Kostenverlagerung

Gesamtgesellschaftliche Aufgaben werden wiederum und verstärkt aus Beitragsmitteln der GKV finanziert. Mit dieser erneuten Kostenverlagerung werden wiederholt die Beitragszahler der gesetzlichen Krankenkassen systemwidrig belastet, obwohl die Finanzierung solcher Aufgaben über Steuern zu erfolgen hätte. Lesen Sie die folgenden Infos, krankenkassen-direkt entnommen.

Der Bundestag hat am 26.11.2020 das „Gesetz zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung und Pflege“ (Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz – GPVG) beschlossen. Kerninhalte des Gesetzes sind Regelungen zur Altenpflege und Geburtshilfe sowie zur Finanzierung der Pandemiekosten über die gesetzliche Krankenversicherung (GKV). Letztere hatten schon im Vorfeld für Kritik auf breiter Front gesorgt.

Das Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates und soll voraussichtlich im Januar 2021 in Kraft treten. Die wichtigsten Regelungen im Überblick:

Hauptlast der Pandemiekosten verbleibt beim Beitragszahler

Alleine für 2021 beträgt das zu erwartenden Defizit in der GKV gut 16 Milliarden Euro. 5 Milliarden davon wird nach dem GPVG der Bund über einen ergänzenden Steuerzuschuss tragen. Deutlich zu wenig, meinen Bundesrat, Gewerkschaften, Verbraucherverbände und die Krankenkassen (vgl. „Links zum Thema“). Gesamtgesellschaftliche Aufgaben des Staates würden so zum Großteil auf die GKV-Beitragszahler abgewälzt. Der Bundesrat hatte zuvor die Anhebung des ergänzenden Steuerzuschusses auf 11 Milliarden Euro gefordert.
Zur Deckung der Pandemiekosten sieht das GPVG zudem vor, dass aus den beitragsfinanzierten Finanzreserven der Krankenkassen 8 Milliarden Euro in den Gesundheitsfonds überführt werden. Kassen kritisieren dies als Eingriff in ihre Finanzautonomie. Darüber hinaus soll die noch verbleibende Finanzierungslücke über höhere Zusatzbeiträge gefüllt werden. Den durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz für 2021 hatte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) bereits im Vorfeld des GPVG um 0,2 Punkte auf 1,3 Prozent angehoben (vgl. „Links zum Thema“).
Für die kassenindividuellen Zusatzbeitragssätze werden das Anhebungsverbot und die Verpflichtung zum stufenweisen Abbau von Finanzreserven ausgeweitet. Über Sonderregelungen für das Jahr 2021 bleiben Erhöhungen des Zusatzbeitragssatzes jedoch möglich, um vorhersehbaren Engpässen in 2021 vorzubeugen (vgl. „Links zum Thema“).

20.000 zusätzliche Stellen für Pflegehilfskräfte in der Altenpflege

In der vollstationären Altenpflege sollen 20.000 zusätzliche Stellen für Pflegehilfskräfte finanziert werden. Der Eigenanteil der Pflegebedürftigen soll dadurch nicht steigen, die Stellen werden vollständig durch die Pflegeversicherung finanziert.
Die Ergebnisse des Projekts zur wissenschaftlichen Bemessung des Personalbedarfs zeigen, dass in vollstationären Pflegeeinrichtungen zukünftig insbesondere mehr Pflegehilfskräfte erforderlich sind. Die zusätzlichen Stellen sind ein erster Schritt zur Umsetzung des Personalbemessungsverfahrens für vollstationäre Pflegeeinrichtungen.
Die Einführung des Personalbemessungsverfahrens erfordert eine neue Aufgabenverteilung zwischen Pflegefach- und Pflegehilfskräften. Durch ein Modellprogramm mit Fördermaßnahmen sollen diese Personal- und Organisationsentwicklungsprozesse sowie die weitere Umsetzung des Personalbemessungsverfahrens künftig begleitet werden.

Verbesserungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen

Eine bisher befristete Regelung, nach der im Rahmen der Pflegebegutachtung empfohlene Hilfsmittel automatisch – auch ohne ärztliche Verordnung – als beantragt galten, hat sich in der Praxis bewährt. Das Verfahren soll daher ab dem kommenden Jahr auf Dauer gelten.
Das Pflegeunterstützungsgeld wurde zur Bewältigung Corona bedingter Versorgungsengpässe erheblich ausgebaut. Diese Verbesserungen werden jetzt bis Ende März 2021 verlängert. Das Pflegeunterstützungsgeld ist eine Lohnersatzleistung für Angehörige, die vorübergehend gezwungen sind, die häusliche Pflege zu übernehmen.
Um dem Infektionsrisiko Rechnung zu tragen, sollen Beratungsbesuche für Pflegegeldempfänger bis Ende März 2021 nicht nur in der eigenen Häuslichkeit, sondern auch telefonisch, digital oder mittels Einsatz von Videotechnik ermöglicht werden. Die Beratungsbesuche dienen insbesondere der regelmäßigen Hilfestellung und praktischen pflegefachlichen Unterstützung, beispielsweise pflegender Angehöriger, und somit der langfristigen Sicherstellung der häuslichen Pflege.

Zusätzliche Hebammen in Kliniken

Krankenhäuser sollen künftig mehr Stellen für Hebammen erhalten. Dazu soll ein Hebammenstellen-Förderprogramm mit 100 Millionen Euro pro Jahr (Laufzeit 2021 – 2023) aufgelegt werden.
Dadurch können etwa 600 zusätzliche Hebammenstellen und bis zu 1.750 weitere Stellen für Fachpersonal zur Unterstützung von Hebammen in Geburtshilfeabteilungen geschaffen werden.

Weitere Regelungen

Kinderkrankenhäuser und Fachabteilungen für Kinder- und Jugendmedizin, welche die Voraussetzungen für einen Sicherstellungszuschlag erfüllen, können bereits ab dem Jahr 2021 in die zusätzliche Finanzierung für bedarfsnotwendige Krankenhäuser im ländlichen Raum einbezogen werden. Daneben werden mit der Einführung gestaffelter Zuschläge in Abhängigkeit basisversorgungsrelevanter Fachabteilungen, bestehende Krankenhausstrukturen im ländlichen Raum stärker gefördert.
Krankenkassen erhalten erweiterte Spielräume für Selektivverträge z. B. für Vernetzungen über die GKV hinaus und um regionalen Bedürfnissen besser Rechnung tragen zu können. Gleichzeitig werden Versorgungsinnovationen gefördert, indem für Krankenkassen die Möglichkeit erleichtert wird, durch den Innovationsfonds geförderte Projekte auf freiwilliger Basis weiterzuführen.
Im Bereich der Pflege werden wesentliche, bisher bis zum 31.12.2020 befristete Regelungen zur finanziellen Entlastung und Unterstützung von Pflegeeinrichtungen, Pflegebedürftigen und pflegenden Angehörigen bis zum 31.03.2021 verlängert. Dies gilt beispielsweise für die Kostenerstattungsregelungen, über die stationäre Pflegeeinrichtungen, ambulante Pflegedienste und Anbieter von nach Landesrecht anerkannten Angeboten zur Unterstützung im Alltag ihre pandemiebedingten Mehrausgaben und Mindereinnahmen erstattet bekommen können.
Bei der Versorgung mit Pflegehilfsmittel sollen künftig digitale Möglichkeiten noch stärker berücksichtigt werden, zum Beispiel bei der Fortschreibung des Pflegehilfsmittelverzeichnisses.