Marktradikaler Kahlschlag
Sozialer Kahlschlag
Privatisierung
Noch etwas verordnet Euro-Europa den Griechen: Ihre Löhne sollen noch weiter sinken, als sie es ohnehin schon sind. Und dann sollen die Geringverdiener auch noch über eine erhöhte Mehrwertsteuer den Staatshaushalt sanieren: nackte Interessenpolitik derer da oben gegen die hier unten. Und über alledem schwebt stets die Warnung an alle Menschen in Europa, die von abhängiger Arbeit leben müssen: Wer aufbegehrt, wer falsch wählt, etwa gar linksradikal, der wird das zu büßen haben. Damit niemand auf die Idee kommt, es könnte eine Alternative zur neoliberal-marktradikalen Gestaltung des Gemeinwesens geben.
Spardiktat
Es ist gar nicht zu bestreiten, dass Europa Griechenland zu viel an Finanzhilfen und Krediten gegeben hat, so viel, dass sie kaum jemals zurückgezahlt werden können. Und Griechenland hat das Geld angenommen. Aber wenn überhaupt, dann können die Hellenen nur zurückzahlen, wenn Europa sie produzieren lässt, etwa auch Leistungen des Tourismusgewerbes, wenn die Menschen Arbeit und die Selbstständigen und Unternehmen Aufträge haben, wenn die Wirtschaft brummt. Genau das aber haben die „Institutionen“ unter deutscher Führung seit Beginn der Krise 2010 verhindert und mit ihrer Austeritäts-, also Sparpolitik die Wirtschaft Griechenlands in die Knie gezwungen. So wächst keine Beschäftigung, und wer in eine Krise hinein spart, der spart am Ende weniger, als er – unter anderen Bedingungen – sparen könnte.
Verelendung
Deprimierend bei alledem ist die Kaltschnäuzigkeit, mit der europaweit die Eliten in Politik, Medien und Wirtschaft und auch große Teile der Bevölkerung das Elend, das die geschilderte Politik über die Mehrheit unserer griechischen Mitbürger/innen gebracht hat, billigend in Kauf nehmen und sehenden Auges auch noch verschärfen: 60 Prozent Jugendarbeitslosigkeit, drei Millionen Menschen ohne Krankenversicherung, Kinder und Rentner, die sich aus Mülltonnen ernähren, all das bis hin zu Hunger, Krankheit und Tod inklusive einer rasant steigenden Zahl an Selbsttötungen.
Elend der griechischen Bevölkerung:
Knechtung durch Freihandel
Griechenland ist nur ein Beisspiel und der Anfang einer beispiellosen Marktradikalität mit viel Elend und unermesslichen Reichtum, wenn TTIP und TISA trotz der Ablehnung der Mehrheit der Bevölkerungen von der EU-Kommission mit Billigung des EU-Parlaments vereinbart werden, was vorgesehen ist:
Die EU-Kommission will das Abkommen noch vor der Sommerpause 2016 an den Ministerrat und das EU-Parlament schicken. Wenn diese Gremien grünes Licht geben, soll das Abkommen sofort angewendet werden, bevor ein nationales Parlament zugestimmt hat.
Keine vorläufige Anwendung
CETA gilt als Blaupause für TTIP, das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Es soll als ein sogenanntes „gemischtes Abkommen“ geschlossen werden, das sowohl Bereiche umfasst, die in die alleinige Zuständigkeit der Kommission fallen, als auch solche, über die die EU-Mitgliedsstaaten entscheiden. Mit einer vorläufigen Anwendung würden Teile des Abkommens bereits vor der Ratifizierung durch alle EU-Mitgliedsstaaten in Kraft gesetzt.
Damit könnten auch die umstrittenen Regeln zum Investorenschutz zur Anwendung gelangen, ohne dass der Deutsche Bundestag und der Bundesrat darüber abgestimmt hätten. „Der neue Ansatz für ein Internationales Investitionsgericht in CETA ist bloß ein Wolf im Schafspelz, denn er ändert nichts an dem Grundproblem von Investitions-Schiedsverfahren, nämlich den privilegierten Investorenrechten“, so Bsirske.
Wie groß die Ablehnung von Freihandelsabkommen in Deutschland ist, zeigte sich Ende April in Hannover. Gewerkschaften und andere Nichtregierungsorganisationen hatten zu einer gemeinsamen Großdemo aufgerufen, Anlass war der Besuch der Hannover Messe durch den US-Präsidenten Barack Obama. 90.000 Demonstrierende setzten in der Hannoveraner Innenstadt ein klares Zeichen für einen gerechten Welthandel. Im Herbst soll es weitere Demonstrationen in verschiedenen deutschen Städten geben.
Ohne Paraguay und Uruguay
Ähnlich wie bei CETA und TTIP verhandeln derzeit die EU und 22 weitere Staaten hinter verschlossenen Türen über ein Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen, kurz TISA. Davon würden rund 70 Prozent des weltweiten Dienstleistungsaufkommens erfasst. Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen hatten Ende Mai zum Protest in Genf aufgerufen, wo die Botschafter der TiSA-Länder tagten.
Verlangt wurde unter anderem eine vollständige Veröffentlichung der Texte des Abkommens, damit die betroffenen Menschen demokratisch entscheiden können, ob das Abkommen weiter verfolgt werden soll. Jüngst waren Uruguay und Paraguay nach starken Protesten in den jeweiligen Ländern aus den Verhandlungen ausgestiegen. „Sollte TiSA abgeschlossen werden, hätten die Regierungen so gut wie keine Macht mehr über die Definition ihrer eigenen Standards“, warnte die Generalsekretärin der Internationale der Öffentlichen Dienste, zu der auch ver.di gehört, Rosa Pavanelli. So soll mit dem Abkommen auch verhindert werden, dass gescheiterte Privatisierungen wieder zurück in die öffentliche Hand gehen können. pm/hla