Privatisierung der Pflege

Irrsinn, zweiter Teil. So überschreibt Armin Jelenik, Nürnberger Nachrichten, seinen leicht geänderten Artikel zur Absicht der fdp, die im Koalitionsvertrag mit der CDU vereinbarte Privatisierung der gesetzlichen Sozialversicherung weiter voranzutreiben, weil sie der privaten Versicherung nutzt.

Nach der Rente wird die Pflege teilprivatisiert

Bei der fdp knallen die Sektkorken, und das aus gutem Grund: Beim Koalitionsgipfel sind die Liberalen mit ihrem Lieblingsprojekt „Wir deformieren den Sozialstaat“ ein gutes Stück vorangekommen. Nach der von Rot-Grün beschlossenen Teilprivatisierung der Rente kann jetzt die „Verriesterung“ der Pflege beginnen. Der Irrweg Privatisierung führt jedoch in die Sackgasse.

Und die Finanz- und Versicherungswirtschaft, die schon heute zu den größten Spendern der fdp zählt, wird sich sicher erkenntlich zeigen für die Einführung dieser Privatisierung der Pflege.

 

Weder vernünftig noch wirksam

Denn entgegen allen anderslautenden Behauptungen ist die Schaffung einer Kapitaldeckung in der Renten- und Pflegeversicherung weder eine vernünftige Antwort auf eine alternde Gesellschaft, noch verhindert sie wirksam Armut bei Senioren. Bürger, die einen Teil ihres Einkommens in Riester-Rente und Bahr-Pflege anlegen, tun vor allem eines: Sie verhelfen der Versicherungswirtschaft zu einem einträglichen Geschäft. Gleichzeitig kommt eine Umverteilung in Gang, welche die gesetzlichen Versicherungssysteme schwächt — und der Staat macht dabei mit, indem er seine Steuermilliarden in diesen Privatisierungs-Irrsinn steckt.

 

Wer wissen möchte, wohin sich die demnächst teilprivatisierte Pflegeversicherung entwickeln wird, der muss sich nur die Riester-Rente anschauen. Millionen Bürger haben zwar inzwischen einen solchen Vertrag abgeschlossen, doch an den unteren Einkommensschichten — also genau an jenen, die im Alter von Armut bedroht sind — geht das Angebot vorbei. Ihnen sind die Riester-Verträge trotz staatlicher Förderung schlicht zu teuer.

 

Kein Wunder, schließlich müssen die Vertriebskosten und Provisionen der privaten Versicherungsunternehmen erst einmal von den Beiträgen bezahlt werden, bevor eventuell Gewinne erwirtschaftet werden. Zu allem Überfluss tun die Chef-Privatisierer der FDP auch noch so, als fielen die Gewinne, mit denen im Alter Pflege und Rente aufgebessert werden sollen, auf wundersame Weise vom Himmel. Doch genau das tun sie nicht — erst recht nicht seit der jüngsten Finanzkrise, in der selbst Staatsanleihen ihren Nimbus als sichere Anlageform verloren haben.

 

Wer Zinsen für sein Erspartes haben will, braucht immer einen Partner, der sich beim Anleger verschulden will und anschließend genügend Geld erwirtschaftet, um seine Schulden zurückzahlen zu können. Dass es auch anders kommen kann, zeigt die Griechenland-Krise. Doch erstaunlicherweise hört man von Gefahren auf den Kapitalmärkten nichts, wenn das FDP-Jungmännertrio Rösler, Bahr und Lindner die private Vorsorge preist. Stattdessen reden sie viel vom „demografischen Risiko“ und „Generationengerechtigkeit“, die sich in einer alternden Gesellschaft nur erreichen lasse, wenn jeder für sich selbst Verantwortung übernimmt.

 

Das ist Quatsch: Jedes Sozialsystem ist darauf angewiesen, dass die Gesamtgesellschaft genügend Gewinne erwirtschaftet, um ihre Alten, Kranken und Pflegebedürftigen zu versorgen. Im Umlageverfahren der gesetzlichen Versicherung sind das die Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, im kapitalgedeckten Verfahren die Zinszahlungen der Schuldner. Letztlich zahlt also immer jemand anderes, wenn wir in Würde altern wollen oder gepflegt werden müssen.

 

Fair und unabhängig

Also warum bleiben wir nicht gleich bei der gesetzlichen Sozialversicherung? Solidarität wird dort günstig, fair und unabhängig von den Kapitalmärkten geschaffen. Wenn man dieses System endlich zu einer Bürgerversicherung weiterentwickeln würde, in die alle Bürger einzahlen, wäre  die Basis groß genug, um auch künftig Pflegeleistungen  zu finanzieren. Das gilt auch für die Rentenzahlungen.

 

Kommentar:

Mit der Teilprivatisierung der Renten- und Pflegeversicherung enfallen insoweit auch die hälftigen Beiträge der Arbeitgeber. Die fdp bevorteilt daher nicht nur die Versicherungswirtschaft, sondern bedient auch noch die Arbeitgeber insgesamt. Wer jetzt immer noch glaubt, diese Partei setze sich für die Interessen der Arbeitnehmer ein, was diese  z.B. im Zusammenhang mit der Steuerreform behauptet, die vorrangig Spitzenverdiener entlastet, dem ist nicht mehr zu helfen.

Zur Erinnerung:

Die von der rot-grünen Bundesgegierung beschlossene und im Parlament durchgewunkene Riesterrente, die sich nicht rechnet, war und ist die Teilprivatisierung der gesetzlichen Rentenversicherung, da Leistungseinschränkungen der Rentenversicherung durch private Vorsorge ausgeglichen werden müssen, soweit Arbeitnehmer jahrzehntelang dazu in der Lage sind.

Bereits mit der Riesterrente konnten bei der Versicherungswirtschaft die Sektkorken knallen.

 

 

 

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