Keine große Koalition

 

Das Ergebnis der Bundestagswahl ist für die SPD deprimierend. Die SPD konnte ihre Inhalte nicht vermitteln, da es bei der Wahl vorrangig um Personen ging. Wie soll das erst in einer großen Koalition sein, da solche Inhalte dann nur noch rudimentär vorhanden wären?

Erfreulich an dem Ergebnis der Bundestagswahl ist die Beerdigung der fdp. Diese Partei des Marktradikalismus, der Deregulierung und der Förderung leistungsloser Vermögen und deren Zuwächse, die behauptet hatte, Leistung müsse sich lohnen, hat die Quittung für die von ihr betriebene Umverteilung von unten nach oben bekommen.

Möge sie auf Dauer im politischen Nirwana verschwunden sein.

Das Ergebnis dieser Wahl ist aber auch eine Mehrheit jenseits der CDU. Diese Mehrheit könnte zu einem Machtwechsel führen, der endlich die Interessen der Arbeitnehmer und Rentner nicht nur berücksichtigt, sondern ausdrücklich vertritt. Wie sieht das nun bei den Parteien jenseits der CDU aus?

Inhaltsverzeichnis

Grüne

Der Absturz der Grünen hat nichts mit ihrem Programm zu tun, welches im Prinzip arbeitnehmerorientiert war, sondern damit, dass eine rechtsgerichtete Presse, wie übrigens auch bei der SPD, jede Gelegenheit genutzt hat, Personen zu diskreditieren und einzelne durchaus diskussionswürdige Aussagen des Parteiprogramms zu nutzen mit dem Ziel, die eigentlichen Inhalte herabzusetzen. Das hat offensichtlich Erfolg gehabt.

Bedauerlich ist nun, dass diese Partei, geht es nach den bisherigen Presseberichten, ihren Kurs ändern möchte, um die frei gewordene Stelle der fdp einzunehmen.  Mit einer solchen Kehrtwende böte sie sich als Koalitionspartner der CDU an. Das mag sich abenteuerlich anhören, ist aber wahrscheinlich, zumal das Personal aufhört, welches für die bisherige Programmatik gestanden hat.

Schwarz-grün ist damit zu einer Option geworden, die im Machtkalkül der CDU trotz gegenteiliger Aussagen auch deswegen interessant ist, weil die rot-grüne Mehrheit im Bundesrat einen anderen Stellenwert hätte.

SPD

Die SPD hat vor der Wahl sowohl auf Bundesebene als auch in Hessen eine rot-rot-grüne Regierung ausgeschlossen. Hat sie das wegen ihrer vermeintlichen staatstragenden Verantwortung getan oder hat sie sich dazu genötigt gesehen, weil sie nicht als unzuverlässig gelten wollte, was ihr dennoch vorgeworfen wurde? Warum wird in Hessen eine Beteiligung der Linkspartei von vornherein ausgeschlossen, obwohl dort z.B. Bundeswehreinsätze im Ausland nicht zur Diskussion stehen? Nun ist sie in der Falle, auch auf Bundesebene, weil sie nach der Wahl nicht anders handeln kann als vor der Wahl, obwohl andere Parteien wie die CDU damit kein Problem haben. Sie kann nicht anders, weil sie das Medienspektakel fürchten muss, welches wiederum ihre Unzuverlässigkeit bewiese.

Wenn deswegen rot-rot-grün sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene für die SPD nicht infrage kommt, obwohl sie sich inhaltlich anböte, muss nach den Alternativen gefragt werden.

Alternativen

Die CDU hat die Mehrheit der Mandate nur knapp verfehlt. Sie steht in der Verantwortung, dem Wählervotum gerecht zu werden. Das ist mit einer Minderheitsregierung möglich. Sie braucht die SPD als Mehrheitsbeschaffer und Juniorpartner nicht, sondern sie kann vor parlamentarischen Entscheidungen inhaltlich überzeugen und sich jeweils eine Mehrheit sichern, soweit es wider Erwarten eine schwarz-grüne Koalition nicht geben sollte. Es wird sich dann zeigen, was die CDU außer einer PKW-Maut für Ausländer und der Knebelung von EU-Staaten inhaltlich zu bieten hat.

Die SPD muss verstehen, dass sie die CDU inhaltlich vorführen muss. Das kann sie aber nicht in einer großen Koalition! Das geht nur in der Opposition. Die Opposition ist im übrigen staatstragend, weil sie in einer Demokratie unverzichtbar ist. Der Satz „Opposition ist Mist“ gilt für die, die ihren persönlichen Vorteil höher einschätzen als ihre gemeinwohlorientierte Verantwortung.

Nun hat aber die SPD auf ihrem Parteikonvent beschlossen, mit der CDU Sondierungsgespräche zu führen. Dagegen ist prinzipiell nichts zu sagen, wenn Inhalte besprochen werden, um auszuloten, ob und inwieweit Übereinstimmungen bestehen, ohne substantielle Positionen aufzugeben.  Die Hürden müssen also hoch sein, um die eigene Identität zu wahren. Je geringer die Hürden sind, weil insgeheim bereits nach Posten geschielt wird, je wahrscheinlicher ist eine große Koalition. Den damit verbundenen weiteren Identitätsverlust, der bereits mit den ehemaligen Kanzler Schröder begonnen hat, würde sich allerdings fortsetzen mit fatalen Folgen für die SPD.  Sie hätte dann nämlich endgültig aufgehört, die Partei zu sein, die im Interesse der Arbeitnehmer und Rentner handelt; immerhin der überwiegende Anteil der Bevölkerung.  Sie wäre dann auch keine Volkspartei mehr.

Mitgliederbefragung

Zwar hat der Parteikonvent der SPD beschlossen, vor Abschluss eines Koalitionsvertrags mit der CDU die Mitglieder zu befragen, ob sie einem solchen Vertrag zustimmen. Eine solche Befragung unterstellt aber, dass die aushandelten Inhalte eine große Koalition rechtfertigen, obwohl eine solche Koalition von den Mitgliedern überwiegend nicht gewollt wird. Als Vorsitzender eines Ortsvereins weiß ich um die Stimmung der Basis. Darüber hinaus stellt sich die Frage, worüber eigentlich abgestimmt wird. Sollten es tatsächlich die Inhalte des Koalitionsvertrags sein, wäre eine Abstimmung darüber angesichts der Komplexität der Materie problematisch, weil sie sehr viele Mitglieder überfordern wird.

Stattdessen wäre es angebracht, nach den Sondierungsgesprächen und vor der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen darüber abzustimmen, ob es überhaupt zu solchen Verhandlungen kommt. Das wäre angemessen und wohl auch keine inhaltliche Überforderung, zumal die Verhandlungskommission der SPD in der Pflicht wäre darzulegen, wo Übereinstimmungen bestehen und wo nicht.

Aber selbst dann müsste allen Mitgliedern das Ergebnis der Gespräche schriftlich zur Verfügung gestellt werden; und zwar jedem Einzelnen, auch denen, die keinen Internetanschluss haben.

Linkspartei

Das Angebot dieser Partei für eine rot-rot-grüne Koalition ist trotz inhaltlicher Übereinstimmungen nicht einmal in Hessen möglich. Es hätte aber zumindest für die Aufnahme von Sondierungsgesprächen angenommen werden müssen.  Die Linkspartei ist eine demokratische Partei und darf wegen ihrer Vergangenheit als Nachfolgepartei der SED, die sie inhaltlich nicht mehr ist , insbesondere von der SPD nicht mehr als Paria behandelt werden. Auch die SPD ist nicht mehr die Partei, die sie vor dem Godesberger Programm war.

Bei einer Minderheitsregierung der CDU auf Bundesebene bestünde aber immerhin jenseits überholter ideologischer Festlegungen die Möglichkeit,  gemeinsame Positionen der rot-rot-grünen Mehrheit gegen die CDU durchzusetzen.

 

Fazit

Wer die parlamentarische Demokratie stärken will, muss eine große Koalition verneinen. Im übrigen verweise ich auf die Aussage der Generalsekretärin der SPD, die lautet: „Wir streben eine große Koalition nicht an“.

Ich nehme sie beim Wort.

Rolf Aschenbeck

 

Weitere Entwicklung:

5.Okt.2013

Sigmar Gabriel, Vorsitzender der SPD, stellt nach dem ersten Sondierungsgespräch mit der CDU fest, so ist zu lesen, dass Steuern kein Selbstzweck sind. Was für eine Mitteilung. Die SPD scheint bereit zu sein, auf eine höhere Einkommensteuer für Spitzenverdiener und die Einführung der Vermögenssteuer verzichten zu wollen, obwohl sie im Interesse der sozialen Gerechtigkeit notwendig sind. Es gibt noch keine Verhandlungen, und dann eine solche Mitteilung. Was kommt noch?

7.Okt.2013

Es wird noch besser: Berlin(HA). Wenige Tage vor dem Sondierungsgepräch zwischen Union und Grünen hat Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig(SPD) seine Partei vor einem Gang in die Opposition gewarnt. „Die SPD kann kein Interesse daran haben, die Grünen als strategischen Partner zu verlieren. Dann wären wir allein auf Rot-Rot angewiesen“, sagte Albig der „Welt“. Der Sprecher der SPD-Konservativen, der Hamburger Abgeordnete Johannes Kahrs, riet CDU und CSU dagegen, mit den Grünen zu regieren. Mit der SPD gebe es eine Koalition nur auf Augenhöhe, „und nur, wenn wir das Finanzministerium bekommen“.

Dämlicher geht es nicht.

20.Oktober 2013

Der kleine Parteitag der SPD (Parteikonvent) hat sich am 20.Okt.2013  für Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU entschieden. Laut dpa  stellt die SPD für diese Verhandlungen zehn Kernforderungen, die in der Substanz wiedergegeben werden: 

1. Wir wollen, dass sich in Deutschland Arbeit wieder für alle lohnt. Wir wollen deshalb gerechte Löhne für gute Arbeit. Dazu zählt u.a. die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns in Höhe von 8,50 € pro Stunde, die wirksame Bekämpfung des Missbrauchs von Leih- und Zeitarbeit und sogenannter „Werkverträge“, sowie die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen.

2. Wir wollen Altersarmut dauerhaft verhindern. Nach einem langen Arbeitsleben muss eine gute Rente ohne Abzüge stehen. Wir wollen die Absicherung erwerbsgeminderter Menschen verbessern. Wir streben eine Angleichung der Rentensysteme in Ost- und Westdeutschland an.

3. Wir wollen die Pflegebedürftigkeit besser anerkennen, um die Situation der Pflegebedürftigen, von Angehörigen und Menschen, die in der Pflege arbeiten, zu verbessern. Wir wollen zusätzliche Anstrengungen unternehmen um Pflegebedürftigkeit zu vermeiden. Um diese Ziele zu erreichen, wollen wir den Beitrag zur Pflegeversicherung anheben.

4. Die Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Bereichen wollen wir verbessern. Dazu wollen wir u.a. den Grundsatz „gleiches Geld für gleiche und gleichwertige Arbeit“ auch zwischen Frauen und Männern durchsetzen. Außerdem wollen wir durch verbindliche Regelungen für mehr Frauen in Führungspositionen sorgen.

5. Zum gesellschaftlichen Zusammenhalt gehört auch die gleichberechtigte Teilhabe der Zuwanderer in unserer Gesellschaft. Deutschlands Kinder sollen auch deutsche Staatsbürger blieben, deshalb wollen wir den Optionszwang abschaffen und Mehrstaatigkeit hinnehmen.

6. Wir wollen die Kommunen finanziell stärken und von Kosten sozialer Leistungen nachhaltig entlasten, u.a. bei der gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen.

7. Zu einer starken Wirtschaft gehört eine starke Infrastruktur. Wir werden zusätzliche Anstrengungen unternehmen, sie zu erhalten und auszubauen.

8. Bildung und Ausbildung sind für Deutschland im 21. Jahrhundert die wichtigsten Voraussetzungen, um Wohlstand und sozialen Zusammenhalt zu sichern. Wir wollen daher unser Bildungssystem stärken und gerechter machen. Im schulischen und vorschulischen Bereich soll es so gestaltet werden, dass individuelle Förderung und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert werden.

9. Finanzmärkte wollen wir wirksam regulieren. Um die Finanzmärkte an der Bewältigung öffentlicher Aufgaben und den Krisenkosten zu beteiligen, wollen wir eine Finanztransaktionssteuer einführen. Steuerbetrug wollen wir stärker bekämpfen, denn dieses Geld fehlt unserer Gesellschaft für wichtige Aufgaben.

10. Wir wollen Wachstum und Beschäftigung in Europa sichern und stärken. Dies wird nur gelingen, wenn alle Staaten der EU und besonders innerhalb der Eurozone eine nachhaltige Wachstumsstrategie mit einer nachhaltigen Finanzpolitik verbinden. Den Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit auf europäischer Ebene werden wir verstärken.

Wir werden in den Koalitionsverhandlungen auf einer verlässlichen, soliden und gerechten Finanzierung aller Projekte einer künftigen Koalitionsvereinbarung bestehen, um die damit angestrebten Verbesserungen auch tatsächlich zu erreichen. Eine starke Demokratie braucht auch eine Opposition. Die SPD will daher der Opposition im Bundestag die Wahrnehmung der Minderheitenrechte ermöglichen.

Anmerkungen

Es handelt sich um überwiegend berechtigte Forderungen, aber nicht um Ergebnisse, die aber entscheidend sind.  Die bereits angekündigte Kompromißbereitschaft der SPD läßt vermuten, dass von dem Kern dieser Forderungen angesichts der Kräfteverhältnisse im Ergebnis nicht mehr viel übrig bleibt. Wie entscheiden dann die Mitglieder?

Gar nicht mehr enthalten sind

-die Bürgerversicherung

-die Revision des EEG

-die Erhöhung der Steuer für Spitzenverdiener

-die Einführung der Vermögenssteuer

-der Wegfall des unsinnigen Betreuungsgeldes (Herdprämie)

um nur einige notwendige, aber vorschnell aufgegebene Positionen zu nennen.

 

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