Leiharbeit

Bundesregierung will minimale Verbesserungen in der Leiharbeit. Mit der Neuregelung soll es Arbeitgebern erschwert werden, regulär Beschäftigte in Leiharbeit zu zwingen. Von Sivio Duwe, 16.12.2010, Telepolis.

Anfang 2009 wurde bekannt , dass die Drogeriekette Schlecker im Zuge der Eröffnung größerer Filialen Mitarbeitern kündigte, um sie anschließend zu deutlich schlechteren Konditionen wider einzustellen – bei der Zeitarbeitsfirma Meniar, die zwar formal eigenständig arbeitet, praktisch jedoch mit Schlecker eng verbunden ist . Anfang 2010 entdeckte Arbeitsministerin von der Leyen das Thema dann für sich und versprach, bei Schlecker sehr genau hinzugucken . Zur Not solle mit einem Gesetz gegengesteuert werden.

Diese Not ist nun offenbar so groß, dass das Kabinett einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht hat, der den Drehtüreffekt bei der Leiharbeit bekämpfen soll. Der Entwurf, der Telepolis vorliegt, verbietet es Arbeitgebern, entlassene Mitarbeiter innerhalb von sechs Monaten zu schlechteren Bedingungen wieder über eine Leiharbeitsfirma einzustellen, selbst wenn ein Tarifvertrag für Zeitarbeiter schlechtere Bedingungen vorsehen sollte. Der Entwurf geht freilich nur die größten Auswüchse in der Branche an, die vom Auslöser des Gesetzes, der Firma Schlecker, ohnehin nicht mehr praktiziert werden .

Darüber hinaus sollen die Arbeitgeber verpflichtet werden, Leiharbeiter in ihrem Betrieb über reguläre zu besetzende Stellen zu informieren. Weiterhin sollen Leiharbeiter nun erstmals per Gesetz das Recht erhalten, Gemeinschaftseinrichtungen in ihren jeweiligen Betrieben mit zu nutzen. Gleiche Nutzungsbedingungen werden im Entwurf allerdings nicht erwähnt – dabei müssen Leiharbeiter heute in den Betriebskantinen oftmals mehr zahlen als die Stammbelegschaft .

Der neue Gesetzentwurf verbietet es allerdings ausdrücklich nicht, Mitarbeiter zu entlassen und gleich darauf wieder als Zeitarbeiter einzustellen, wenn die gleichen Arbeitsbedingungen gewährt werden. Die Drehtür verliert mit dem neuen Gesetz also lediglich an Schwung, zum Stehen bringt sie die Ministerin nicht.

Was das Gesetz nicht regelt

Dies wird auch deutlich, wenn man einen Blick darauf wirft, was das Gesetz nicht regelt. Das Ersetzen von regulär Beschäftigten durch Leiharbeiter ist auch weiterhin möglich – die Betriebe müssen lediglich darauf achten, neue Mitarbeiter einzustellen. Da in der Leiharbeit der Kündigungsschutz deutlich schwächer ist und in diesem Fall auch der Tarif der übrigen Angestellten nicht eingehalten werden muss, bleibt es für die Unternehmen nach wie vor attraktiv, reguläre Arbeit durch befristete Beschäftigungsverhältnisse zu ersetzen.

Sollte die entlassene Stammbelegschaft nach Ablauf von sechs Monaten zudem noch nicht wieder in Arbeit sein, kann sie das Unternehmen sogar wie bisher auch als Leiharbeiter zu schlechteren Konditionen einstellen. Da zudem weder eine Höchstüberlassungsdauer noch das Synchronisationsverbot, welches den Zeitarbeitsfirmen verbieten würde, die Verträge mit ihren Mitarbeitern von vornherein nur für die Dauer der Beschäftigung im Entleihbetrieb abzuschließen, eingeführt wird, kritisiert die Gewerkschaft Verdi den Entwurf als halbherzig und unzureichend .

Freude bei den Zeitarbeitsunternehmern

Die Zeitarbeitsbranche hingegen begrüßt den Vorstoß der Koalition. Zeitarbeit sei „kein Instrument, um bestehende Lohnstandards zu unterlaufen, sondern ein Flexibilitätsmotor der Wirtschaft“, so der Hauptgeschäftsführer des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) Werner Stolz. Zugleich forderte er eine Aufnahme seiner Branche in das Arbeitnehmerentsendegesetzes und einen Mindestlohn.

Dabei geht es den Zeitarbeitsfirmen jedoch nicht um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen ihrer Mitarbeiter, sondern vielmehr um den Erhalt ihrer Marktanteile. Denn ab dem Mai 2011 können dank der Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU auch osteuropäische Zeitarbeitsfirmen den hiesigen Anbietern mit noch weit geringeren Löhnen Konkurrenz machen. Kommt kein Mindestlohn zustande, befürchtet Stolz daher eine „Diskriminierung der hiesigen Anbieter von Personaldienstleistungen“ – also der Zeitarbeitsfirmen.

Folgenreiches Grundsatzurteil

Dass es der Branche nicht um eine faire Bezahlung ihrer Mitarbeiter geht, zeigt auch die Kritik des Arbeitgeberverbandes Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) an dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts, welches den Christlichen Zeitarbeitsgewerkschaften das Recht, Tarifverträge abzuschließen, aberkennt. Die Gewerkschaften standen immer wieder in der Kritik, weil sie mit ihren Tarifabschlüssen Dumpinglöhne ermöglicht hatten.

Der Arbeitgeberverband spricht von einem immensen Schaden, der Wirtschaft und Arbeitsmarkt durch das Urteil entstanden sei. Tausende Unternehmen seien nun bedroht, bis zu 300.000 Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel. „Das Bundesarbeitsgericht stellt damit das gesamte eigenständige Tarifsystem in der Zeitarbeit, das nur wegen der Tarifpluralität in den letzten Jahren überhaupt Bestand hatte, infrage“, so der Präsident des AMP, Peter Mumme.

Sein Verband prüft nun eine Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil, welches den Beschäftigten mehr nützen dürfte als der Gesetzentwurf der Koalition: Sollten die Tarifverträge der Christlichen Zeitarbeitsgewerkschaften auch rückwirkend ungültig sein, könnten die betroffenen Arbeitnehmer den gleichen Lohn wie die Stammbelegschaft einfordern – auch rückwirkend. Hinzu kämen Nachzahlungen bei den Sozialversicherungsbeiträgen und Rückforderungen der Argentur für Arbeit.

 



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