hauptsendezeit auf ganzer Linie. Lobhudeleien der Ministerien werden ohne kritische Anmerkungen wiedergegeben, und Regelungen, die keinen praktischen Nutzen für die Verbraucher haben, wie z.B. die vermeintliche Transparenz, werden  ausdrücklich positiv hervorgehoben.

 

Es kommt aber noch schlimmer!

 

Schon Mitte Februar 2012 war bekannt, dass Netzentgelte, also der Preis für die Stromdurchleitung, der immerhin 21,4%  des Strompreises ausmacht, von energieintensiven Unternehmen der Privatwirtschaft (Großverbraucher) überwiegend nicht mehr gezahlt werden müssen. Der Einnahmeverlust, den die Stromanbieter dadurch haben, soll von den Privathaushalten ausgeglichen werden. Immerhin verteuert sich damit die Kilowattstunde um 2 Cent. Je nach Verbrauch kann sich jeder ausrechnen, wie hoch die zusätzlichen Kosten sein werden.

 

Diese zusätzliche Belastung der Privathaushalte haben CDU und fdp bereits im November 2011 im Wirtschaftsausschuss des Bundestags durchgesetzt, um Mitte Februar 2012 scheinheilig zu verkünden, dass der schnellere Wechsel des Stromanbieters die Rechte der Verbraucher weiter stärke und dadurch die Preise für Strom- und Gaskunden stabil blieben.

 

Folgerichtig erhöhen die Stromanbieter munter ihre Preise; und zwar höher, als es wegen des Einnahmeverlustes erforderlich wäre. Zunächst erhöhen 126 Stromanbieter spätestens ab Mai 2012 den Strompreis bis 13, 91%. Darüber hinaus rechnet die Bundesnetzagentur laut FAZ mit einem Anstieg der Strompreise in den kommenden Jahren um fünf bis sieben Prozent pro Jahr. Und das, obwohl derzeit die Strombeschaffungskosten gesunken sind. Daraus ergibt sich, dass in wenigen Jahren 30 Cent pro Kilowattstunde überschritten werden.

 

Schon jetzt können viele Privathaushalte die Stromrechnung kaum noch bezahlen. Ein möglicher Anbieterwechsel als Alternative ist inzwischen Augenwischerei, Aber was kümmert das die Verbraucherministerin, die tatsächlich genau wie dieser unsägliche Wirtschaftsminister die Rendite der Unternehmen fest im Blick hat. Vielleicht werden ja auch in diesen Ministerien die Gesetzentwürfe von Abgesandten der Unternehmen geschrieben, wie es die Deutsche Bank bereits vorgemacht hat.

 

Die Gelackmeierten sind die Privathaushalte, die in Geiselhaft genommen werden, weil sie einem Oligopol ausgeliefert sind. Wettbewerb ist zu einem solchen um den höchsten Strompreis zugunsten der Konzerne verkommen. Das ist wie bei den Ölkonzernen die Perversion der Marktwirtschaft mit tatkräftiger Unterstützung dieser Bundesregierung. An einer Preisbildung durch Angebot und Nachfrage besteht nicht nur kein Interesse, sondern es ist das Ziel, mit der entsprechenden Marktmacht dazu zu kommen, den Preis zu diktieren. Das wird wie beim Ölpreis dazu führen, dass eine gesunkene Nachfrage nicht etwa zu Preissenkungen führt, sondern ganz im Gegenteil zu Preisanhebungen.

Ein solches Verhalten ist bei einem Oligopol, bei dem die Preiserhöhungen im Interesse des größtmöglichen Profits abgesprochen werden, obwohl das auch vom Bundeskartellamt abgestritten wird, betriebswirtschaftlich völlig rational, aber verheerend für das  System einer (sozialen) Marktwirtschaft und dessen Akzeptanz.

 

Wer es ernst meint mit der Marktwirtschaft, zumal mit einer solchen, die sich sozial nennt, müsste diese Oligopole mit Monopolcharakter  zum Wettbewerb zwingen. Wettbewerb funktioniert nämlich nur dann, wenn alle Marktteilnehmer die gleichen Chancen haben. Auch Privathaushalte  sind Marktteilnehmer. Sie sind aber chancenlos.

Im übrigen wäre da ja noch das Grundgesetz, das wegen der Eigentumsverpflichtung weitergehende Möglichkeiten zuließe. An solche Möglichkeiten glaubt aber selbst der größte Optimist nicht.

 

Rolf  Aschenbeck

image_printDrucken