Kompromiss

Laut Duden ist ein Kompromiss eine „Übereinkunft durch gegenseitige Zugeständnisse“. Statt Übereinkunft kann man auch Einigung sagen. Daraus ergibt sich zunächst, dass mindestens zwei Parteien unterschiedliche bis gegensätzliche Positionen haben, die bei jeweiliger Bereitschaft zu einer Einigung führen können, aber nicht müssen.

Ein Zwang zur Einigung besteht nicht um jeden Preis, weder im Privat- noch im Berufsleben, zumal Zugeständnisse bzw. deren Ausmaß nicht von vornherein angenommen werden können. Wann kommt es dennoch zu Kompromissen, und wie weitgehend sind dann die Zugeständnisse?

Privatbereich

Für den Privatbereich unterstellen wir, dass die Parteien Partner und keine Gegner sind. In einer Partnerschaft müssen Kompromisse eingegangen werden, wenn sie als Gemeinschaft weiter existent sein soll. Trotzdem ist auch dann eine Einigung nicht zwangsläufig, weil es auf das jeweilige Ausmaß an Zugeständnissen ankommt.

Sagt z.B. eine Frau zu ihrem Mann, sie möchte endlich mal wieder Urlaub machen, am besten irgendwo in der Südsee für drei Wochen. Dann erwidert der Mann möglicherweise, dass ein solcher Urlaub finanziell nicht drin ist. Es wäre aber möglich, für ein Wochenende in Dithmarschen auszuspannen. Was nun? Ist der teure Urlaub in der Südsee nicht möglich, weil er tatsächlich nicht zu finanzieren ist, könnte das Angebot des Mannes von der Frau angenommen werden. In diesem Fall käme es zu einem Kompromiss, bei dem das Zugeständnis der Frau scheinbar deutlich größer ist als das des Mannes. Tatsächlich ist das Zugeständnis des Mannes dann größer, wenn bereits ein Wochenende in Dithmarschen die Haushaltskasse überfordert.

Was aber, wenn die Frau auf dem Urlaub in der Südsee besteht? Kann es dann noch einen Kompromiss geben? Es kann dann keine Einigung geben, wenn weitergehende Zugeständnisse den Lebensunterhalt der bisherigen Partner nach einem solchen Urlaub nur um den Preis einer (weiteren) Verschuldung sicherstellen könnten. In einem solchen Fall wäre die Frau kompromisslos und ginge das Risiko ein, die Partnerschaft aufzukündigen.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Es ist auch umgekehrt möglich, wenn auch weniger wahrscheinlich, da es die Frauen sind, die zum Fundamentalismus neigen und Macht ausüben wollen.

Beruflicher Bereich

Im beruflichen Bereich denkt man zunächst an Tarifverhandlungen. Partner sitzen bei diesen Verhandlungen nicht am Tisch, sondern Interessenvertreter, auch wenn sie schon mal als Verhandlungspartner bezeichnet werden. Die Interessen dieser sogenannten Partner sind unterschiedlich bis gegensätzlich. Partner sind sie also nicht. Sie sind aber auch nicht notwendig Gegner, weil sie die gegenseitigen Abhängigkeiten zu berücksichtigen haben, die in der Betriebswirklichkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bestehen.

Nehmen wir als Beispiel die Gehaltstarifverhandlungen und beschränken wir uns auf die lineare Erhöhung der Gehälter, ohne auf mögliche Kompensationen einzugehen. Die Gewerkschaft fordert z.B. 6,9% mehr Gehalt, während der Arbeitgeber eine Gehaltssteigerung ausschließt oder nur marginal zulassen will. In einem solchen Fall geht es nicht um einen grundsätzlichen Konflikt, sondern um den Grad einer Änderung. Ein Kompromiss und damit eine Einigung sind daher möglich, weil die Zugeständnisse den elementaren Interessenunterschied der Parteien nicht berühren. Einigen sich die Verhandlungspartner z.B. auf eine Erhöhung von 3,5%, ist dies ein Ergebnis, welches dann in der Öffentlichkeit und von den betroffenen Arbeitnehmern als rituelles Ergebnis wahrgenommen wird, was aber selbst bei einer ausschließlichen Gehaltserhöhung nicht stimmt. Drei Punkte sind allerdings zu beachten:

a)Bei einer Gehaltsforderung von 6,9% ist ein Abschluss von 3,5% bereits das Minimalergebnis, und das auch nur bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von 12 Monaten.

b)Bereits vor Beginn der Verhandlungen muss Transparenz hergestellt werden. Die Mitglieder der Gewerkschaft müssen anschließend kontinuierlich und zeitnah informiert werden. Die Meinungshoheit darf nicht dem Arbeitgeber überlassen werden.

c)Das Ergebnis der Verhandlungen muss erklärt werden. Insbesondere müssen die Gründe dargelegt werden, die zu diesem und keinem anderen Ergebnis geführt haben.

Grundsätzlicher Interessenkonflikt

Soweit grundsätzliche Interessenkonflikte existent sind, z.B. bei der drohenden Entlassung von Arbeitnehmern, ist zwischen mittelständischen Betrieben, die keine Aktiengesellschaften sind, und Großbetrieben zu unterscheiden. Mittelständische Unternehmer sind eher bereit, zugunsten eines Interessenausgleichs zu handeln. Sie sind also insoweit zu Zugeständnissen bereit und fähig und deswegen auch kompromissbereiter, um im Interesse des Unternehmens eine mögliche Auseinandersetzung zu vermeiden.

Interessengegensatz

Aktiengesellschaften hingegen sind auf keinen Fall Partner, sondern Gegner, weil sie den Großaktionären verpflichtet sind, Arbeitnehmer als Kostenfaktor behandeln und sie deswegen bedenkenlos entlassen, wenn es zugunsten der Rendite geboten scheint. Kompromisse sind dann nicht möglich, weil dieser Interessengegensatz nicht zur Einigung führen kann. Die Deutsche Bank lässt grüssen. In diesen Fällen muss auf jeden Fall Macht ausgeübt werden, um eine Einigung zu erzwingen.

Politische Auseinandersetzung

Im politischen Bereich ist von Gegnern auszugehen. Daraus ergibt sich notwendig, dass es vorrangig um Alternativen geht und nicht um Kompromisse. Jede Partei hat ihre programmatischen Positionen, für die gekämpft wird mit der Absicht, sie umzusetzen.

So hat beispielsweise die SPD die Arbeitnehmer und Rentner entlasten wollen und beabsichtigt, den Sonderbeitrag von 0,9% bei der Krankenversicherung entfallen zu lassen. Das wäre eine tatsächliche Entlastung gewesen und hätte die Arbeitgeber nicht belastet. Eigentlich ein mögliches Ergebnis, das keine Verlierer gekannt hätte. Wie sieht hingegen die Einigung mit der CDU aus? Es bleibt beim Sonderbeitrag. Stattdessen wird der Beitrag zur Krankenversicherung um 0,6% gesenkt mit der Folge, dass Arbeitnehmer und Rentner weiter belastet bleiben, während die Arbeitgeber erneut entlastet werden.

Kein Kompromiss um jeden Preis

Diesen Kompromiss hätte es nicht geben dürfen, da die Absicht der SPD in ihr Gegenteil verkehrt worden ist. Es handelt sich daher auch nicht um einen Kompromiss, sondern um einen Kotau. Ein möglicher Kompromiss wäre gewesen, den Sonderbeitrag von 0,9% auf o,3% abzusenken bei Beibehaltung der Absenkung des regulären Beitrags um 0,6%. Mit einem solchen Ergebnis wäre wenigstens die Belastung wegen des Sonderbeitrags entfallen, denn 0,6% +0,3% sind o,9%. Das hätte das Minimalergebnis sein müssen, weil dann beide Seiten Zugeständnisse gemacht hätten, wenn auch die SPD in einem größeren Ausmaß als die CDU.

Was zeigt sich an diesem Beispiel? Entweder die SPD ist ohnmächtig oder ihre Absichten sind beliebig. In beiden Fällen taugt sie nicht als Alternative.

Rolf D.Aschenbeck

siehe dazu den Artikel „Zusatzbeiträge“