Kopfpauschale

Mit dem nachhaltigen und ausgewogenen“ GKV-Finanzierungsgesetz, in Wahrheit ein Gesetz zum Abkassieren der Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen, ist der Systemwechsel eingeleitet. Die Pharmaindustrie wird geschont, was nicht verwundert, während die Beitragszahler, also diejenigen, die z.B. überteuerte Arzneimittel bezahlen müssen, auf Dauer zusätzlich belastet werden, was auch nicht verwundert.

Röslers vollmundige Ankündigung bei Amtsantritt, der Pharmaindustrie die Zähne zu zeigen und der Minister aller Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen zu sein, war offensichtlich eine bewußte Täuschung der Öffentlichkeit. Das genaue Gegenteil praktiziert er.

Dieses sogenannte Finanzierungsgesetz beteiligt letztmalig die Arbeitgeber an den gestiegenen Ausgaben der Krankenkassen, u.a. an den Ausgaben für Arzneimittel in der astronomischen Höhe von nunmehr 31,5 Mrd. Euro im Jahr 2009. Die Erhöhung des einheitlich festgelegten Beitragssatzes von 14,9% auf 15,5% ab Januar 2011 teilen sich die Mitglieder der Krankenkassen und die Arbeitgeber letztmalig mit je 0,3% zur Hälfte. Der Sonderbeitrag von 0,9% einseitig zu Lasten der Mitglieder bleibt bestehen. Für Arbeitnehmer ist diese Erhöhung eine Reduzierung ihrer Lohnerhöhung, für Rentner eine Rentenkürzung.

Aber nicht genug damit: Künftige Kostensteigerungen bei den Krankenkassen sollen ausschließlich die Arbeitnehmer und Rentner mit Erhöhungen des Zusatzbeitrages zahlen, was die Einkommen weiter mindert. Bisher ist dieser Zusatzbeitrag auf maximal 1% der Beitragsbemessungsgrenze begrenzt,  also zur Zeit 37,50 Euro pro Monat. Ab Januar 2011 ist eine solche Begrenzung nicht mehr vorgesehen, da dann der Zusatzbeitrag ungebremst steigen kann. Mittelfristig sind Zusatzbeiträge von 40 bis 50 Euro monatlich zusätzlich zur Beitragszahlung zu erwarten, wenn nicht gegengesteuert wird, was nur bei einem Wechsel der Regierung erwartet werden kann.

Wer sich eine solche Höhe des Zusatzbeitrags nicht mehr leisten kann, für den ist ein Sozialausgleich vorgesehen, der hochbürokratisch ist und Beitragszahler zu Bittstellern degradiert. Ein solcher Zusatzbeitrag muss auf jeden Fall unabhängig vom Sozialausgleich  zusätzlich zum Beitrag von 8,2 des Einkommens gezahlt werden, während die Arbeitgeber lediglich einen Anteil von 7,3% zahlen müssen, der künftig unverändert beibehalten werden soll. Bezieher einer Betriebsrente sind noch schlechter dran; sie zahlen nicht 8,2%, sondern 15,5% ihres Einkommens.

Es kommt aber noch schlimmer: Bereits ab 2011 haben gut verdienende Mitglieder die Möglichkeit, sich aus der Solidargemeinschaft zu verabschieden und zur privaten Krankenkasse zu wechseln. Damit gehen Beitragszahlungen verloren, die die Krankenkassen zusätzlich in finanzielle Bedrängnis bringen. Da fehlt nur noch, diesen Abtrünnigen ein Rückkehrrecht zur gesetzlichen Krankenkasse einzuräumen, wenn sie erkennen, dass der zunächst günstige Beitrag zur PKV mit steigendem Alter unerschwinglich wird. Dieser Bundesregierung wird auch noch einfallen, das Rückkehrrecht zu gestatten.

Angesichts dieser düsteren Aussichten genügt es nicht, lediglich die Kostensteigerungen,  insbesondere verursacht von der Pharmaindustrie und den Ärzten, begrenzen zu wollen, wie es das Finanzierungsgesetz vorsieht. Vielmehr müssten die Kosten dieser Leistungsanbieter deutlich gesenkt werden, wenn es politische Entscheidungen zugunsten der Arbeitnehmer und Rentner gäbe. Lediglich dann wäre es angebracht, von Einsparungen zu reden.

Knackpunkt dieses Gesetzes mit verheerenden Auswirkungen für die Beitragszahler und die gesetzlichen Krankenkassen ist jedoch die ungebremste Ausweitung des Zusatzbeitrags, die der Einstieg in die Kopfpauschale ist. Statt zur paritätischen Finanzierung zurückzukehren, ist die Schwächung der GKV und die Stärkung der PKV  gewollt. Paritätisch hieße, dass sich Mitglieder und Arbeitgeber den Beitragssatz von 15,5% ab Jan.2011 teilen, also jeweils 7,75% gezahlt wird. Paritätisch hieße, auf den Zusatzbeitrag zu verzichten. Käme es dazu, wäre auch der vorgesehene Sozialausgleich überflüssig.  Zuzahlungen und die Praxisgebühr, die keine steuernde Wirkung hat, müssten ebenfalls entfallen, weil auch sie der Parität widersprechen.

Butterweiche Erklärungen oder Resolutionen zum GKV-Finanzierungsgesetz helfen nicht weiter, zumal dann nicht, wenn sie nicht nur inhaltlich zu kurz greifen,  sondern  damit auch noch den  beabsichtigten Systemwechsel fördern. Wer bei diesem skandalösen Gesetz lediglich „Gerechtigkeitslücken“ erkennt und damit dieses Gesetz verharmlost, verspielt leichtfertig seine Reputation.

Rolf D.Aschenbeck

 

Petition(Deutscher Bundestag)

Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass der „Entwurf eines Gesetzes zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung“ der Bundesregierung dahingehend geändert wird, dass die Einführung einkommensunabhängiger Zusatzbeiträge (Kopfpauschalen) für GKV-Mitglieder sowie das Einfrieren der Arbeitgeberbeiträge ausgeschlossen werden und stattdessen die vollständige paritätische Beitragsfinanzierung von Arbeitgebern und GKV-Mitgliedern hergestellt wird.

Begründung:

Der am 22.09.2010 vom Bundeskabinett beschlossene Entwurf eines „Gesetzes zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzierungsgesetz – GKV-FinG)“ der Bundesregierung sieht u. a. vor, dass die bestehenden Zusatzbeiträge künftig von den gesetzlichen Krankenkassen nur noch einkommensunabhängig erhoben werden dürfen, um finanzielle Defizite zu decken. Zusätzlich sieht der Gesetzentwurf vor, dass die Arbeitgeberbeiträge zur GKV bei 7,3 Prozentpunkten eingefroren werden sollen. Diese geplanten Maßnahmen würden dazu führen, dass künftige Kostensteigerungen in der GKV ausschließlich von den GKV-Mitgliedern in Form von einkommensunabhängigen Zusatzbeiträgen (Kopfpauschalen) bezahlt werden müssten.

Nach dem o. g. Gesetzentwurf ist davon auszugehen, dass die Belastungen der GKV-Versicherten insgesamt unverhältnismäßig hoch steigen oder Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen eingeschränkt werden, wenn ein Teil der heutigen Beitragsfinanzierung – der Arbeitgeberbeitrag – auf dem Niveau von 2011 eingefroren wird.

Zudem wird ein grundlegendes Prinzips des Sozialstaats, das Solidarprinzip, zumindest mittel- und langfristig in sein Gegenteil verkehrt. So führen einkommensunabhängige Zusatzbeiträge (Kopfpauschalen) dazu, dass Geringverdienende im Vergleich zu Besserverdienenden überproportional stark belastet werden. Da die künftigen Kostensteigerungen ausschließlich über pauschale Zusatzbeiträge finanziert werden sollen, ist davon auszugehen, dass der Anteil von pauschalen Zusatzbeiträgen an der Finanzierung der GKV mittel- und langfristig stark zunimmt und zu einer unsozialen Belastungsverteilung führen wird. Diesen Problemzusammenhang kann auch der geplante „Sozialausgleich“ nicht lösen, weil nach dem o. g. Gesetzentwurf nicht die realen pauschalen Zusatzbeiträge, die die Versicherten leisten müssen, ausgeglichen werden, sondern nur ein theoretischer Durchschnittswert.

(GKV-Finanzierungsgesetz, 17/3040)

Kommentar:

Der Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung ist bisher an die Höhe des Einkommens gebunden. Wer wenig verdient, zahlt einen geringeren Beitrag als der, der viel verdient. Das ist auch gut so, weil Gesundheit nicht vom Geldbeutel abhängig sein darf, sondern solidarisch finanziert werden muss.

Gesundheit ist keine Ware!

Das sieht insbesondere die fdp ganz anders, die sich dabei auf den Koalitionsvertrag beruft und sich durchgesetzt hat.  Dieser Klientelpartei zufolge wird jeder den gleichen Beitrag als Kopfpauschale zahlen, unabhängig davon, ob er dazu in der Lage ist oder nicht. Der Einstieg ist nunmehr erfolgt. Das ist das genaue Gegenteil von Solidarität und ebnet den Weg zur Zweiklassenmedizin. Wer es sich leisten kann, wird gesund, wer nicht, bleibt krank oder wird zum Bittsteller. Beides ist unerträglich.

Ärzte sollen bevorzugt  werden:

Berlin (dpa) – Deutschlands rund 150 000 Kassenärzten können mit einem Rekordhonorar von rund 33 Milliarden Euro im kommenden Jahr rechnen (Red.: 220.000 Euro pro Arzt).  Auch nach dem Ende der Verhandlungen von Ärzten und Krankenkassen stritten beide Seiten allerdings weiter über die genaue Höhe der Steigerung.

Die Koalition zeigte sich erleichtert über das Ergebnis. Die Krankenkassen warnten, die Aufstockung müssten die Versicherten mit erhöhten Beiträgen finanzieren. SPD und Patientenvertreter warnten vor unnötigen Belastungen der Kassenpatienten und mahnten Strukturreformen an. Die Kassen waren in den Verhandlungen dem Vernehmen nach mit dem Votum des unabhängigen Sachverständigen Jürgen Wasem überstimmt worden.

Der Vizechef des Kassenverbands, Johann-Magnus von Stackelberg, sagte: «Insgesamt können die Ärzte im kommenden Jahr mit über einer Milliarde Euro zusätzlichem Honorar rechnen.» Anders als von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) angekündigt, werde in dem Bereich also nicht gespart. Bezahlen müssen dies die Beitragszahler über die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge.

(17/3427) Antrag der SPD gegen Vorkasse und für das Sachleistungsprinzip

Lesen Sie auch die folgende Satire:

„Das Gesundheitswesen steht im Wandel – und diesem Wandel müssen sich alle Beteiligten beherzt stellen: Mehr Wettbewerb, mehr Transparenz und mehr Wahlfreiheit – all dies braucht unser Gesundheitssystem, um dauerhaft leistungsfähig und finanzierbar zu bleiben“, dies sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit, Frau Annette Widmann-Mauz, MdB, anlässlich der heutigen Eröffnung der Bundestagung des Deutschen Sozialrechtsverbandes e.V. in Nürnberg. Die in parlamentarischer Beratung stehenden Reformgesetze – das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes sowie das Gesetz zur nachhaltigen und ausgewogenen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung – stellten unter Beweis, dass die Bundesregierung Wort halte und für ein faires und stabiles Gesundheitssystem sorge, das auch künftigen Generationen eine Gesundheitsversorgung auf bewährt hohem Leistungsniveau sichere.

Wie die Parlamentarische Staatssekretärin betonte, bedürfe es in einem wettbewerblicheren Gesundheitssystem eines fairen Ordnungsrahmens, damit es nicht zu Fehlentwicklungen und unlauterem Wettbewerb komme. Daher solle künftig neben dem Vergaberecht auch das Kartellrecht entsprechend angewendet werden. Gerade im Bereich der Rabattverträge habe sich gezeigt, dass Krankenkassen im Verhältnis zu den Leistungserbringern über eine erhebliche Marktmacht verfügen könnten. Die Geltungsanordnung des Kartellverbots in der gesetzlichen Krankenversicherung, die im Rahmen des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes gesetzlich verankert wird, sorge nun im Interesse der Versicherten und Patienten für faire Bedingungen auf allen Seiten.

Stellung bezog sie auch zu den geplanten Änderungen im Hinblick auf den Rechtsweg. „Entscheidend ist hier die Frage, welche Überprüfungsinstanzen sowohl dem Wettbewerbsrecht als auch dem Interesse der gesetzlichen Krankenkassen an einer wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten zur Geltung verhelfen.“ Die nunmehr geplanten Änderungen des § 69 SGB V sowie die ebenfalls im Rahmen des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes erfolgenden Änderungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen und des Sozialgerichtsgesetzes würden gewährleisten, dass die betroffenen Behörden (Bundesversicherungsamt, Kartellbehörden) und die Gerichte (Sozial- und Oberlandesgerichte) für ihren jeweiligen Aufgabenbereich zuständig seien. Vorgesehen ist, dass bei Verstößen gegen das Kartellrecht die Eingriffsbefugnis der Kartellbehörden, insbesondere des Bundeskartellamtes, gilt. Für alle wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten sollen künftig wieder die Zivilgerichte zuständig sein, für sozialrechtliche Streitigkeiten weiterhin die Sozialgerichte.

„Ich kenne die Kritik an den jetzt erfolgten Entscheidungen zur Frage des Rechtsweges. Mir ist aber nicht einleuchtend, warum ein Nebeneinander der Zuständigkeiten, welches z.B. in den anderen regulierten Märkten mit Versorgungsaufträgen bewährte Praxis ist, im Gesundheitsbereich zu unüberwindbaren Hindernissen führen soll. Der nunmehr gewählte Weg stellt sicher, dass die Einheit der Rechtsordnung gewahrt wird, denn Wettbewerbsrecht wird immer in der Zivilgerichtsbarkeit verhandelt. Zudem wird der Aufbau von Doppelstrukturen hierdurch verhindert“, so die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit.

Auch das noch:

Hamburg. Auf den letzten Metern zur Gesundheitsreform der schwarz-gelben Bundesregierung regiert der Rotstift. Nach Dutzenden Änderungsanträgen am Gesetzentwurf, die dem Abendblatt vorliegen, wird es weitere einschneidende Veränderungen für Patienten und Krankenkassen geben. Anders als von der FDP im Wahlkampf versprochen, wird beispielsweise die elektronische Gesundheitskarte mit Zwangsmaßnahmen eingeführt.

Im Änderungsantrag 1 für den nicht öffentlich tagenden Gesundheitsausschuss heißt es sinngemäß: Hat eine Krankenkasse bis Ende 2011 nicht mindestens jedem zehnten Versicherten eine neue Gesundheitskarte ausgehändigt, muss sie zwei Prozent ihrer Verwaltungskosten als Strafe zahlen – eine Millionensumme für die Kassen.

Der Spitzenverband der gesetzlichen Kassen ist empört: „Jetzt sollen die Kassen gezwungen werden, die elektronische Gesundheitskarte im nächsten Jahr auch dann auszugeben, wenn es in vielen Arztpraxen noch gar keine Lesegeräte dafür gibt. Praktisch hieße das für Millionen Versicherte, dass sie mit zwei Krankenkassenkarten gleichzeitig herumlaufen müssten. Erst die Lesegeräte und dann die Karten – das wäre die richtige Reihenfolge“, sagte die Vorstandsvorsitzende des Kassenverbandes, Doris Pfeiffer, dem Abendblatt. Hamburgs Praxisärzte lehnen in der Mehrheit die Gesundheitskarte ab. Von „Erpressung“ spricht die Bergedorfer Hausärztin Silke Lüder.

Kassenverbands-Chefin Pfeiffer kritisierte:

„Obwohl bereits eine Honorarerhöhung von über einer Milliarde Euro beschlossen wurde, will die Regierungskoalition den Ärzten jetzt weitere 120 Millionen Euro durch eine Gesetzesänderung zukommen lassen. Rekordhonorare für Ärzte und eine gesetzliche Beitragserhöhung – ein echtes Sparpaket sieht anders aus.“(ryb)

 

image_printDrucken