Wasserversorgung in Gefahr

Im französischen Volvic fördert der Danone-Konzern riesige Mengen Mineralwasser, bringt die Bevölkerung gegen sich auf und sorgt für Wasserknappheit. Denn dort versiegt nun ein Fluss. Lesen Sie den gekürzten und redaktionell geänderten Beitrag von Robert Schmidt und Alexander Abdelilah, ZeitOnline entnommen.

In der Werbung wirkt das Land bei Volvic wie eine grüne Idylle. Uralte Vulkane prägen die Landschaft rund um die kleine Gemeinde in der zentralfranzösischen Auvergne, aus der das Volvic-Mineralwasser stammt. Der Konzern lässt es hier fördern, in Flaschen füllen und verspricht dabei, stets „nur so viel Wasser zu entnehmen, wie es die Natur erlaubt“.

Viele Bewohner der Gegend bezweifeln das. Seit Jahren beobachten Bürger und Bauern, dass die Bäche weniger Wasser führen. An nur einem Tag, so hat eine Bürgerinitiative gezählt, hätten mehr als 200 Lastwagen und einige Dutzend Güterzüge die Abfüllanlage von Danone in Volvic verlassen. Ihre Ladung: Mineralwasser in Plastikflaschen für die Supermärkte der Welt.

Wasserknappheit

Vertrauliche Dokumente, die der ZEIT und der französischen Internetzeitung Mediapart vorliegen, erhärten nun den Verdacht eines Zusammenhangs zwischen der massenhaften Förderung von Mineralwasser und der Wasserknappheit der Region. Sie deuten außerdem darauf hin, dass Danone und die Behörden seit Jahren davon wissen.

Danone ist ein Weltkonzern aus Paris mit 25 Milliarden Euro Jahresumsatz, zu dessen größten Marken neben Volvic das Mineralwasser Evian und Milchprodukte wie Actimel gehören. Édouard de Féligonde dagegen ist ein ortsansässiger Unternehmer. Seit Jahrhunderten betreibt seine Familie in der Nähe von Volvic eine Fischzucht, die sogar zum historischen Erbe Frankreichs erklärt wurde. Das Wasser für seine 40 verpachteten Becken liefert normalerweise der Bach Gargouilloux. Doch seit zwei Sommern sitzt de Féligonde buchstäblich auf dem Trockenen. Einige Becken sind fast ganz leer, in den anderen schimmert nur noch eine feuchte Masse braunen Schlamms. „Hier sind sonst jeden Tag Familien mit Kindern aus dem Ort zum Angeln hergekommen“, sagt de Féligonde.

 Wassermangel von Danone verursacht

Acht Millionen Euro dürfte es allein kosten, die Anlage wieder herzurichten, sagt der Unternehmer. Das Geld wolle er sich von Danone holen, denn der Konzern sei schuld am Wassermangel. Doch den Zusammenhang zwischen Mineralwasserförderung und versiegenden Bachläufen konkret zu beweisen ist schwierig. Bisher war die genaue Vernetzung des Wassersystems nicht öffentlich bekannt. Der ZEIT liegen nun interne Dokumente vor, die de Féligondes Verdacht stützen. Sie stammen teils aus dem Innern des Lebensmittelkonzerns, teils vom Comité de suivi. Diese lokale Kommission besteht aus Behörden- und Unternehmensvertretern, die sich regelmäßig über die Auswirkungen der Danone-Entnahmen auf den Zustand des Grundwassers austauschen.

Provinzregierung als Erfüllungsgehilfe

Der Sommer war in diesem Jahr außergewöhnlich heiß. Die Regierung des Departements Puy-de-Dôme stellte eine halbe Million Euro für von der Dürre betroffene Landwirte bereit. Aus den Unterlagen der Kommission geht hervor, dass Danones Entnahmen in Volvic im besonders trockenen Juli 2015 um etwa 15 Prozent über dem Jahresschnitt lagen. Zwei Jahre später wiederholte sich das Szenario: Laut dem Protokoll der Kommission sei Danones Verbrauch auch 2017 in den Monaten Juli und August „leicht angestiegen“.

Zu der Zeit galten für Bürger und Bauern im gesamten Departement strenge Wasserspar-Auflagen.

Auch 2018 zog der Konzern die Produktion an, während für das Departement damals gar der Dürrenotstand ausgerufen wurde. Und trotz vieler Proteste genehmigte die Präfektur im nahen Clermont-Ferrand während des heißen Sommers 2020 für die Dauer von sechs Monaten noch einmal eine „vorübergehende Erhöhung der Abflussmenge“. Die Begründung: Danone wolle eine neue Entnahmestelle testen. Hier abgepumpte Wassermengen sollten dem Grundwasser später wieder zugeführt werden, ist in den Genehmigungsunterlagen zu lesen. Der Konzern solle das „Gesamt-Resultat“ dieses Vorhabens selbst überwachen, heißt es weiter.

Ausbeutung der Natur offensichtlich

Fragen zu dem Thema lässt Danone von einer PR-Agentur beantworten. „Seit einigen Jahren betreiben wir Wasserspar-Maßnahmen, die dafür gesorgt haben, dass wir unsere Entnahmen deutlich verringern konnten“, teilt diese mit und widerspricht den Daten aus den Kommissionsdokumenten: „Angesichts der anhaltenden Dürre senken wir seit 2017 Jahr für Jahr unsere Entnahmen während der Sommer-Monate.“ Die Präfektur, der die Kommission untergeordnet ist, äußerte sich auf Anfrage nicht dazu.

Es gibt weitere Widersprüche. Die Danone-Tochterfirma Société des eaux de Volvic überwacht nämlich ebenfalls die Folgen der Wasserentnahme. Sie kennt offenbar auch den Bach Gargouilloux, der nicht nur Fischteiche gefüllt hat, sondern auch Trinkwasser für die Region liefert. Denn schon als Danone im Sommer 2015 seine Entnahmen in Volvic erhöhte, so heißt es in einem internen Papier der Société des eaux de Volvic, seien „Auswirkungen der Pumpmaßnahmen auf die Trinkwasser-Entnahmestelle des Gargouilloux“ nachgewiesen worden.

Etwa 2,7 Millionen Kubikmeter hat Danone öffentlichen Daten zufolge im Jahr 2018 rund um Volvic aus dem Boden gepumpt, eine Verdopplung innerhalb von zwanzig Jahren. Mittlerweile verbraucht Danone damit zehnmal mehr Wasser als alle 4500 Bewohner der Gemeinde zusammen.

Wenn die Lüge zur Wahrheit wird

Auf seiner Website schreibt der Konzern, das Mineralwasser von Volvic sei „von der Natur geschaffen, vom Menschen geschützt“. Die im Zuge des Klimawandels zu erwartenden Veränderungen bezeichnet Danone als „unsere größte Herausforderung für die Zukunft“. Dabei sei unter anderem mit veränderten Regenfällen zu rechnen: „Weniger Niederschläge im Winter, mehr Niederschläge im Frühling und Sommer werden das Volvic-Hydrosystem beeinflussen.“ Ob diese Veränderungen allerdings „negativ oder womöglich auch positiv sind“, sei noch offen.

Die Präfektur in Clermont-Ferrand ließ eine Anfrage per E-Mail unbeantwortet. Zufall oder nicht: Nur wenige Stunden nach der Anfrage veröffentlichte die Behörde auf Facebook das Foto eines halb trockenen Bachlaufs. Man erlebe gerade eine „Zeit der Dürre“, heißt es im Begleittext. In mehreren Gemeinden müsse deshalb nun Wasser gespart werden:

„Wasser ist ein kostbares Gut, mit dem jeder sorgsam umgehen muss.“