Vermögensverteilung

Die Einführung der Vermögenssteuer ist nach 20jähriger Untätigkeit überfällig. Verteilungsgerechtigkeit ist ohne diese Steuer nicht möglich. Das Bündnis „Reichtum umverteilen-ein gerechtes Land für alle“ hat dazu konkrete Forderungen aufgestellt. Lesen Sie den inhaltlich und redaktionell geänderten Beitrag von Gudrun Giese, verdi-publik entnommen.

 

 

  Foto: Renate Kossmann

Am 6. Mai wird es vor dem Düsseldorfer Rathaus am Vormittag ab 11 Uhr turbulent zugehen. Als Millionäre verkleidete attac-Aktivisten werden dann einmal mehr die Passanten mit peovokanten Sprüchen wie „Selber schuld, wenn ihr arm seid“, zum Nachdenken anregen. Diese Wirkung ist erwünscht bei den samstäglichen Aktionen des Bündnisses „Reichtum umverteilen – ein gerechtes Land für alle“ in Düsseldorf. Gut eine Woche vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 14. Mai soll spielerisch und argumentativ vermittelt werden, dass die Verteilungsgerechtigkeit zwischen Arm und Reich in Deutschland  schon lange verlorengegangen ist.

Ein Monat zuvor, dieselbe Stadt, anderer Ort: Etwas mehr als zehn Aktive aus dem Bündnis sind bei Wolken und kaltem Wind vor den NRW-Landtag gezogen, um Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) zum Statement zu bitten. Der Minister stimmt dem stellvertretenden ver.di-Bezirksgeschäftsführer Uwe Foullong zu, der darauf hinweist, dass gerade die Superreichen „im Vergleich zur gesamten Bevölkerung nicht angemessen an den Ausgaben für das Gemeinwesen beteiligt sind“. Deshalb müsste diese Gruppe dringend mehr Steuern zahlen, auf ihre Einkommen, auf ihr Vermögen und auf ihre Erbschaften.

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Mehr Mittel für öffentliche Aufgaben

Genau darum geht es bei dem Bündnis, das im Wahljahr 2017 nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern auch bundesweit auf die Diskrepanz aufmerksam machen will zwischen den wachsenden Privatvermögen einiger Weniger und dem grassierenden Geldmangel für öffentliche Aufgaben wie Kitafinanzierung, gute Pflege und anderes. „Die aktuellen Steuereinnahmen reichen ganz offenkundig nicht für die Schaffung bezahlbaren Wohnraums, eine bessere Bildung und auch nicht für mehr Betriebsprüfer, die Steuerhinterziehung aufdecken“, sagt Uwe Foullong. Auch da stimmt der Minister zu und betont, dass NRW diverse Bundesratsinitiativen auf den Weg gebracht hat, die für mehr Steuergerechtigkeit sorgen sollten, wegen der fehlenden Mehrheiten bisher aber nicht durchsetzbar waren. Als im Gespräch das Wort „Steuersünder“ fällt, kontert Walter-Borjans, das sei verharmlosend, es handele sich um Steuerbetrüger, die als solche benannt und bestraft werden müssten.

In Deutschland ist inzwischen eine Generation herangewachsen, die gar keine Vermögenssteuer mehr kennt. Tatsächlich gab es eine solche Steuer bis 1996. Durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1995 wurde sie ausgesetzt – allerdings nicht etwa, weil die Richter/innen grundsätzlich die Verfassungsmäßigkeit der Vermögenssteuer in Zweifel zogen, sondern weil sie die ungleiche Steuerbemessung bei Geldvermögen im Vergleich zu Immobilienvermögen für verfassungswidrig erklärten. Seitdem hätte es demnach sehr viel Zeit gegeben, die Vermögenssteuer neu und verfassungskonform zu regeln. Doch das geschah nicht.

Vermögenssteuer wieder einführen!

In einer Hintergrundinformation des Bündnisses „Reichtum umverteilen“ werden akribisch die Vorteile einer Wiedereinführung der Vermögenssteuer aufgeführt, die in jedem Fall nur die wirklich Reichen zahlen sollten. „Bei einem Freibetrag von einer Million Euro wären schätzungsweise 400.000 Personen betroffen – die Reichsten unserer Gesellschaft, jenes eine Prozent der Bevölkerung, das etwa ein Drittel des Gesamtvermögens besitzt.“ Denn auch während der Wirtschaftskrise sind die Vermögen der Superreichen keineswegs geschrumpft. Vielmehr haben sie weiter kräftig an Umfang zugelegt und betragen derzeit mehr als 2,5 Billionen Euro – was übrigens, wie das Bündnis schreibt, mehr ist, „als alle öffentlichen Haushalte zusammen an Schulden haben“.

Doch dem Bündnis geht es nicht allein um die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, um den Not leidenden Haushalten der Länder und Kommunen die nötigen Mittel für Investitionen in die soziale Infrastruktur zu verschaffen. Falsch seien ebenfalls die Senkung des Spitzensteuersatzes für hohe Einkommen sowie die pauschale Besteuerung der Kapitalerträge mit nur 25 Prozent gewesen. Auch NRW-Finanzminister Walter-Borjans sprach sich Anfang April klar dafür aus, die Einkünfte aus Kapital künftig differenzierter zu besteuern. Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske hatte Ende März in Berlin bei der Präsentation des Bündnisses „Reichtum umverteilen“ auf Bundesebene ebenso klargestellt: „Kapitalerträge dürfen gegenüber Arbeitseinkommen nicht weiter privilegiert werden.“

Steuerliche Bevorzugung hoher Einkommen

Werden direkte und in­direkte Steuern zusammen betrachtet, ergibt sich eine überproportionale Belastung der unteren und mittleren Einkommensgruppen. Zudem haben die Steuerreformen seit Ende der 1990er Jahre dazu geführt haben, dass die reichen Haushalte steuerlich stark entlastet wurden, während  Arbeitnehmerhaushalte mehr Steuer zahlen müssen als davor.

Bis 1998 betrug der Spitzensteuersatz 53 Prozent. Die damalige rot-grüne Bundesregierung senkte ihn auf 42 Prozent. Mit diesem Prozentsatz wird bereits Einkommen besteuert, das bei Singles ohne Kinder über 52.057 Euro hinausgeht; die sogenannte Reichensteuer in Höhe von 45 Prozent wird erst dann erhoben, wenn  z.B. bei Sing­les ein Jahreseinkommen von 256.304 Euro überstiegen wird.

Bei ihren Informationsveranstaltungen in der Düsseldorfer Innenstadt erhalten die Bündnis-Aktivist/innen regelmäßig sehr viel Zustimmung von den Passant/innen. „Ich muss eine Menge erklären, aber die Leute interessieren sich sehr für unsere Themen“, stellt die ver.di-Ehrenamtliche Martine Sczigiol-Weber bei ihren Einsätzen immer wieder fest. Und fast jede/r könne ein Beispiel aus dem eigenen Umfeld beisteuern, wo durchs Kaputtsparen etwa eine Turnhalle marode geworden oder das Personal einer Krankenhausstation durch Unterbesetzung komplett überlastet sei. „Es sind auch schon erkennbar gut betuchte Mitbürger/innen zu uns gekommen und haben gesagt, dass sie nichts gegen eine höhere Belastung hätten“, sagt Uwe Foullong. Das Thema „Reichtum umverteilen“ scheint überall in der Gesellschaft angekommen zu sein.

Nachrichtlich:

Vermögenssteuer

Die Vermögensteuer als mögliche Steuer ist eine Substanzsteuer, die vom Wert des Nettovermögens (Bruttovermögen abzüglich Schulden) des Steuerpflichtigen (natürliche oder juristische Person) berechnet wird. In den neuen Bundesländern wurde die Vermögensteuer nie erhoben, in den alten seit 1997 nicht mehr, weil die damalige Vermögenssteuer die Immobilienvermögen steuerlich bevorzugt hatte, was dem Gleichheitsgrundsatz widersprach. Eine Neuregelung dieser Steuer ist überfällig und grundgesetzlich vorgegeben.  

Das Bündnis

Die Behauptung, die Deutschen würden immer reicher, ist falsch. Zwar stiegen Einkommen und Vermögen in den zurückliegenden Jahren, doch nur eine kleine Minderheit profitiert davon kräftig: Vermögenszuwächse erfolgen überproportional und zementieren die absurde Vermögensverteilung: ein Prozent der Bundesbürger besitzt ein Drittel des gesamten privaten Nettovermögens, zehn Prozent verfügen über zwei Drittel. Die ärmere Hälfte der Bevölkerung hat nichts oder so gut wie nichts auf der hohen Kante.

Um diese zunehmende materielle Ungleichheit geht es dem Bündnis „Reichtum umverteilen – ein gerechtes Land für alle“: Umverteilung durch mehr Steuergerechtigkeit. Ende März stellten Frank Bsirske für ver.di, Ulrich Schneider für den Paritätischen Gesamtverband, Barbara Eschen für die Nationale Armutskonferenz und Ulrich Ropertz für den Deutschen Mieterbund das Bündnis der Öffentlichkeit vor. 30 Organisationen gehören ihm an, neben Gewerkschaften, Wohlfahrts- und Jugendverbänden auch Migranten- und Umweltorganisationen.

Ziel des Bündnisses ist es, im Wahljahr 2017 Themen wie Steuer- und Verteilungspolitik stärker in den Mittelpunkt zu rücken.

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