Rechtsradikale Polizisten

Die Ermittlungen gegen fünf Polizeibeamte in Frankfurt/Main wegen eines Neonazi-Chats und Bedrohungen einer Anwältin sind ausgeweitet worden. Nach Tagesspiegel-Informationen aus Sicherheitskreisen soll die Staatsanwaltschaft Verfahren gegen weitere Polizeibeamte eingeleitet haben. Lesen Sie den redaktionell geänderten Beitrag von Alexander Fröhlich und Frank Jansen, dem Tagesspiegel entnommen.

Zudem seien weitere Handys für Durchsuchungen beschlagnahmt worden. Einer der fünf beschuldigten Beamten soll auch bereits durch Kontakte ins rechtsextreme Milieu aufgefallen sein. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier sprach am Montag von einer „sehr ernsten Geschichte“. Der Fall nimmt durch die neuesten Entwicklungen weitaus größere Dimensionen an als bislang bekannt. Obwohl die Ermittlungen seit Monaten laufen, soll Innenminister Beuth erst am Freitag angeordnet haben, am Landeskriminalamt (LKA) Hessen eine spezielle Ermittlergruppe auf den Fall anzusetzen. Dort sollen erfahrene Polizisten und Juristen unter Federführung der Staatsanwaltschaft nun die Ermittlungen führen.

Sorge vor Vertuschungen

Das LKA verwies auf die bestehende Erlasslage, wonach es verpflichtet sei, Ermittlungen zu übernehmen, wenn ein Verfahren geeignet sei, dass Ansehen der hessischen Polizei zu beschädigen. Die Staatsanwaltschaft wollte sich am Montagmorgen zum aktuellen Stand der Ermittlungen nicht äußern. Bislang lag das Verfahren im Polizeipräsidium Frankfurt/Main bei den zuständigen Stellen für Amtsdelikte und Disziplinarverfahren.

Dass nun das LKA mit dem Fall betraut ist, wird intern als Indiz für wachsende Sorge vor Vertuschungen gewertet. Ein Ermittler spottete, zahlreiche Handys würden nun wohl in den Main geworfen. Die Angst unter den Polizisten in Frankfurt sei groß, Beamte würden ihre Chats und Dateien bei Whatsapp löschen. Nach Tagesspiegel-Informationen soll mindestens einer der fünf Beamten Mitglied einer Chatgruppe gewesen sein, die von einem Mitglied der rechtsextremen Szene betrieben worden sein soll. Im Zusammenhang mit dieser Whatsapp-Gruppe sollen bereits im Sommer Ermittlungen außerhalb der Polizei gelaufen sein. Der Beamte soll aus der Chatgruppe des Rechtsextremen auch etwas in die Gruppe seiner Kollegen gepostet haben.

Ermittler waren im Oktober auf den Chat der fünf Beamten im 1. Polizeirevier in Frankfurt gestoßen. Ausgelöst worden war das Verfahren durch einen Drohbrief, der per Fax Anfang August bei der Anwältin Seda Basay-Yildiz eingegangen war. Sie hatte im NSU-Prozess Opferangehörige vertreten.

In dem Brief wurde die Anwältin als „miese Türkensau“ beschimpft. „Verpiss dich lieber, solang du hier noch lebend rauskommst, Du Schwein“, hieß es in dem Schreiben. Als Vergeltung für ein gegen die Stadt Bochum beantragtes Zwangsgeld im Fall Sami A. drohen die Verfasser, die Tochter von Basay-Yildiz zu „schlachten“. In dem Fax wird die Tochter mit Namen und Alter erwähnt, ebenso die Privatadresse der Anwältin genannt. Unterzeichnet ist das Schreiben mit „NSU 2.0“.

Staatsanwaltschaft kündigt weitere Tatvorwürfe an

Im Oktober wurde das Polizeirevier durchsucht. Eine Beamtin des 1. Reviers in der Frankfurter Innenstadt hatte über ihren Dienstcomputer das Melderegister zu Basay-Yildiz abgefragt – offenbar ohne dienstlichen Anlass. Besagte Polizistin soll mit vier weiteren Kollegen bei WhatsApp eine gemeinsame Chatgruppe gehabt haben. Darin teilten die fünf Beamten Hitlerbilder, Hakenkreuz und rassistische Parolen.

Es besteht der Verdacht, dass die Frankfurter Polizisten, die im Internet rechtsextremes Gedankengut verbreitet haben sollen, auch den Drohbrief geschrieben haben könnten. Den fünf Beamten ist ein Verbot der Dienstausübung ausgesprochen worden

Aus Polizeikreisen hieß es allerdings auch, dass die Beamtin, die die Daten der Anwältin abgefragt haben soll, als eher unbedarft gilt. Im Polizeirevier hatte sie im Basisdienst die Aufgabe, die Datenstation zu besetzen, um aktuelle Abfragen ihre Kollegen abzuarbeiten. Auch die übrigen vier Beamten, gegen die nun ermittelt wird, seien bislang nicht mit rechtsextremem Gedankengut aufgefallen. Niemand im Polizeirevier könne sich den Vorwurf erklären, hieß es.

Verharmlosung

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) zeigte sich am Montag besorgt. „Das ist eine sehr ernste Geschichte. Da muss man sehr sorgfältig drangehen. Und ich gehe davon aus, dass das sehr intensiv und umfassend aufgeklärt wird“, sagte Bouffier vor einer Sitzung des CDU-Präsidiums in Berlin. „Ich kann noch nicht übersehen, wie weit das geht. Aber es ist kein Zweifel, dass uns das sehr, sehr ernst angeht“, betonte der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende.

„Wir werden da auch mit großer Entschlossenheit vorgehen“, sagte Bouffier, der ergänzte: „Zunächst muss man mal genau wissen, um was es geht. Wie viele Beteiligte das sind. Das ist ein Vorgang, den ich sehr ernst nehme.“

Rassismus

Empört reagierte am Montag der Berliner Anwalt Mehmet Daimagüler, der im NSU-Verfahren Angehörige der in Nürnberg ermordeten Türken Abdurrahim Özüdogru und Ismail Yasar vertritt. „Die meisten Nebenklage-Anwälte aus dem NSU-Verfahren haben Erfahrung mit Drohungen“, sagte Daimagüler, „dass jetzt auch ein Kind bedroht wird, hat eine neue Qualität“. Der Anwalt betonte, seine Mandanten seien schockiert. Die Geschwister von Özüdogru hätten ihn aus der Türkei angerufen, „bei ihnen herrscht blankes Entsetzen“. Aus Sicht von Daimagüler rächt sich nun, „dass das Thema NSU in der Politik abgehakt ist und dass es keine größere Debatte über institutionellen Rassismus gibt“.

Anmerkungen

Nazis müssen gesellschaftlich geächtet werden, was bisher nur unzureichend der Fall ist. Sie haben insbesondere als Beschäftigte bei der Polizei, bei der Bundeswehr und beim Verfassungsschutz nichts zu suchen, zumal sie deren Aufgaben in ihr Gegenteil verkehren. Vertuschung und Verharmlosung sind für den demokratischen Rechtsstaat aber genauso gefährlich. Die NSU-Morde belegen diese Feststellung nachdrücklich. Wohlfeile Sätze des hessischen Ministerpräsidenten genügen daher nicht; sie sind im Gegenteil Bestandteil der Verharmlosung. Darüber hinaus ist zu fragen, ob es sich bei den rechtsradikalen Polizisten um Einzelfälle handelt oder es in den Reihen der Polizei sozusagen einen rechtsradikalen Flächenbrand gibt, der außer Kontrolle zu geraten droht. Eine klare Stellungnahme der Gewerkschaft der Polizei (GdP)wäre in diesem Zusammenhang notwendig.

Die Gefährdung geht aber über die drei genannten Organisationen hinaus. Allen voran ist die AfD zu nennen. Es sind aber auch Medien und Unternehmen. die den rechten Rand offen oder klammheimlich bedienen. Daraus ergibt sich, dass eine gesellschaftliche und parlamentarische Auseinandersetzung mit diesem Thema dringend erforderlich ist. Alle demokratischen Parteien müssen sich diesem Thema klar und eindeutig Stellung nehmen und parlamentarische Konsequenzen ziehen.

An dieser Stelle noch einmal die Forderung, einen Radikalenerlaß gegen rechts als eine erste Maßnahme zu beschließen, damit der öffentliche Dienst nicht von Rechtsradikalen infiltriert werden kann. Einige werden sich erinnern, dass es einen solchen Radikalenerlaß schon einmal gegeben hat. Er diente allerdings nicht der Abwehr von Demokratiefeinden, sondern der Erhaltung autotitärer, vergangenheitsorientierter Einrichtungen. Ein solche Absicht wäre mit dem jetzt vorgeschlagenen Erlaß nicht möglich. (s.dazu den Artikel „Verfassungsschutz)

Stellungnahme der GdP gemäß Meldung der dpa, dem Abendblatt vom 19.12.2018 entnommen:

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) zeigte sich „sowohl erschüttert als auch erbost“ über die „widerwärtigen Hintergründe“ der mutmaßlichen Taten. Bundesvorsitzender Oliver Malchow sprach von „skandalösen Taten“. „Wer rechtsextremes Gedankengut teilt, Ausländerhass propagiert, mit abstoßender Gewalt droht und polizeiliche Instrumente für seine Taten nutzt, hat in unserer fest auf dem Boden der Verfassung stehenden Polizei nichts verloren“, sagte Malchow in Berlin.

Der stellvertretende GdP-Vorsitzende Jörg Radek sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), er sehe trotz der Ermittlungen keine strukturellen Probleme: „Ich glaube nicht, dass es in der Polizei eine Systematik oder eine Struktur gibt, die das begünstigt.“

HA vom 15.Januar 2019

Die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz hat nach eigenen Angaben erneut ein mit „NSU 2.0“ unterschriebenes Fax mit massiven Drohungen erhalten. In dem erneuten Drohfax drängt sich wieder eine Verbindung zur Frankfurter Polizei auf. Was der Verfasser des Briefes der Anwältin schreibt, kann er nicht aus dem Telefonbuch oder den sozialen Netzwerken haben. Dieses Täterwissen, so die begründete Vermutung, weist Bezüge zum Polizeicomputer auf.

Der neue Drohbrief bezieht sich direkt auf die Suspendierung der Polizisten, auch die Tochter der Anwältin wird erneut bedroht. Wörtlich heißt es: „Dir hirntoten Scheißdöner ist offensichtlich nicht bewusst, was du unseren Polizeikollegen angetan hast! Allerdings kommt es jetzt richtig dicke für dich, Du Türkensau!“ Ihrer Tochter werde man den Kopf abreißen, „und der Rest eurer Dönercrew wird ebenfalls kompetent betreut werden.“

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