Noch acht Wochen bis zur Neuwahl des Bundestages, und eine Frage ist, wie die Menschen in Deutschland auf der Grundlage eines demokratischen Rechtsstaates sicher leben können. SPD-Chef Lars Klingbeil ist alarmiert, wie unsere Demokratie unter Beschuss genommen wird. Lesen Sie das redaktionell geänderte und gekürzte Interview von Jochen Gaugele und Thorsten Knuf, dem Hamburger Abendblatt (HA) entnommen.
HA: Herr Klingbeil, freuen Sie sich auf das neue Jahr?
Lars Klingbeil: Ich freue mich, dass ich gerade den Akku etwas aufladen kann und ein paar Tage Zeit mit der Familie habe. Der Wahlkampf startet jetzt mit Beginn des neuen Jahres und ich gehe da hochmotiviert rein.
HA: Was für ein Verhältnis haben Sie zu Merz?
Klingbeil: Beim Fußball kommen wir überhaupt nicht zusammen. Er ist für Borussia Dortmund, ich bin Bayern-München-Fan. Politisch hat Friedrich Merz die Union ein Stück aus der Mitte weg nach rechts gerückt. Das bietet Potenzial für die Wahlauseinandersetzung. Und jenseits des Wahlkampfs gehen wir persönlich freundlich miteinander um.
HA: Bleiben Sie bei Ihrer Strategie, einen Anti-Merz-Wahlkampf zu führen? Zu sagen, der Mann sei unerfahren, unkontrolliert, abgehoben?
Klingbeil: Ich will im Wahlkampf vor allem zeigen, wofür Olaf Scholz und die SPD stehen. Wir wollen, dass die Wirtschaft angekurbelt und Arbeitsplätze in diesem Land gesichert werden. Beschäftigte und Familien sollen mehr Geld in der Tasche haben. Natürlich gehört zum Wahlkampf auch die Auseinandersetzung mit der politischen Konkurrenz. Und Friedrich Merz hat nun mal keine Regierungserfahrung.
HA: Sie übersehen Robert Habeck, der in Kanzler-Umfragen knapp hinter Merz und weit vor Scholz liegt …
Klingbeil: Die Grünen schmeißen sich der Union an den Hals und bewerben sich als Juniorpartner. Es gibt nur zwei Parteien, die klar den Anspruch auf Platz eins formulieren: Union und SPD. Die Menschen müssen entscheiden, ob sie Friedrich Merz im Kanzleramt wollen und Julia Klöckner, Jens Spahn und einen CSU-Verkehrsminister in der zweiten Reihe. Oder ob sie Olaf Scholz, Boris Pistorius und anderen in der Sozialdemokratie vertrauen. Die Grünen spielen um Platz zwei.
Klingbeil: Nach dem Schauspiel der letzten Monate ist das Vertrauensverhältnis zu Christian Lindner beschädigt, wenn nicht zerstört. In einer Situation wie heute muss man unter demokratischen Parteien trotzdem immer zusammenarbeiten können. Aber ich kann mir mit Christian Lindner keinen Vertragsabschluss mehr vorstellen.
HA: Sind unsere Sicherheitsbehörden überfordert?
Klingbeil: Wenn die Ermittlungen nach Magdeburg zeigen, dass die Sicherheitsbehörden mehr Befugnisse brauchen, dann können wir noch vor der Bundestagswahl im Bundestag handeln. Ich bin generell dafür, die Sicherheitsbehörden technisch und personell besser auszustatten, damit sie mit Bedrohungslagen besser umgehen können.
HA: Konkret?
Klingbeil: Ich will daran erinnern, dass im Bundesrat ein Sicherheitspaket liegt, mit dem wir als Reaktion auf die Taten in Solingen und Mannheim die Kompetenzen der Bundespolizei und auch die biometrische Gesichtserkennung massiv ausweiten wollen. Es geht darum, der Polizei und den Sicherheitsbehörden alle Möglichkeiten zu geben, die sie brauchen, um die größtmögliche Sicherheit zu garantieren. Zur Wahrheit gehört, dass das Sicherheitspaket von der Union im Bundesrat gestoppt wurde. Die SPD ist sofort bereit, das Paket noch vor der Wahl zu verabschieden. Die Sicherheit in Deutschland muss an erster Stelle stehen.
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„Wer mit Terror droht oder ihn verherrlicht, muss das Land verlassen.“
Lars Klingbeil,
SPD-Vorsitzender
HA: Was soll für Geflüchtete aus Syrien nach dem Sturz des Assad-Regimes gelten?
Klingbeil: Es ist wirklich beschämend, dass einigen CDU-Politikern nach dem Sturz eines grausamen Diktators als erstes die Frage einfällt: Wann verlassen die Syrer endlich Deutschland? Ich rate dazu, genau zu beobachten, wie sich die Lage in Syrien entwickelt. Es gibt Geflüchtete, die sich nichts sehnlicher wünschen, als zurückzugehen und beim Wiederaufbau ihres Landes zu helfen. Diese Menschen sollten wir unterstützen. Andere, und das sind sehr viele, sind Teil unserer Gesellschaft geworden und helfen mit, dass Deutschland ein starkes Land bleibt. Wir haben zum Beispiel 6000 Ärzte aus Syrien hier in Deutschland. Nicht auszudenken, wenn sie morgen unsere Arztpraxen und Krankenhäuser verließen.
HA: Welchen Umgang empfehlen Sie mit syrischen Straftätern?
Klingbeil: Ich finde es richtig, Straftäter auch in Länder wie Afghanistan und Syrien abzuschieben. Wer straffällig wird, verliert sein Recht, in unserem Land zu bleiben. Aber die allermeisten Menschen, die zu uns kommen, haben mit Straftaten nichts zu tun.
HA: Sie haben darauf hingewiesen, dass die AfD von Magdeburg profitieren will. Unterstützung bekommt sie dabei von Elon Musk, Tech-Milliardär und Gefolgsmann des gewählten US-Präsidenten Donald Trump. Wie ordnen Sie das ein?
Klingbeil: Das zeigt, dass unsere Demokratie von außen massiv bedroht ist. Elon Musk versucht nichts anderes als Wladimir Putin: Beide wollen unsere Wahlen beeinflussen und unterstützen gezielt die Demokratiefeinde der AfD. Sie wollen, dass Deutschland geschwächt wird und ins Chaos stürzt. Dagegen müssen Demokraten parteiübergreifend zusammenstehen. Eine solche Einmischung verbietet sich. Deswegen kann ich nicht ganz verstehen, dass Christian Lindner einem Elon Musk hinterherhechelt und sich bei ihm anbiedert.
HA: Sind wir wehrlos gegen Musk?
Klingbeil: Nein, überhaupt nicht. Wir müssen noch viel offensiver werden und die Macht der großen Internet-Plattformen wie Musks Kurznachrichtendienst X wirksam begrenzen. Hier versucht ein Tech-Milliardär seinen Einfluss zu nutzen, um den Gang der Weltpolitik zu beeinflussen. Dagegen vorzugehen, ist vor allem die EU-Kommission gefordert.
HA: Plädieren Sie dafür, X in Europa zu sperren?
Klingbeil: Es geht um eine strengere Regulierung der großen Plattformen, damit Qualitätsstandards eingehalten werden. Wir brauchen rechtliche Instrumente gegen Fake News, auch um die Macht einzelner Personen zu brechen. Da müssen wir in Europa den Hintern hochkriegen, wenn wir eine große Gefahr für die Demokratie abwenden wollen.
Anmerkung:
Man muss aber auch den Hintern hochkriegen und zuindest dias Hetz- und Lügenmedium X verlassen. X in Deutschland zu sperren, wäre der nächste Schritt5. Es ist unerträglich, dass die demokratischen Parteien, also auch die SPD, immer noch in einem Medium präsent sind, dass dem rechtsextremen Musk gehört, der die AfD unterstützt und nicht davor zurückschrecken wird, rechtsextreme Parteien mit ihrer Lügenprpaganda auch finanziell zu unterstützen. Es reicht nicht, auf die EU-Kommision zu verweisen, wenn eigenes Handeln möglich und notwendig ist. Die Hausaufgaben zur Abwehr der Demokratiefeinde müssen schon Deutshland gemacht werden.
Wenn wir zulassen, dass die Lüge zur Wahrheit wird, sind wir geliefert.
Kommentar dazu von Matthias Iken, stellv. Chefredakteur des HA:
Journalismus darf viel. Er darf Grenzen ausloten, er darf weh tun, er darf verärgern. Er schafft einen Marktplatz der offenen Demokratie, auf dem sich die Bürger ihre Meinung bilden können.
Journalismus muss aber auch viel, vor allem viel Verantwortung übernehmen. Nicht alles, was Aufmerksamkeit oder Klicks verspricht, ist guter Journalismus. Der Gastbeitrag von Elon Musk, der in der „Welt am Sonntag“ und auf welt.de erschien, ist meistgelesen und wird in der Öffentlichkeit eifrig diskutiert. Gut ist er nicht.
Elon Musks Beitrag überschreitet rote Linien
Denn die Veröffentlichung in einem anerkannten Medium überschreitet gleich zwei rote Linien: In acht Wochen wählen die Deutschen einen neuen Bundestag. Da sollten prominente Einflussnahmen unterbleiben – jeder plumpe Wahlaufruf, und genau das ist dieser Text, wirkt im journalistischen Raum übergriffig. Das gilt schon für jede Mittelstandsvereinigung, die im Gastbeitrag Friedrich Merz feiert, wie für jedes Künstlerkollektiv, das für Robert Habeck trommelt.
Musk schürt Ängste im Land, er untergräbt Vertrauen
Erst recht gilt es, wenn Tesla-Gründer Elon Musk sich gar zu der These versteigt, nur die AfD könne Deutschland retten. Denn seine Zukunft taumele „am Rande des wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenbruchs“, weiß der Amerikaner. Mit Verlaub, das ist absurd. Sein Text zeigt, dass er viel Meinung, aber wenig Ahnung hat – das Programm der vermeintlichen „Alternative für Deutschland“ mit EU-Austritt oder einem Ende der NATO-Mitgliedschaft scheint er kaum zu kennen.
Zugleich sind seine Ausführungen gefährlich: Musk schürt die Ängste im Land, er untergräbt das Vertrauen, das jede Demokratie zum Überleben braucht wie die Luft zum Atmen. Deutschland mag einen Politikwechsel benötigen, aber sicherlich keine Weltuntergangsszenarien eines US-Milliardärs.
Noch fataler ist, woher diese Einflussnahme kommt: Sie stammt aus dem Umfeld des designierten US-Präsidenten Donald Trump. Elon Musk ist längst einer der wichtigsten Einflüsterer des mächtigsten Mannes der Welt.
Internationale Zurückhaltung und Respekt von dem Wähler verbieten solche Texte. Wenn aus Wladimir Putins Reich Wahlaufrufe für die AfD eingingen, wäre wohl niemand überrascht. Aber wenn sie aus den USA kommen und eilfertig von deutschen Medien veröffentlicht werden, wird es ernst.
Verdammt ernst.