Rüstungslieferungen

Die Bundesregierung liefert wiederholt Rüstungsgüter an die Türkei, aber auch an andere Kriegsparteien, obwohl diese das Völkerrecht verletzen. Die Öffentlichkeit erfrährt davon bis auf wenige kurze Artikel wenig. Deswegen ist zur Kenntnis eine Kleine Anfrage, hier die der Partei „Die Linke“ , stellvertretend für weitere Anfragen dokumentiert.

Vorbemerkungen der Redaktion

Kleine Anfragen sind im Gegensatz zu großen Anfragen als schriftliche Anfragen auf wenige Themen oder sogar nur auf ein Thema wie bei der vorliegenden kleinen Anfrage der Partei „Die Linke“ begrenzt. In der Legislaturperiode von 2017-2021 gab es 11.677 kleine und 35 große Anfragen. Diese Anfragen sind Teil der parlamentarischen Kontrolle und sollen die jeweilige Regierung eigentlich zu Antworten veranlassen, die der Klärung von Sachverhalten dienen. Das ist leider nicht immer der Fall, wie die Antworten der Bundesregierung belegen. Ist die Regierung nicht bereit und willens, Fragen überhaupt zu beantworten, kann es opportun sein, den zugrunde liegende Sachverhalt als geheim einzustufen. Dann kann er nur von „Berechtigten“ eingesehen werden, wie die hier vorliegende kleine Anfrage belegt.

Damit wird die parlamentarische Kontrolle in diesem Fall ad absurdum geführt. Um nicht mißerstanden zu werden: Geheimhaltung kann in besonders ausgewiesenen Ausnahmen notwendig sein, bedarf dann aber einer besonderen nachvollziehbaren Begründung.

Auch die Bitte der Bundesregierung, die Zahl der kleinen Anfragen zu begrenzen, ist angesichts der Anzahl dieser Anfragen und bei manchen niveaulosen Anfragen zwar verständlich, aber dennoch eine Anmaßung. Die parlamentarische Kontrollfunktion darf die Regierung nicht in Zweifel ziehen.

Es lohnt sich, sich mit dem Inhalt dieser vorliegenden Anfrage zu beschäftigen. Diese dokumentierte Anfrage steht stellvertretend für den Bereich der parlamentarischen Arbeit, die mit hoher Fachkompetenz verbunden ist und leider nicht oder nur unzureichend zur Kenntnis genommen wird.

 

Antwort der Bundesregierung

auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Heike Hänsel, Dr. Diether Dehm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.– Drucksache 19/29318 –

Rüstungslieferungen an den NATO-Partner Türkei trotz Völkerrechtsverletzungen

Vorbemerkung der Fragesteller

Seit Mitte 2016 erfolgt laut Bundesregierung eine vertiefte Einzelfallprüfung der Anträge auf den Export von Rüstungsgütern in die Türkei unter besonde-rer Berücksichtigung von Risiken wie insbesondere einem „möglichen Einsatz im Kontext des Kurdenkonflikts oder regionaler Konflikte“. Darüber hinaus habe sie entschieden, „keine neuen Genehmigungen für Exporte von Rüstungsgütern in die Türkei zu erteilen, die in Syrien zum Einsatz kommen könnten“ (Antwort zu Frage 14 auf Bundestagsdrucksache 19/17662). Die 2009 genehmigten Lieferungen von U-Boot-Komponenten dürfen aber weiter ausgeführt werden. Dabei geht es vor allem um sechs U-Boote, die in der Türkei unter maßgeblicher Beteiligung des Konzerns ThyssenKrupp Marine Systems montiert werden (dpa vom 22. Dezember 2020).

Gerade diese Ausfuhren kritisiert Griechenland. Wegen des Konflikts mit der Türkei im östlichen Mittelmeer hatte Deutschlands EU-Partner Griechenland die Bundesregierung im Oktober 2020 förmlich zu einem Waffenembargo ge-gen Ankara aufgefordert. Doch trotz der im Widerspruch zum Völkerrecht stehenden Militäroperationen der Türkei in Syrien (www.tagesschau.de/inland/tuerkeiwissensch-dienst-101.html) und im Irak (www.bundestag.de/resource/blob/705826/ec1d59d7709a4dfd3c0f14cb8fea6b76/WD-2-057-20-pdf-data.pdf), des Bruchs des Waffenembargos gegenüber Libyen (www.dw.com/de/t%C3%BCrkischea400m-bringen-waffen-nach-libyen/a-54691319), der Förderung des islamistischen Terrorismus durch die mutmaßliche Verlegung von Dschihadisten nach Libyen und Aserbaidschan (AFP vom 2. Oktober 2020) sowie
der militärischen Drohungen gegenüber Griechenland und Zypern lehnt die Bundesregierung einen Rüstungsexportstopp in die Türkei ab. Begründet wird das unter anderem damit, dass Rüstungsexporte an NATO-Partner nach den Politischen Grundsätzen grundsätzlich nicht zu beschränken seien und die Bundesregierung in den vergangenen Jahren keine neuen Genehmigungen für die Ausfuhr kritischer Rüstungsgüter erteilt habe, die von der Türkei im Kontext von regionalen Militäroperationen eingesetzt werden können.

Darüber hinaus seien wertmäßig circa 80 Prozent der im ersten Halbjahr 2020 genehmigten Rüstungsexporte für die Türkei im Rahmen von Gemeinschafts- oder EU-Programmen erfolgt, an denen weitere Mitgliedstaaten beteiligt sind (Antwort der Bundesregierung auf die Mündliche Frage 28, Plenarprotokoll 19/182).

Dabei wurden allerdings immer wieder Rüstungsgüter unter anderem der Ausfuhrlisten-Position (AL-Position) A0010 (Luftfahrzeuge, Luftfahrtgerät nach dem Prinzip leichter-als-Luft, unbemannte Luftfahrzeuge, Triebwerke, Luftfahrzeug-Ausrüstung, Zusatzausrüstung und Bestandteile wie folgt, besonders konstruiert oder geändert für militärische Zwecke), der AL-Position A0009 (Kriegsschiffe über oder unter Wasser, Marine-Spezialausrüstung, Zu-behör, Bestandteile hierfür und andere Überwasserschiffe) oder auch der AL-Position A0015 (Bildausrüstung oder Ausrüstung für Gegenmaßnahmen, besonders konstruiert für militärische Zwecke, wie Infrarot- oder Wärmebildausrüstung, Kameras etc.) genehmigt  (siehe Rüstungsexportbericht 2019, S. 100, Schriftliche Frage 37 auf Bundestagsdrucksache 19/21374).

Vorbemerkung der Bundesregierung

Die Bundesregierung verfolgt eine restriktive und verantwortungsvolle Rüstungsexportpolitik. Über die Erteilung von Genehmigungen für Rüstungsexporte entscheidet die Bundesregierung im Einzelfall und im Lichte der jeweiligen Situation nach sorgfältiger Prüfung unter Einbeziehung außen- und sicherheitspolitischer Erwägungen. Grundlage hierfür sind die rechtlichen Vorgaben des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen, des Außenwirtschaftsgesetzes, der Außenwirtschaftsverordnung, des „Gemeinsamen Standpunkts des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Reder Europäischen Union vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Re-geln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern“ in der Fassung des Ratsbeschlusses vom 16. September 2019 und des Vertragsder Fassung des Ratsbeschlusses vom 16. September 2019 und des Vertrags über den Waffenhandel („Arms Trade Treaty“) sowie die „Politischen Grund-sätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ aus dem Jahr 2000 in der Fassung vom 26. Juni 2019.

Bei den Angaben für Genehmigungswerte aus den Jahren 2020 und 2021 handelt es sich um vorläufige Zahlen, die sich durch Berichtigungen und Fehler-korrekturen noch verändern können.

Die Bundesregierung weist zudem darauf hin, dass eine rein zahlenmäßige Betrachtung aufgrund von Genehmigungswerten eines Berichtszeitraums kein taugliches Mittel für die Beurteilung der Restriktivität der Rüstungsexportpolitik ist.

 

Fragen und Antworten:

1930219 Kleine Anfrage zu den Rüstungsexporten an die Türkei