FDP-Ein politischer Irrtum

Die Ampel ist Geschichte. Bundeskanzler Scholz feuert Finanzminister Lindner. Im Interview erläutert der bekannte Ökonom 1Tom Krebs, wieso mit den Ansätzen der FDP die Probleme von heute nicht zu lösen sind und ob der Haushalt 2025 noch beschlossen wird. Lesen Sie das redaktionell geänderte und gekürzte Interview von Juliane Kipper, ntv entnommen.

ntv.de: Die Ampel-Koalition ist Geschichte. Bundeskanzler Scholz hat Finanzminister Lindner entlassen. War das längst überfällig oder doch die falsche Entscheidung?

Tom Krebs: In den vergangenen anderthalb Jahren hat die Ampel einige Fehlentscheidungen getroffen, die auf die wirtschafts- und finanzpolitischen Vorstellungen von Christian Lindner zurückzuführen sind. Und es gibt schon grundsätzlich unterschiedliche Ansichten von Wirtschafts- und Finanzpolitik innerhalb der Ampel-Koalition, die mit der Zeit zu immer mehr Streit geführt haben. Insofern kann man sagen: Ja, Lindners Entlassung war die richtige Entscheidung.

Eine Aussetzung der Schuldenbremse ist weder ein Verfassungsbruch noch eine Verletzung des Amtseides des Bundesfinanzministers. Teilen Sie diese Einschätzung?

Lindners Begründung ist eine Missinterpretation der Schuldenbremse – und das weiß er auch. Das Aussetzen der Schuldenbremse ist möglich und auch im Grundgesetz vorgesehen, solange es vernünftig begründet ist. Argumente für eine Notlage gibt es allein mit den unvorhersehbaren Ausgaben für den Ukraine-Krieg – was ja eigentlich auch der Plan der Bundesregierung war. Meiner Einschätzung nach ist aber noch mehr möglich. Die wirtschaftliche Situation ist jetzt u.a. so schlecht, weil wir immer noch die Spätfolgen der Energiekrise spüren. Mit diesem Argument hätten schon 2023 und 2024 die Notlage deklariert werden können, aber die Folgen der Energiekrise wurden zu lange von der Ampel- Regierung und von vielen Ökonomen kleingeredet.

Grund für Lindners Entlassung ist Scholz zufolge aber auch das Konzeptpapier des FDP-Chefs. Darin propagierte er eine marktliberale Wirtschaftswende, für die er von vielen Ökonomen Zuspruch bekam. Wie beurteilen Sie die wirtschaftspolitischen Ideen darin?

Lindners Papier ist eine ökonomische Farce. Für mich ist es der Versuch, mit den banalen Rezepten der 80er Jahre die heutigen Probleme zu lösen. Das wird nicht klappen. Einige Ökonomen vergessen anscheinend, dass die ökonomische und gesellschaftliche Realität etwas komplexer ist als die fiktive Welt der VWL-Lehrbücher für Bachelorstudenten. Bei den Wirtschaftsverbänden ist das Papier auf Zuspruch gestoßen, weil darin allgemeine Steuersenkungen angekündigt werden. Das ist gut für wohlhabende Kapitaleigentümer, aber hilft der Gesamtwirtschaft und den Beschäftigten wenig.

Was stößt Ihnen besonders auf?

Die pauschale Forderung nach Subventionskürzungen. Das hört sich erst einmal gut an, aber wenn es um die Umsetzung geht, dann kneift die FDP. Dass wir einen wirtschaftlichen Aufschwung ohne jede Förderung hinbekommen, ist ein Irrglaube.

 

Lindner hat mit seinem Papier auf Vorschläge von Wirtschaftsminister Robert Habeck reagiert. Wie bewerten Sie sein Strategiepapier?

Habecks Papier akzeptiert wenigstens, dass in Krisen und großen Transformationsphasen der Staat eine wichtige Rolle spielen muss. Das Papier versucht, sich mit der ökonomischen Realität auseinanderzusetzen. Wir müssen uns überlegen, wie wir Industriepolitik aktiv und smart betreiben wollen. Wir können darauf nicht verzichten. China und die USA fahren einen sehr aggressiven Kurs und Trump wird mit zusätzlichen Zöllen in Zukunft noch sehr viel aggressivere Industriepolitik betreiben. Was ich von einem grünen Wirtschaftsminister allerdings überhaupt nicht verstehe, ist, warum er richtigerweise eine Investitionsprämie vorschlägt, aber dann die Konditionierung auf die Klimakriterien plötzlich streicht. Aus klimapolitischer Sicht ist das ein Schritt rückwärts.

 

Wie beurteilen Sie die Wirtschaftspolitik der Ampel?

Vor dem Ukraine-Krieg und vor dem Energiepreisschock hat die Ampel-Koalition es geschafft, eine klimapolitische Wende einzuläuten. Vor allem bei den erneuerbaren Energien ist sie gut vorangekommen. Auch gab es ein paar gute sozialpolitische und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, wie zum Beispiel die Anhebung des Stundenlohns auf 12 Euro. Aber die Energiekrise hat alles verändert, und die Ampel-Regierung hat es in einem schwierigen politischen Umfeld nicht geschafft, eine überzeugende finanz- und wirtschaftspolitische Antwort auf diese Krise zu geben, weil insbessondere wegen eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts auf Antrag der CDU fest eingeplante 60 Mrd € für dringend benötigte Maßnahmen fehlten und eine Lockerung der Schuldenbremse nicht möglich war.

 

1Tom Krebs ist Professor für Makroökonomik an der Universität Mannheim. 2019 war er für ein Semester Gastprofessor im Bundesfinanzministerium unter Finanzminister Olaf Scholz. Außerdem arbeitete er als Berater für den Internationalen Währungsfonds, die Weltbank und die amerikanische Zentralbank in Minneapolis.

 

 

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