Desperado

Man könnte ihn auch als Despot bezeichnen. Auf jeden Fall ist Berlusconi ein politischer Abenteurer, der um des eigenen Vorteils willen Unrecht als Recht bezeichnet. Er steht für Korruption und Willkür und ist mehr Bandit als Ministerpräsident. Bei uns hingegen sind italienische Verhältnisse undenkbar! Oder doch nicht?

Rom (RPO). Der Druck auf Silvio Berlusconi steigt: Am Samstag gingen zehntausende Italiener auf die Straße, um gegen die geplante Justizreform des Regierungschefs zu protestieren. Mit dieser Reform will sich der Ministerpräsident während seiner Amtszeit Straffreiheit sichern

 

„Der wahre Taliban ist Berlusconi, der den Richtern die Hände binden will“, sagte Grünen-Chef Angelo Bonelli bei der Kundgebung in Rom. Der Ministerpräsident hatte die Richter seines Landes am Freitag als „Taliban“ beschimpft. Zahlreiche Politiker der Opposition beteiligten sich an der Demonstration im Zentrum der italienischen Hauptstadt, zu der das Bündnis „Violettes Volk“ aufgerufen hatte

Zu der Gruppe hatten sich im Oktober 2009 Gegner Berlusconis im Internet zusammengeschlossen. „Das Gesetz ist für alle gleich“, stand über dem Podium, vor dem sich nach Angaben der Organisatoren rund 200. 000 Demonstranten versammelt hat

Sie protestierten gegen zwei von Berlusconi vorangetriebene Gesetzentwürfe, die derzeit im Parlament geprüft werden. Einer sichert dem Regierungschef das Recht zu, einen Prozess um 18 Monate aussetzen zu können. Der andere regelt die Einstellung von Verfahren nach einer zu langen Prozessdauer.

Unter den Teilnehmern der Demonstration waren der ehemalige Anti-Korruptionsrichter und derzeitige Chef der Partei Italien der Werte, Antonio di Pietro, und der Filmemacher Mario Monicelli. Begleitet von stürmischem Applaus rief Monicelli die Italiener auf, „nicht nachzugeben“ und die gesamte politische Führung des Landes „davonzujagen“.

 

Berlusconi hatte am Freitag während einer Pressekonferenz in Turin gesagt: „Wir sind dabei (eine Justizreform zu machen): Ich weiß nicht, ob sie den Taliban in der Richterschaft gefällt.“ Die Souveränität liege „nicht mehr bei den Menschen, sondern den Staatsanwälten“, kritisierte der Regierungschef.

Derzeit laufen ein Korruptions- und ein Steuerprozess gegen Berlusconi. Das Verfahren wegen Bestechung seines früheren Anwalts David Mills für Falschaussagen vor Gericht wurde am Samstag allerdings erneut vertagt. Das Strafgericht in Mailand setzte für den 26. März einen neuen Prozesstag an. Berlusconis Anwälte fordern wegen Verjährung die Einstellung des Verfahrens. Mit dieser Begründung hatte das Kassationsgericht in Rom am Donnerstag das Verfahren gegen Mills für beendet erklärt.

 

Ursprünglich war Berlusconi in dem Prozess mitangeklagt. Er konnte sich aber mit einem im Jahr 2008 verabschiedeten Immunitätsgesetz zunächst aus der Affäre ziehen. Anfang Oktober wurde die Immunitätsregelung jedoch vom Verfassungsgericht gekippt. Durch diese vorübergehende Aussetzung des Verfahrens verlängert sich nach Auffassung von Experten allerdings die Verjährungsfrist der Vorwürfe. Sie läuft demnach erst im Frühling 2011 ab.  ut/ck

 

Mehr als 100.000 Menschen demonstrieren am 3.10.2009 für Pressefreiheit

Rund 100.000 Menschen haben am Sonnabend in Rom für die Pressefreiheit und gegen das erdrückende Medienimperium von Ministerpräsident Silvio Berlusconi demonstriert.

Zu dem Protest hatten der italienische Journalistenverband sowie linke Parteien und Gewerkschaften aufgerufen. Nach Angaben er Organisatoren beteiligten sich 350.000 Menschen an dem Protest, die Behörden sprachen von 60.000 Demonstranten.

„Das Recht auf Wissen und die Pflicht zur Information“ stand auf einem großen Transparent über dem Podium auf der Piazza del Popolo, wo die Kundgebung stattfand. Auf Plakaten und Transparenten war Kritik an Berlusconis Medienmacht und dem daraus resultierenden Interessenkonflikt mit seinem Amt als Regierungschef zu lesen. „Berlusconi schadet der Gesundheit“, stand auf Schildern. Große Luftballons in den Nationalfarben standen am Himmel über der Menschenmenge.

„Das ist die größte Demonstration, die jemals für die Pressefreiheit organisiert wurde“, sagte der Chef des Journalistenverbandes im einflussreichen Gewerkschaftsbund CGIL, Fulvio Fammoni. Mit Applaus empfingen die Teilnehmer den Herausgeber der Zeitung „La Repubblica“, Ezio Mauro, die seit Monaten immer wieder dieselben Fragen an Berlusconi zu einer Affäre des Regierungschefs mit einer Minderjährigen druckt. Berlusconi geht gegen die Zeitung juristisch vor.

„Wir verlangen vom Regierungschef, mit der Kampagne von Vorwürfen gegen die Journalisten aufzuhören und die Wahrheit zu sagen, die Klagen zurückzuziehen, die er gegen die Journalisten eingereicht hat“, sagte Verbandssekretär Franco Siddi auf dem Podium vor den Demonstranten, unter denen auch zahlreiche Prominente wie der „Gomorra“-Autor und Mafia-Kritiker Roberto Saviano waren.

Berlusconi klagt gegen italienische und ausländische Zeitungen wegen deren Berichterstattung über seine privaten Skandale. Vor Kurzem rief Berlusconis Unternehmer auf, bei regierungskritischen Zeitungen keine Anzeigen mehr zu schalten. Die Demonstration bezeichnete er im Vorfeld als „absolute Farce“. In keinem anderen westlichen Land sei die Freiheit so groß wie in Italien.

Berlusconi kontrolliert de facto das öffentlich-rechtliche italienische Fernsehen. Zu seinem Medienkonzern Mediaset gehören drei Privatsender. Die Organisation Reporter ohne Grenzen Italiens hatte Berlusconi am Freitag zur Achtung der Pressefreiheit aufgefordert und ihm mit der Aufnahme in ihre Liste der „Feinde der Pressefreiheit“ gedroht. Es wäre das erste Mal, dass ein europäischer Regierungschef in diese Liste aufgenommen würde.

 

 

 

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