Parteienfinanzierung

 

Das Bundesverfassungsgericht hat am 22. Februar 2023 über die Finanzierung der parteinahen Stiftungen entschieden. Wegen einer Regelungslücke könnte die AfD 70 Millionen Euro für neobraune Fortbildung kassieren, weil diese gesetzliche Lücke wider besseren Wissens nicht geschlossen worden ist. Lesen Sie dazu die ergänzte und redaktionell geänderte Kolumne von Heribert Prantl.

Es gibt eine gewisse Esskultur, die sich durchschnittlich gesittete Menschen angewöhnt haben. Dazu gehört es zum Beispiel, dass man sich nicht gierig aus zwei oder drei Töpfen gleichzeitig bedient. Im politischen Betrieb, in der Parteiendemokratie, gilt das offenbar nicht. Die Parteien bedienen aus drei Töpfen gleichzeitig.

Auf Topf eins steht „staatliche Parteienfinanzierung„;  darin liegen derzeit 205 Millionen Euro pro Jahr.  Damit hat sich das Bundesverfassungsgericht soeben, wieder einmal, beschäftigt, es hat die Höhe der Summe beanstandet und das einschlägige Gesetz für verfassungswidrig erklärt.

Auf Topf zwei steht „staatliche Fraktionsfinanzierung„; darin liegen derzeit 126 Millionen Euro pro Jahr; dieser Topf war aber nicht Gegenstand der höchstrichterlichen Prüfung.

In Topf drei liegen die staatlichen Zuschüsse an parteinahe Stiftungen; es waren dies zuletzt an die 700 Millionen Euro pro Jahr.  Das ist viel Geld – aber da ist wenig Regelung und wenig Kontrolle. und war auch nicht Gegenstand der richterlichen Prüfung.

Es geht bei der staatlichen Parteienfinanzierung nicht einfach nur um Geld – es geht ganz grundsätzlich um die Rolle und den Einfluss der Parteien in unserem demokratisch verfassten Staat, es geht darum, ob dieses Land ein Parteienstaat oder ein Bürgerstaat sein soll.

BMI: Als Vereinigungen von Bürgerinnen und Bürgern finanzieren sich Parteien zunächst selbst (durch Beiträge und Spenden). Allerdings leisten sie durch die Erfüllung der ihnen vom Grundgesetz und dem Parteiengesetz übertragenen Aufgaben unter hohem Kostenaufwand einen wichtigen Beitrag zum Funktionieren des Staatswesens.

In den Regelungen zur Parteienfinanzierung spiegelt sich dieses Spannungsfeld wider. Das Bundesverfassungsgericht vertritt die Auffassung, dass der Staat zwar nicht verpflichtet, aber auch nicht gehindert sei, die Parteien finanziell zu fördern.

Das Parteiengesetz enthält daher Regelungen zur Eigenfinanzierung sowie zur staatlichen Teilfinanzierung der Parteien. Außerdem regelt es die Einzelheiten der öffentlichen Rechnungslegung der Parteien. Hierzu sind sie nach dem Grundgesetz verpflichtet.

 

Es gibt drei Töpfe. Aber nur für zwei davon ein Gesetz

Für Topf eins gibt es immerhin ein einigermaßen detailliertes Gesetz, das jetzt, auf Karlsruher Geheiß, reformiert und, das war die wichtigste Karlsruher Forderung, ausführlich und gut nachvollziehbar begründet werden muss.

Für Topf zwei, die staatliche Finanzierung der Fraktionen im Bundestag, existieren nur ein paar pauschale Regeln, einige wenige dürftige Absätze im Abgeordnetengesetz; nirgendwo steht etwas dazu, wie eigentlich der notwendige Finanzbedarf der Fraktionen ermittelt werden soll.

Und für den dritten Topf, aus dem die parteinahen Stiftungen finanziert werden, gibt es gar kein Gesetz – obwohl das seit Jahrzehnten gefordert wird und die staatlichen Zahlungen an die parteinahen Stiftungen dreieinhalb Mal so hoch sind wie die an die Parteien. Es fehlen jegliche gesetzliche Vorgaben dafür, wann Parteistiftungen gefördert werden und wie und wofür sie Geld ausgeben dürfen.

Rechtsgrundlagen

Rechtsgrundlage für die Auszahlung der vielen Millionen des dritten Topfs ist lediglich der im Haushaltsgesetz beschlossene Bundeshaushaltsplan – und die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung, die CSU-nahe Hanns -Seidel-Stiftung, die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung, die Friedrich-Naumann-Stiftung der FDP und die Rosa-Luxemburg-Stiftung der Linken teilen die Millionen nach einem Schlüssel, auf den sich die Stiftungen selbst einigen und der sich  an den Ergebnissen der Bundestagswahlen orientiert. In einer Demokratie muss alles Wesentliche per Gesetz geregelt werden. Lediglich mit dem Haushaltsgesetz wurde in der Vergangenheit regelmäßig die AfD-nahe Stiftung von der Zahlung ausgeschlossen.

In den gesetzlichen Vorgaben für Topf drei könnte, sollte und müsste daher unter anderem stehen, dass nur solche parteinahen Stiftungen und deren Bildungsprogramme finanziert werden, die auf dem Boden der Verfassung stehen; es darf nicht mit Staatsgeldern eine Arbeit finanziert werden, die dann vom Verfassungsschutz beobachtet werden muss, weil sie fremdenfeindlich, rassistisch und antisemitisch ist.  Braune Lehren sind nicht gemeinnützig, wie es Stiftungsarbeit sein muss, sondern gemeinschädlich, wie es Stiftungsarbeit nicht sein darf.

Gäbe es ein Parteistiftungsfinanzierungsgesetz, dann hätte der – im Ergebnis richtige – Ausschluss der sogenannten Desiderius-Erasmus-Stiftung der AfD aus der staatlichen Förderung, wie ihn der Bundestag praktiziert, immerhin eine gesetzliche Grundlage. Dann bestünde nicht das Risiko, dass die Verfassungsklage der AfD in Karlsruhe gegen diesen Ausschluss allein schon deswegen Erfolg hat, weil es kein Gesetz gibt, auf das sich der Ausschluss stützt: Am 22.  Februar wird in Karlsruhe das Urteil verkündet.

Es dreht einem den Magen um bei der Aussicht, dass die AfD allein wegen gesetzgeberischen Phlegmas auch künftig mit siebzig Millionen Euro Staatsgeld jährlich neobraune Bildungsarbeit fördern kann.

Der Bürgerstaat ist das Ideal, nicht der Parteienstaat

Parteien sind wichtig.  Ohne gut funktionierende Parteien funktioniert der Staat nicht gut.  Parteien sind die Träger der politischen Willensbildung des Volkes;  aber sie sind nicht das Volk, und sie sind nicht der Staat, auch wenn der Staat oft als Parteienstaat bezeichnet wird. Parteien sind verfassungsrechtliche Institutionen, sie gehören aber nicht zum Kreis der Staatsorgane.

„Parteienstaat“ – diese Bezeichnung beschreibt daher einen nicht wünschenswerten Zustand, sie beschreibt den Zu- griff der Parteien auf die Staatsgewalten, sie beschreibt die ungute Verlagerung staatlicher Entscheidungen auf Partei- oder Koalitionsgremien. Das sind krisenhafte Erscheinungen, das soll nicht auch noch finanziell überreich belohnt werden. Der Bürgerstaat ist das Ideal, an dem sich die Parteiendemokratie messen lassen muss. Der Bürger hat daher das Recht auf größtmögliche Transparenz bei der Parteienfinanzierung.  Verdeckte Parteienfinanzierung muss aufgedeckt und dann muss die Finanzierung, etwa bei den parteinahen Stiftungen, offen und  klar geregelt werden.  Dafür zu sorgen, ist die Pflicht der Parteien, die davon profitieren.

 

 

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