Kumpanei und Macht

Die gemeinsame und schamlose Absicht von hochrangigen Funktionsträgern der CDU auf Bundes- und Landesebene und von Printmedien und anderen Medien, allen voran die Nachrichtensendungen des öffentlich-rechtlichen ZDF , den politischen Gegner ohne sachliche Grundlage und wider besseren Wissens zu diskreditieren, kann von Demokraten auf keinen Fall hingenommen werden.

Worum geht es? Es geht um die Behauptung der Bild am Sonntag und weiterer Medien und deren Vertreter in Bezug auf manipulierte Abgaswerte, der VW-Konzern habe die Regierungserklärung des niedersächsischen Ministerpräsidenten Stefan Weil vom Oktober 2015 umgeschrieben und sich damit zum Erfüllungsgehilfen des Konzerns gemacht, weil „problematische Passagen“ gestrichen und „positive Formulierungen“ eingefügt worden sein sollen.

Diese Unterstellung, die von der Willfährigkeit und vom permanenten Versagen des Bundesverkehrsministers, von der Verantwortung dieses Ministeriums für den Dieselskandal und von der unsäglichen Kumpanei mit der Überläuferin der bisherigen Landtagsabgeordneten der Grünen ablenken soll, ist bodenlos.

Der Umgang mit der Rede des Ministerpräsidenten vom Okt.2015, also die Weiterleitung des Manuskripts der Rede an VW, war zu diesem Zeitpunkt bekannt und ist von der CDU nicht kritisiert worden, wird aber jetzt mit Unterstützung der Medien thematisiert, um Lügen zu verbreiten mit dem Ziel, das Wahlverhalten sowohl bei der Bundestagswahl als auch bei der notwendig gewordene Landtagswahl zu manipulieren. Ich nenne ein solches Verhalten schäbig und unanständig. Niemand kann ein solches Verhalten gutheißen.

Der nachfolgenden Rede des Ministerpräsidenten Stefan Weil und der dokumentierten vollständigen  Regierungserklärung ist zu entnehmen, dass die Klarheit seiner Rede, und dazu gehört die deutliche Kritik am Verhalten des Vorstands von VW, nicht in Zweifel gezogen werden kann. Wie z.B. die Tagesschau auf den Vorwurf kommen kann, die Textpassage „Damit ist gegen Gesetze verstoßen und Vertrauen missbraucht worden“, sei „entpersonalisiert“, weil Volkswagen nicht ausdrücklich genannt worden ist, ist falsch, lächerlich und ohne Substanz, zumal der Bezug zu VW in der dokumentierten Rede eindeutig ist (s.von mir fettgedruckte Passage).

Der Vorwurf ist falsch, weil Volkswagen keine Person ist und deswegen keine Entpersonalisierung stattfinden kann, wenn Volkswagen in dieser Textpassage nicht ausdrücklich erwähnt wird.

Der Vorwurf ist lächerlich, weil der Bezug zu VW mit der vermeintlichen „Entpersonalisierung“ nicht entfällt.

Der Vorwurf ist ohne Substanz, weil er am Thema vorbeigeht.

Rolf Aschenbeck

Dazu:
Die Diesel-Affäre könnte die Bundesregierung, besonders den unionsgeführten Teil, derangiert dastehen lassen. Dass in diesem Fall keiner, auch nicht der zuständige Verkehrsminister Alexander Dobrindt von der CSU, den Hauch einer Ahnung gehabt haben will – das ist schwer zu glauben. Wenn wirklich Berichte des ihm unterstellten Kraftfahrtbundesamts zum Desaster geschönt worden sind, um es vorsichtig auszudrücken, dann muss das ernste Konsequenzen haben. Nach dem bevorstehenden Diesel-Gipfel, aber vor der Bundestagswahl. Die Autokonzerne setzen ja nicht nur den Ruf einer gesamten Branche, der wichtigsten in Deutschland, in aller Welt aufs Spiel. Hier geht es um Milliarden – und mit möglichen Folgen für Millionen Menschen. Für ihr Geld und ihre Gesundheit. Deshalb muss die Bundesregierung, namentlich die Bundeskanzlerin, handeln. Schon, um jeden Anschein von Kumpanei mit den Autobossen zu vermeiden. Sonst bekommt Angela Merkels Wahlkampf auf den letzten Metern mehr als einen Kratzer.

Stephan-Andreas Casdorff, Tagesspiegel-Chefredakteur

 

Rede von Ministerpräsident Stefan Weil vom Oktober 2015 sowie Positionen von CDU und FDP:

Falls Interesse besteht, die gesamte Diskussion anläßlich der Rede von Weil:

 

Die Dokumentation der vollständigen Rede:

Stephan Weil, Niedersächsischer Ministerpräsident

Unterrichtung des Niedersächsischen Landtages über die Krise bei der Volkswagen AG im Zusammenhang mit der Manipulation von Diesel-Abgaswerten am 13. Oktober 2015

Auszug aus dem Wortlautprotokoll der Landtagssitzung am 13.10.2015 (nicht mit abgedruckt wurden Hinweise auf Applaus im Landtag oder Zwischenrufe von Abgeordneten sowie kurze Kommentierungen derselben durch Ministerpräsident Weil.)

 

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Niedersachsen steht in diesen Tagen gleich vor mehreren großen Herausforderungen, die in ihrer Tragweite derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden können. Da sind zum einen die anhaltend hohen Flüchtlingszahlen, die das Land, die Kommunen und viele Bürgerinnen und Bürger bis an den Rand der Möglichkeiten fordern – und nicht selten auch darüber hinaus.

Und da ist zum anderen die schwere Krise bei Volkswagen, die uns Mitte September völlig unvermittelt überrascht hat und seitdem in Atem hält.

Meine Damen und Herren,

zwischen Niedersachsen und Volkswagen besteht eine überaus enge, eine einzigartige Verbindung. Natürlich hat diese Beziehung eine wirtschaftliche Grundlage. Volkswagen ist das mit Abstand größte niedersächsische Unternehmen. 120 000 Menschen arbeiten in Niedersachsen bei Volkswagen: an den Standorten Wolfsburg, Braunschweig, Salzgitter, Hannover, Osnabrück und Emden. Volkswagen ist damit der mit Abstand größte private Arbeitgeber in unserem Land. In der Automobil- und Zulieferindustrie arbeiten insgesamt rund 200 000 Menschen. Wenn wir dann noch die Dienstleister, Handwerksunternehmen und Familien hinzurechnen, wird klar, wie viele Menschen in unserem Land direkt und indirekt ihre Lebensgrundlage von Volkswagen ableiten.

Das ist es aber nicht alleine. Niedersachsen und Volkswagen verbindet auch die Geschichte. Der Aufbau des Volkswagenwerkes in Wolfsburg erfolgte aus dem von den Nationalsozialisten beschlagnahmten Gewerkschaftsvermögen. Daran möchte ich gerne einmal erinnern, weil in diesen Tagen – übrigens ohne jeden Zusammenhang mit dem zugrunde liegenden Sachverhalt – punktuell auch Kritik an einem angeblich zu großen Einfluss von Arbeitnehmern auf dieses Unternehmen geübt wird.

Nach dem Krieg übertrug dann die britische Besatzungsmacht dem jungen Land Niedersachsen die Treuhänderschaft über Volkswagen. Auch nach der Privatisierung 1960 blieb Niedersachsen bis zum heutigen Tag ein maßgeblicher Aktionär von Volkswagen. Nicht ohne Grund haben wir in Niedersachsen über alle Parteigrenzen hinweg gemeinsam gegen eine Abschaffung des VW-Gesetzes gearbeitet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

auch diese geschichtliche Verbindung ist noch nicht alles. Aus vielen Rückmeldungen in diesen Tagen wird mir immer wieder klar, wie tief sich die Menschen in unserem Land Volkswagen emotional verbunden fühlen. Ich darf sagen: Auch ich persönlich zähle mich dazu.

So erklärt es sich auch, dass wir alle tief betroffen und entsetzt darüber sind, zu erfahren, dass bei Volkswagen über etliche Jahre hinweg Abgaswerte bei Dieselmotoren manipuliert worden sind. Dieses Vorgehen ist unverantwortlich, völlig inakzeptabel und durch nichts zu rechtfertigen. Diese sehr klare, durch nichts zu relativierende Feststellung stelle ich ganz bewusst an den Anfang meiner Ausführungen. Damit ist gegen Gesetze verstoßen und damit ist Vertrauen missbraucht worden. Das darf sich nie wiederholen!

Dieses Entsetzen wird auch von der überragenden Mehrheit der Beschäftigten bei Volkswagen geteilt. Dort arbeiten jeden Tag Hunderttausende, die mit vollem Engagement und hoher Kompetenz hervorragende Arbeit leisten. Diese Menschen zählen kaum weniger zu den Opfern dieser unverantwortlichen Machenschaften als die Kunden, die sich in ihrem Vertrauen getäuscht fühlen. Deswegen füge ich eine zweite Bemerkung hinzu, die mir nicht weniger wichtig ist: In Niedersachsen wissen wir ganz genau, was wir an Volkswagen haben. Wir stehen zu diesem Unternehmen, und wir stehen zu seinen Beschäftigten.

Lassen Sie mich vor diesem Hintergrund kurz den Sachverhalt zusammenfassen, wie er sich nach meinem Kenntnisstand in groben Zügen darstellt. Vor etwa zehn Jahren wurden strategische Überlegungen darüber angestellt, wie Volkswagen in den Vereinigten Staaten mit einem Dieselmotor Erfolg haben könnte. Es sollte ein verbrauchsarmer Motor sein, der bewusst als ökologisches und „grünes“ Produkt positioniert werden könnte. Deswegen sollte der Motor vom Typ EA 189 in den Vereinigten Staaten eingesetzt werden.

Wie wir heute wissen, gelang es dabei jedoch nicht, die strengen Abgaswerte in den USA einzuhalten. Anstatt dies nun klar und deutlich zu thematisieren, ist fatalerweise der Entschluss gefasst worden, eine Software zu entwickeln, die die Abgasentwicklung unterschiedlich steuert, je nachdem, ob sich ein Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet oder im normalen Verkehr. Wo und wann dieser Beschluss gefasst wurde und wer ihn gefasst hat, das ist derzeit Gegenstand intensiver Ermittlungen.

In den Folgejahren erfolgte dann auch ein Einsatz derselben Software in anderen Modellen und auf anderen Märkten. Wer dafür die Verantwortung hatte, ist auch Gegenstand der laufenden Ermittlungen.

Schließlich stellten im Laufe des vergangenen Jahres Wissenschaftler erstmals Abweichungen in der Schadstoffkonzentration zwischen Labortest und Straßentests bei VW- Dieselfahrzeugen in den USA fest. Die amerikanischen Aufsichtsbehörden setzten sich mit Volkswagen USA in Verbindung. Mehr als ein Jahr lang fanden Gespräche statt, bis Volkswagen die Manipulation eingeräumt hat. Dieses Eingeständnis hätte sehr viel früher erfolgen müssen. Ein weiterer schwerer Fehler!

Wo und wann dieses Vorgehen entschieden wurde und wer dafür die Verantwortung trägt, ist auch Gegenstand der Aufklärung.

Seit dem 18. September haben die amerikanischen Behörden diese Vorgänge öffentlich gemacht. Sie sind seitdem Gegenstand einer welt-weiten Diskussion.

Um eines unmissverständlich klarzustellen: Minister Olaf Lies und ich persönlich haben ebenfalls erst am 18./19. September erstmals von diesen Vorgängen Kenntnis erlangt, und zwar aus den Medien.

Meine Damen und Herren,

die Folgen dieses Verhaltens sind auch knapp einen Monat später noch nicht abschließend zu überschauen. Das gilt in vielerlei Hinsicht.

Technisch geht es darum, die manipulierte Soft-ware so schnell wie möglich zu ersetzen und ordnungsgemäße Zustände in den Fahrzeugen herzustellen. Das ist quantitativ und qualitativ eine enorme Herausforderung. Es geht um bis zu 11 Millionen Fahrzeuge, die nur zu einem geringeren Teil in den Vereinigten Staaten und zu einem sehr viel größeren Teil auf den europäischen Märkten in die Werkstätten zurückzurufen sein werden. Dabei ist eine Vielzahl unterschiedlicher Spezifikationen zu berücksichtigen, die wiederum in eine Vielzahl differenzierter Softwareapplikationen und unterschiedliche Anpassungsbedarfe an den Motoren münden müssen.

In der vergangen Woche hat Volkswagen dem Kraftfahrtbundesamt seinen Plan vorgelegt, mit dem nach und nach bis Ende 2016 alle Fahrzeuge, die betroffen sind, in dieser Hinsicht neu ausgestattet werden. Eine ebenso zügige wie sorgfältige Durchführung dieser sehr, sehr anspruchsvollen Rückrufaktion ist nach meiner Überzeugung gegenüber den Kunden von Volkswagen und gegen-über den betroffenen Ländern absolut vorrangig.

Über die Schadensbeseitigung hinaus sind etliche Straf- und Zivilverfahren unter den jeweils geltenden unterschiedlichen Rechtsordnungen zu erwarten. Dabei stehen derzeit natürlich insbesondere Verfahren in den Vereinigten Staaten im Vorder-grund. Damit wird es aber voraussichtlich nicht sein Bewenden haben.

Wie sich unter diesen Bedingungen der wirtschaftliche Schaden für das Unternehmen beziffern wird, lässt sich derzeit nicht verlässlich abschätzen. Bekanntlich sind allein für das Jahr 2015 6,5 Milli-arden Euro zurückgestellt worden. Schon das ist ein gewaltiger Betrag. Zugleich liegt mir aber daran, die außerordentlich gute wirtschaftliche Substanz von Volkswagen zu betonen. Volkswagen hat sich im Rahmen seiner höchst erfreulichen Entwicklung in den vergangenen Jahren eine starke wirtschaftliche Position erarbeiten können. Gleichwohl ist klar: Die Planungen des Unternehmens müssen unter diesen aktuellen Bedingungen neu justiert werden. Das gilt für die Investitionen genauso wie für die Gewinn-planungen. Und auch die Steuereinnahmen der öffentlichen Hand werden von der Krise bei Volks-wagen nicht unberührt bleiben. Eine Konkretisierung dieser Konsequenzen wird aber nach meiner Einschätzung erst nach und nach möglich sein.

Das gilt insbesondere auch für die wichtigste Fragestellung, die ganz am Ende entscheidend ist: Wird es Volkswagen gelingen, sich das Vertrauen seiner Kunden zu erhalten und an den unterschiedlichen Märkten dieser Welt weiter erfolgreich tätig zu sein? – Auch auf diese Frage gibt es derzeit keine wirklich belastbare Antwort. Wir werden die Entwicklung in den nächsten Monaten sehr sorgfältig zu beobachten haben.

Lassen Sie mich aber eines hervorheben: Die modernen Produkte von Volkswagen sind gerade in ökologischer Hinsicht von einer hohen, einer sehr hohen Qualität gekennzeichnet. Das muss auch in Anbetracht der zu Recht sehr kritischen aktuellen Diskussion immer wieder in Erinnerung gerufen werden. Viele Millionen Menschen auf der Welt sind mit ihren Fahrzeugen von Volkswagen hoch zufrieden. Nichtsdestotrotz ist es ein langer und harter Weg, der vor Volkswagen liegt. Daran ist nichts zu beschönigen. Das Unternehmen wird in all seiner Kompetenz und in seiner wirtschaftlichen Substanz gefordert sein, diese Herausforderung zu meistern.

Dafür, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein erster Schritt nach meiner Überzeugung unabdingbar: die konsequente Aufklärung aller Vorgänge im Zusammenhang mit der Manipulation von Abgas-werten. Das ist für das gesamte Unternehmen ein schmerzlicher Prozess. Aber er ist die Grundlage für einen im Unternehmensinteresse liegenden Neuanfang. Das ist die klare und unmissverständliche Haltung, die die Vertreter des Landes Nieder-sachsen im Aufsichtsrat von Anfang an vertreten haben, und die Haltung, die sich Präsidium und Aufsichtsrat in aller Konsequenz zu Eigen gemacht haben. In diesem Prozess wird der Aufsichtsrat eine hervorgehobene Rolle spielen und so seiner Verantwortung gerecht werden.

 

Lassen Sie mich von den Konsequenzen berichten, die Präsidium und Aufsichtsrat bis heute aus dieser Haltung heraus gezogen haben.

Erstens. Der Aufsichtsrat hat eine unabhängige Untersuchung eingeleitet, die bis ins Detail hinein für Aufklärung sorgen soll. Es handelt sich dabei um eine sogenannte External Investigation nach amerikanischen Grundsätzen. Sie wird durch die amerikanische Anwaltsfirma Jones Day durchgeführt. In diesem Zusammenhang wird die Aufklärung mit hoher Akribie betrieben. Unvermeidbar ist dabei, dass angesichts des Umfangs der Untersuchungen deren Abschluss erst in einigen Monaten zu erwarten ist. Dann gibt es jedoch – so ist unsere Erwartung – einen Sachverhalt, der von allen Beteiligten, auch von den amerikanischen Behörden, hoffentlich als Grundlage für das weitere Vorgehen anerkannt ist.

Zweitens. Der Aufsichtsrat hat einen Sonderaus-schuss eingerichtet, an den Jones Day berichtet. Der Sonderausschuss soll gegebenenfalls weitere erforderliche Maßnahmen in dieser Hinsicht vorbereiten. Das Land Niedersachsen wird durch den Kollegen Wirtschaftsminister Olaf Lies in diesem Sonderausschuss vertreten.

Drittens. Das Präsidium hat durch das Unternehmen Strafanzeige wegen des Verdachts von strafbaren Handlungen im Zusammenhang mit den genannten Vorgängen erstattet. Wie den Medien zu entnehmen ist, sind die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Braunschweig bereits aufgenommen worden.

Viertens. Es ist eine Reihe von personellen Maß-nahmen getroffen worden. Am wichtigsten ist dabei sicherlich der Wechsel im Vorstandsvorsitz des Konzerns. Wie Sie wissen, hat Herr Professor Martin Winterkorn die Gesamtverantwortung übernommen und ist von seinem Posten als Vorstandsvorsitzender zurückgetreten. Das war sicherlich ein erforderlicher Schritt. Ich möchte aber auch daran erinnern, dass sich Professor Winterkorn in den vergangenen Jahren um Volkswagen und auch um das Land Niedersachsen verdient gemacht hat. Unter seiner Verantwortung sind in unserem Land Zehntausende industrieller Arbeitsplätze entstanden, und Volkswagen hat sein Engagement in Niedersachsen noch einmal verstärkt. Auch das darf in Erinnerung gerufen werden, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Nach meiner Überzeugung bietet Matthias Müller die besten Voraussetzungen dafür, Volkswagen aus der aktuell schwierigen Situation herauszuführen. Er ist ein höchst anerkannter Manager, der genaue Kenntnisse des Konzerns hat und seit einigen Jahren die Marke Porsche außerordentlich erfolgreich geführt hat. Wir haben gerade in Niedersachsen allen Grund, Matthias Müller eine glückliche Hand zu wünschen.

Ein Wechsel hat auch an der Spitze des Aufsichtsrates stattgefunden. Wie Sie wissen, hat Berthold Huber das Gremium einige Monate lang kommissarisch geleitet. Es ist gewiss ungewöhnlich, dass an der Spitze eines Aufsichtsrats eines so wichtigen Industrieunternehmens ein Gewerkschafter steht. Ohne ins Detail zu gehen, möchte ich hervorheben, dass sich Berthold Huber in dieser Zeit herausragende Verdienste um das Unternehmen erworben hat. Dafür haben wir ihm Dank zu sagen.

Sein Nachfolger ist Hans Dieter Pötsch, der bisherige Finanzvorstand. Herr Pötsch hat einen hohen Erfahrungsschatz, eine bemerkenswerte Integrationskraft innerhalb des Konzerns und verfügt über einen ausgeprägten strategischen Weitblick. Seine Berufung an die Spitze des Aufsichtsrats stärkt die Handlungsfähigkeit des Konzerns nachhaltig.

Fünftens. Im Rahmen der allgemeinen Diskussion ist eine umfassende Organisationsreform bei Volkswagen ein wenig untergegangen, die der Aufsichtsrat ebenfalls beschlossen hat. Es geht um eine Stärkung der Marken, es geht um eine Stärkung der regionalen Marktverantwortlichen, und es geht um eine notwendige Anpassung der Konzernstrukturen an ein weltweit höchst differenziertes Geschäftsmodell. Vorarbeiten hierzu sind bereits deutlich vor dem Bekanntwerden des Skandals aufgenommen worden. Die Ergebnisse kommen nach meinem Eindruck aber vor dem aktuellen Hintergrund genau zum richtigen Zeitpunkt.

Sechstens. Daneben steht selbstverständlich der-zeit eine laufende, höchst intensive Begleitung der Vorstandsarbeit durch Präsidium und Aufsichtsrat. Die Gremien tagen derzeit häufig im Wochenrhythmus.

Siebtens darf ich meiner Erwartung Ausdruck geben, dass weitere Entscheidungen in diesem Zusammenhang zu erwarten sind.

Um es zusammenzufassen: Die Aufarbeitung dieses Skandals erfolgt derzeit mit höchster Priorität und höchster Intensität. Uns allen ist miteinander klar, dass Volkswagen Vertrauen zurückgewinnen muss und dass eine rückhaltlose Aufklärung und die notwendige Konsequenz beim weiteren Vorgehen die Grundlage für neues Vertrauen bilden. Der Aufsichtsrat – so ist mein Eindruck – ist sich seiner Verantwortung in dieser Hinsicht außerordentlich bewusst und treibt den Prozess voran.

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

in diesem Zusammenhang will ich auch gerne auf einzelne Stimmen eingehen, die meinen, die Anteilseignerschaft des Landes Niedersachsen oder sei-ne Vertretung in den Aufsichtsgremien sei ein Problem.

Lassen Sie mich sine ira et studio einfach Folgendes sagen: Minister Olaf Lies und ich erfüllen unsere Aufgaben als Aufsichtsräte sehr gewissenhaft zum Wohle des Unternehmens. Aber auch Christian Wulff, Walter Hirche, Philipp Rösler, David McAllister und Jörg Bode sind ihren gesetzlichen Aufgaben kompetent nachgekommen. Ich habe keine Hinweise darauf, dass sie die fatalen Fehlentscheidungen im Unternehmen gekannt haben oder hätten erkennen können, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Im Gegenteil: Es gibt ein großes gemeinsames Interesse in Niedersachsen an einer erfolgreichen Zukunft von Volkswagen. Der höchst erfolgreiche Weg von Volkswagen ist auch das Ergebnis des Engagements unseres Landes. So soll es weitergehen, und zwar gemeinsam,

Meine sehr verehrten Damen und Herren.

über die Aufklärung hinaus stellt sich selbstverständlich eine Vielzahl weiterer Fragen. Mit zu den wichtigsten und zugleich schwierigsten Fragen zählt für mich die Frage nach den Konsequenzen mit Blick auf die zukünftige Unternehmenskultur. Es muss der selbstverständliche Anspruch sein, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Volkswagen Gesetze strikt beachten, sich auch persönlich hohen Umweltstandards verpflichtet fühlen und jederzeit ihre Stimme erheben, wenn sie Fehlentwicklungen erkennen.

Bei aller Größe des Unternehmens: Alle seine Teile haben eine Mitverantwortung. Ich bin sehr froh darüber, dass wir auch in dieser Hinsicht Konsens zwischen Vorstand, Betriebsrat und Aufsichtsrat haben. Es wird darauf ankommen, daraus nach und nach die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen und damit Volkswagen auch nach innen neue Perspektiven zu eröffnen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

lassen Sie mich zum Schluss kommen. Ich wiederhole es noch einmal: Es ist ohne jede Frage ein langer und harter Weg, vor dem Volkswagen steht. Volkswagen hat große Herausforderungen zu bewältigen, und das wird nicht in einigen wenigen Monaten zu schaffen sein.

Aber Volkswagen kann sich mit Mut und Zuversicht an diese Aufgabe heranmachen.

Was in diesen Tagen nach meinem Eindruck in der öffentlichen Diskussion viel zu kurz kommt, ist der Verweis auf die Qualitäten dieses Unternehmens. Die hohe technologische Kompetenz, das ungeheure Engagement der Belegschaft und der strategische Weitblick von Verantwortlichen haben Volkswagen in den vergangenen Jahrzehnten und vor allem in den letzten 15 Jahren von einem niedersächsischen Automobilbauer zu einem Weltunternehmen gemacht. Volkswagen ist in Forschung und Entwicklung unter allen Unternehmen auf der Welt führend. Volkswagen ist der größte Arbeitgeber in Europa. Volkswagen steht wie kaum ein anderes Unternehmen für gute Arbeit mit sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen und fairen Bedingungen.

Volkswagen ist eine Perle der deutschen Industrie, und es lohnt sich, für dieses Unternehmen zu kämpfen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Die Krise ist auch eine Chance. Der Skandal um manipulierte Abgaswerte ist ganz sicher ein Ein-schnitt für den Konzern. Er bietet aber auch die Möglichkeit zu einem Neuanfang. Umweltstandards sind nicht lästig. Sie sind die Grundlage für geschäftlichen Erfolg.

Ich wünsche mir, dass Volkswagen aus dieser Krise als ein Unternehmen hervorgeht, das an der Spitze des ökologischen Fortschritts steht. Mündige Mitarbeiter, die sich Unternehmensgrundsätze zu Eigen machen, sind nicht störend, sondern sie sind erwünscht. Ich wünsche mir, dass Volkswagen künftig bei-spielhaft für ein Unternehmen steht, das diesen Grundsatz im Betrieb Tag für Tag, immer wieder auch ganz praktisch anwendet.

Volkswagen ist ein großartiges Unternehmen mit einer ungeheuren Substanz.

Krisen sind auch Chancen. Niedersachsen wird Volkswagen und seine Beschäftigten auf diesem Weg engagiert begleiten.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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