Riesterrente rechnet sich nicht

Nun ist belegt, was unabhängige Fachleute jenseits der Güte eines Raffkehüschen(Raffelhüschen) bereits wussten: Die Riesterrente als Teilprivatisierung der gesetzlichen Rentenversicherung rechnet sich weder individuell noch gesamtwirtschaftlich. Sie rechnet sich ausschließlich für die Versicherungsunternehmen.


Die kapitalgedeckte Altersvorsorge in Form der Riesterrente soll zukünftigen Rentnern eine auskömmliche Rente ermöglichen, weil das Niveau der gesetzlichen Rente durch verschiedene Reformen bereits deutlich gesunken ist und weiter sinken wird.

Gesamtwirtschaftlich gesehen wäre es jedoch effizienter gewesen, die Stärken der gesetzlichen Rente zu erhalten und das Umlagesystem über weitere Steuertransfers zu unterstützen, so die Hans-Böckler-Stiftung:

„Die zunehmende Überalterung unserer Gesellschaft erzwingt unausweichlich in Zukunft höhere absolute und relative Ausgaben für Renten, Pflege und Gesundheit“, schreiben die Wissenschaftler in ihrer Studie, die heute als IMK Report erscheint. „Die Finanzierung dieser höheren Ausgaben lässt sich durch einen Übergang zu einem kapitalgedeckten Rentensystem, in dem zuvor ein Kapitalstock angespart wird, auch nicht besser bewältigen als im traditionellen Umlagesystem.“ Längerfristig seien mit der Kapitaldeckung keine höheren Renditen zu erzielen. Zudem sei das Kapitaldeckungsverfahren kurzfristig weitaus anfälliger für weltwirtschaftliche Krisen, wie derzeit die hohen Verluste von privaten Pensionsplänen in den USA zeigen.

Erklärtes Ziel der Rentenreformen der Jahre 2000 bis 2007 war es, die Beitragssätze zur Rentenversicherung auch bei einer wachsenden Zahl von Rentnern nicht über 22 Prozent (jetzt:19,9%) steigen zu lassen. Das Rentenalter wurde heraufgesetzt, das Rentenniveau gesenkt und die Formel zur Rentenberechnung geändert. Die staatlich geförderte Riester-Rente, die die Beschäftigten ohne die Beteiligung der Arbeitgeber ansparen, soll das in Zukunft niedrigere Rentenniveau ausgleichen.

In ausführlichen Simulationsrechnungen stellen die Wissenschaftler Dr. Camille Logeay, Dr. Volker Meinhardt, Dr. Katja Rietzler und Dr. Rudolf Zwiener die Rentenreformen erstmalig in Bezug zur aktuellen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Dabei zeigt sich: Weder für die künftigen Rentner noch für die sozialen Sicherungssysteme rechnet sich der Systemwechsel.

Auf den ersten Blick haben die Reformen zwar für die heute Beschäftigten Vorteile, ebenso wie für ihre Arbeitgeber: Der Beitragsatz zur gesetzlichen Rentenversicherung soll bis zum Jahr 2030 lediglich auf maximal 22 Prozent steigen. Doch weil die Arbeitgeber sich an den Kosten für die nun notwendige zusätzliche Altersvorsorge nicht beteiligen, müssen die Beschäftigten das fehlende Geld vollständig über eigene Ersparnisse ausgleichen.

Einschließlich der Beiträge zur Riester-Rente müssen Arbeitnehmer 15 Prozent ihres Bruttoeinkommens für ihre Altersvorsorge aufwenden – 11 Prozent als hälftiger Beitragssatz zur gesetzlichen Rente und 4 Prozent für die private Vorsorge. Ohne die Rentenreformen würde der Beitragssatz bis zum Jahr 2030 dagegen auf knapp 25 Prozent steigen, zeigen Berechnungen des Sachverständigenrats für die Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Die – hälftige – Belastung für die Beschäftigten wäre trotzdem mit 12,5 Prozent deutlich geringer. (!)

Die Einführung einer kapitalgedeckten Komponente fordert den privaten Haushalten somit eine höhere Sparleistung ab. Das hat wiederum Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung. Mit Hilfe seines makroökonometrischen Modells kann das IMK diese Konsequenzen für die ersten Jahre seit Einführung der Riester-Rente näherungsweise beziffern. Es spielte dazu die Entwicklung wirtschaftlicher Eckdaten mit und ohne Riester-Rente durch.

Die Ergebnisse: Im Zuge der Rentenreformen stieg die Sparquote der privaten Haushalte zwischen 2002 und 2007 um knapp einen Prozentpunkt. Ihr Konsum schwächte sich um anderthalb Prozent ab. Dieser Verlust an Nachfrage wurde nicht durch höhere Investitionen von Unternehmen ausgeglichen. Das dämpfte die Wirtschaftsleistung innerhalb von sechs Jahren real um fast ein Prozent, das Beschäftigungsniveau um gut ein halbes Prozent.

Kürzungen bei der Rentenversicherung

Im gleichen Zeitraum reduzierten die Reformen die Ausgaben der Rentenversicherung um zwei Prozent. Diesen Einsparerfolg des Staates machte die vergleichsweise schlechtere wirtschaftliche Entwicklung aber wieder zunichte, so die Ökonomen. Weil sich Konjunktur und Beschäftigung im Vergleich schwächer entwickelten, hatten Städte und Gemeinden sowie die anderen Zweige der Sozialversicherung weniger Einnahmen und höhere Ausgaben, etwa für Arbeitslosengeld. „Die Erfolge der Rentenversicherung gingen vollständig zu Lasten der Gebietskörperschaften und der anderen Zweige der Sozialversicherung“, resümieren die Forscher.

Auch die Annahme, die kapitalgedeckte Altersvorsorge erziele höhere Renditen als das Umlagesystem, ist aus Sicht der Forscher problematisch. Denn die gemeinhin angenommene durchschnittliche Verzinsung von vier Prozent ist im historischen Vergleich hoch. Um diese Rendite mit Anlagen im Inland zu erzielen, müssten die Kapitaleinkommen dauerhaft stärker wachsen als Löhne und Gehälter. Das ist in den vergangenen Jahren in Deutschland so geschehen. Doch langfristig sei eine derart deutliche Umverteilung nicht durchhaltbar, weil sie die inländische Nachfrage immer weiter schwäche, warnen die Forscher.

Ein weiterer Ausbau der Kapitaldeckung und eine Ausweitung beispielsweise auf die Pflegeversicherung berge deutlich mehr Risiken als Chancen, resümiert das IMK. Und die bereits umgesetzten Rentenreformen mit ihrer langfristig wirkenden Absenkung des gesetzlichen Rentenniveaus bedrohten die Legitimität der gesetzlichen Rente. „Viele der heute Erwerbstätigen unterliegen noch dem Irrglauben, dass sie durch die Kombination aus gesetzlicher Rente und Riestersparen auch in Zukunft ein akzeptables Rentenniveau erreichen werden“, schreiben die Forscher. Das sei aber nur zu gewährleisten, wenn das gesetzliche Rentenniveau nicht so stark wie vorgesehen abgesenkt werde.

Lesen Sie dazu den Beitrag von Dr. Albrecht Müller:

Die Versicherungswirtschaft versucht, mit einer Werbekampagne ihr angekratztes Image aufzupolieren. Pünktlich zum Fest sollen die armen Fernsehzuschauer zur besten Sendezeit berieselt werden. 

Versicherungen sind im Prinzip etwas Richtiges. Die Haftpflichtversicherung für das Auto zum Beispiel, die Krankenversicherung, die Hausratversicherung oder was es sonst noch gibt. Das Image der Versicherungswirtschaft ist im privaten Bereich dadurch beschädigt, dass sie eine wichtige soziale Einrichtung wie die gesetzliche Rentenversicherung und vermehrt jetzt auch die Krankenversicherung zerstört, um selbst mit Privatvorsorge Geschäfte machen zu können. Dafür nimmt sie dann auch noch uns Steuerzahler in Anspruch. Typische Fälle sind die Riesterrente und die Rüruprente, deren Geschäftsmodelle ohne staatliche Zulagen und Steuervergünstigungen überhaupt nicht funktionieren könnten.

Das Image wird auch dadurch beschädigt, dass die Versicherungswirtschaft sich des Mittels der politischen Korruption von Wissenschaftlern, Medien und Politikern bedient, um die skizzierten Geschäfte machen zu können.

Bei diesen Vorgängen handelt es sich nicht um Einzelfälle, sondern um eine umfassende und fortschreitende Entwicklung, die nahezu alle hierzulande belastet. Wir alle zahlen als Steuerzahler die staatliche Förderung der Privatvorsorge. Wir alle leiden unter der wachsenden Privatisierung der Krankenversicherung und jetzt auch der Pflegeversicherung.

Wegen des schamlosen Zugriffs auf öffentliche Mittel und der Zerstörung wichtiger gesellschaftlicher Einrichtungen hat die Versicherungswirtschaft die Beschädigung ihres Images selbst zu verantworten und wird daran letztlich auch mit Hunderten von Millionen für Werbung kaum etwas ändern können: Erstens, weil dagegen die konkrete Erfahrung von vielen Einzelnen steht. Und zweitens, weil immer mehr Menschen aufwachen und diese Propaganda durchschauen.

Nachtrag 01.August 2010:

Riestern für die Rüstungsindustrie: Wie Geld aus Riesterverträgen in die Finanzierung geächteter Streumunition fließt

Anfang August tritt das internationale Oslo-Abkommen zur Ächtung von Streumunition in Kraft, das bereits 2008 von Deutschland und rund 100 weiteren Staaten unterzeichnet wurde. Das Abkommen verbietet nicht nur den Einsatz und die Produktion von Streumunition sondern jegliche Unterstützung dabei. Doch MONITOR-Recherchen belegen: Große deutsche Banken und Versicherungen investieren in Aktien von Streubombenherstellern in den USA und Asien. Und auch die Gelder von Riester-Produkten fließen in solche Aktien-Beteiligungen. Damit finanzieren der deutsche Staat und viele Riester-Sparer die Produktion international geächteter Waffen, deren Opfer vor allem Zivilisten sind. Denn anders als etwa die Regierungen in Großbritannien, Luxemburg oder Belgien hat es die Bundesregierung bislang versäumt, Investitionen in Streumunition per Gesetz zu verbieten.

Mopo vom 24.Nov.2011:

Die Riesterrente rentiert sich Studien zufolge für viele Verbraucher nicht. Experten der Friedrich-Ebert-Stiftung und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) haben ausgerechnet, dass vor allem die Versicherungsgesellschaften an Riesterverträgen verdienen, berichtete der „Spiegel“. „Riester-Sparer werden in vielen Fällen nur so viel Rendite erzielen, als hätten sie ihr Kapital im Sparstrumpf gesammelt“, zitiert das Magazin die DIW-Wissenschaftlerin Kornelia Hagen.

Grundlage der Kritik sind demnach zwei Analysen der Stiftung und des DIW, die kommende Woche veröffentlicht werden.

Beispiel: Eine 35-jährige Frau mit zwei Kindern, die 2011 einen Riestervertrag abschließe, müsse den Kalkulationen zufolge 85 Jahre oder älter werden, bis sie das eingesetzte Kapital mit 2,5 Prozent Verzinsung erhalte.

„Die Riesterrente ist eine Verschwendung von Steuergeldern“, sagte Axel Kleinlein, Versicherungsmathematiker und Chef des Bundes der Versicherten, dem Magazin. Verantwortlich sind dem Bericht zufolge die hohen Beträge, die für Abschlusskosten und Provisionen draufgehen.

Der Staat führte vor zehn Jahren die Riesterrente ein. Wer einen entsprechenden Vertrag abschließt, bekommt Zulagen aus öffentlichen Mitteln. Damit sollte  Altersarmut vermieden werden, die wegen der Teilprivatisierung der gesetzlichen Rentenversicherung überwiegend unvermeidlich ist.

Die nun in dem Magazin vorgestellten Untersuchungsergebnisse lassen aber am Sinn der Riesterrente zweifeln. Dem Beispiel der heute 35 Jahre alten Frau liege noch ein optimistisches Szenario zugrunde. Es setze gleichbleibende Versicherungsleistungen inklusive Überschusszahlungen voraus.

 

Norbert Blüm bei Maischberger, Focus entnommen am 8.Febr.2012:

 „Riester-Rente macht die Bürger ärmer“
„Riesters Rentenreform macht die Rentner ärmer, die Rente unsicherer und ungerechter und die Gesamtversorgung teurer“, erklärte der CDU-Politiker. Gerade die Menschen, die bei der Rente dringend Unterstützung benötigten, hätten in vielen Fällen von dem Riester-Modell nichts, müssten es aber über Steuern sogar noch mitfinanzieren. „Riester hat die gute alte Rentenversicherung ruiniert, hat der Versicherungswirtschaft Milliarden in den Rachen geworfen und die Rente dem internationalen Finanzkapitalismus überantwortet“, fügte Blüm hinzu…
Seinen Berechnungen nach hätten die Versicherer bislang 40 Milliarden an der Riester-Rente verdient. Als diese 2001 eingeführt worden sei, habe man die gesetzliche Rentenversicherung madig gemacht. „Da ist Gehirnwäsche betrieben worden und es gab eine Hetzkampagne der Bild-Zeitung“, meinte der Christdemokrat.

 

Tagesspiegel vom 01.11.2012:

Von Riester zu Rilke,von Rainer Woratschka

Die Grundannahme, dass sich alle Menschen zusätzlich absichern werden, hat sich als falsch erwiesen. Da gibt’s nur zwei Möglichkeiten.

Was die SPD derzeit so umtreibt, hat eine Vorgeschichte. Niemals hätte eine Regierung, noch dazu eine rot- grüne, dem Volk eine Rentensenkung um 20 Prozent aufbrummen können, wenn sie ihm nicht zugleich einen Ausgleich offeriert hätte. Wenn ihr zusätzlich fürs Alter vorsorgt, so das Angebot, bekommt ihr eine großzügige Förderung – und werdet die Einschnitte bei der gesetzlichen Rente gar nicht merken. Das Kompensationsprojekt, benannt nach dem Arbeitsminister, schien ein Erfolg: 15,6 Millionen Bürger haben inzwischen einen Riester-Vertrag abgeschlossen. Doch nach elf Jahren scheint die Grenze erreicht zu sein. Frei nach Rilke: Wer jetzt noch keinen hat, unterschreibt keinen mehr.Zeit also für eine Bilanz. Fast jeder zweite Geringverdiener ist ohne geblieben, ausgerechnet. Und jeder fünfte Riester-Sparer bedient seinen Vertrag nicht mehr. Weil er es nicht kann oder jetzt erst kapiert hat, dass es sich für ihn gar nicht lohnt. Die Grundannahme, dass sich alle zusätzlich absichern werden, erweist sich als falsch.

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