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Die Ermittlungen in seinem Ministerium sollten Kanzlerkandidat Scholz in Bedrängnis bringen. Aber an einer entscheidenden Stelle liest sich die Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft anders als der Durchsuchungsbeschluss. Handelt es sich kurz vor der Wahl um ein abgekartetes Spiel? Lesen Sie den Bericht von Peter  Burghardt und Cerstin Gammerlin, der SZ entnommen.

Es ist kurz nach neun Uhr am Donnerstag, dem 9.September in Berlin, als es an der Pforte Wilhelmstraße 97 schellt. Davor stehen eine Staatsanwältin und ein Staatsanwalt aus Osnabrück, dazu drei Polizisten in Zivil. Man habe einen Durchsuchungsbescheid. So beginnt die Geschichte, die dann als „Razzia im Bundesfinanzministerium“ die Schlagzeilen bestimmt.

Geldwäsche wird unterstellt

Die Wucht der Nachricht ist enorm. 17 Tage vor der Wahl lässt die Staatsanwaltschaft Osnabrück, dessen Chef Bernard Südbeck ist, das Ministerium von Olaf Scholz durchsuchen, der Kanzler werden will und dessen SPD in den Umfragen vor der Union liegt. Man fühlt sich an die US-Wahl 2017 erinnert, als kurz vor dem Wahltag die lange bekannte Untersuchung der E-Mail-Affäre der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton ausgeweitet wurde.

Unionskandidat Armin Laschet wird gut drei Tage später beim Triell die Vorlage nutzen: „Es wird so wenig bei der Geldwäsche getan, dass ein Staatsanwalt sagt, ich brauche hier weitere Informationen“, sagt er und erweckt den Eindruck, das Bundesfinanzministerium sei gefilzt worden, weil man dort Unregelmäßigkeiten vermute. Und dass Scholz mauere.

Den Eindruck erweckt auch eine Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Osnabrück vom 9. September. Darin heißt es, dass bei der Durchsuchung geprüft werden sollte, „ob und gegebenenfalls inwieweit die Leitung sowie Verantwortliche der Ministerien … in Entscheidungen der FIU eingebunden waren“.

Wäre das so, wäre es tatsächlich ein Skandal. Die Finanzpolizei FIU ist unabhängig, sie ist die Speerspitze des Staates gegen Geldwäsche. Scholz hat übrigens als oberster Dienstherr nur die Rechtsaufsicht, operativ aber nichts zu melden(!)
 

Beschluss nicht vereinbar mit Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft

Als die Aufregung sich legt, fällt auf, dass sich die Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft an einer entscheidenden Stelle anders liest als der Durchsuchungsbescheid. Von wegen Leitungsversagen: In dem Beschluss des Amtsgerichts heißt es schlicht, die Durchsuchung diene der Identifizierung der beteiligten Mitarbeiter der FIU. Wolfgang Schmidt, Staatssekretär und Vertrauter von Olaf Scholz, hatte den Gerichtsbeschluss und die Diskrepanz öffentlich gemacht – und hat deswegen nun ein Ermittlungsverfahren am Hals.

Als Hintergrund der Durchsuchung gilt, dass die Finanzpolizei in Niedersachsen drei Hinweise auf Geldwäscheverdacht nicht weitergeleitet hatte. Man wolle die „Motivlage“ klären, warum sie so gehandelt hätten, hieß es. Weder Ermittler noch Richter vermuten Beschuldigte im Ministerium. Im Prinzip sei das so, sagt ein Kundiger, als wenn man bei einem verdächtigen Drogendealer die Wohnung seines Freundes durchsucht, um zu sehen, ob dort auch Drogen versteckt sind.

Der Tross der Ermittler begibt sich in die einen Steinwurf entfernte Nebenstelle des Ministeriums in der Charlottenstraße, wo die Finanzpolizei zu finden ist. Weil alle Akten elektronisch verwaltet werden, schaut man diese und E-Mail-Postfächer gemeinsam durch, „erweiterte Sachverhaltsaufklärung“ sagen Juristen dazu; einige elektronische Akten werden laut Staatsanwaltschaft gesichert. Welche Beschäftigte der FIU in Köln hatten Kontakte nach Berlin?

Was die Beteiligten irritiert: Elektronische Akten wären von überall aus einsehbar. Kein Grund, um nach Berlin zu fahren. Außerdem hatte die Staatsanwaltschaft Osnabrück das BMF „in den vergangenen 14 Monaten weder schriftlich noch mündlich um Einsicht in die Akten gebeten“, so ein interner Vermerk. „E-Akten des BMF sind nicht nachträglich manipulierbar oder löschbar.“ Gegen 15.30 Uhr verlassen die Staatsanwälte das Ministerium, auf ihr Bitten hin durch einen Seitenausgang. Sie nehmen nichts mit.

Chef der Staatsanwaltschaft in Osnabrück ist ein CDU-Politiker

Wie kam es zu der irreführenden Pressemitteilung? Die Staatsanwaltschaft Osnabrück kann keinen Widerspruch erkennen. Man ermittle in alle Richtungen, sagt ein Sprecher, ergebnisoffen. Chef der Behörde ist der Oberstaatsanwalt Bernard Südbeck, ein Jurist und Politiker. Er ist CDU-Mitglied und war Chef des CDU-Stadtverbandes Cloppenburg, einer Hochburg der Union. Er war auch mal Büroleiter des früheren niedersächsischen Justizministers Bernd Busemann (CDU). Ende August hatten Südbeck und der Chef der FIU einen Gesprächstermin für September vereinbart. Trotz Übermittlung aller Unterlagen an die Staatsanwaltschaft sind bis heute keine Verdächtigen benannt.

Strafverfolger Südbeck ist nicht nur Chef der Osnabrücker Staatsanwaltschaft, sondern auch CDU-Mitglied, was im gegeben zusammenhang  nicht unerwähnt bleiben kann. Vor Jahren überschritt er seine Kompetenzen, um den Fleischfabrikanten Tönnies vor Gericht zu bringen. Er hatte dabei an einer anonymen Strafanzeige mitgewirkt, ohne dies zu dokumentieren.

2012 wurde er Chef der Staatsanwaltschaft Osnabrück. Zur Amtseinführung sagte Niedersachsens damaliger CDU-Justizminister Busemann unter anderem dies: Südbeck gehe gerne seinem Hobby, „der Jagd nach. Ihre Jagd nach Verbrechern geht nun im Osnabrücker Land weiter!“

© SZ/segi

 

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