Bauern im Zwielicht

Jetzt haben so viele Bauern wie lange nicht demonstriert. Angeblich unabhängig, sind sie teils vom Bauernverband gesteuert – und AfD-nah. Lesen Sie dazu den gekürzten und redaktionell geänderten Artikel, der taz entnommen.

Deutschland hat die wohl größten Bauernprotesten seit Jahrzehnten erlebt. Die dort vertretenen Forderungen sind so weit rechts, dass sie von der AfD als einziger Bundestagspartei unterstützt werden. Die angeblich unabhängigen Demonstrationen von Landwirten ­gegen Umweltauflagen am kommenden Dienstag werden zudem teils vom Bauernverband gesteuert. Deutschlands größte Umweltorganisation, der Naturschutzbund (Nabu), kritisierte den Aufruf zu den Kundgebungen in Bonn und anderen Städten scharf. Die Veranstalter rechnen allein in Bonn laut Polizei mit 8.000 bis 10.000 Teilnehmern und 700 Traktoren.

Die Initiative „Land schafft Verbindung“ schreibt auf ihrer Internetseite: „Wir organisieren uns selbst, wir ­stehen unter keinem Verband, keiner Organisation, keiner Institution. Wir sind einfach Landwirte“. Auf derselben Seite hieß es noch Anfang der Woche, im etwa achtköpfigen Veranstalterteam seien Sönke Hauschild und Andre Brunemund „beratend dabei“. Hauschild ist Referent des Bauernverbands Schleswig-Holsteins, Brunemund leitet eine Imagekampagne von elf niedersächsischen Kreisverbänden der Lobbyorganisation.

Thomas Andresen vom Öffentlichkeitsausschuss des schleswig-holsteinischen Bauernverbands arbeitet immer noch im Orga-Team. Untergliederungen des Deutschen Bauernverbands organisieren Busfahrten zu der Veranstaltung. In einem internen Internet-Chat der Demo-Initiative, dessen Protokoll der taz vorliegt, schreibt Klaus-Peter Lucht, Vizepräsident des schleswig-holsteinischen Landesverbands, „der Bauernverband unterstützt diese Aktion schon die ganze Zeit“.

Der Anschein der Unabhängigkeit ist wichtig für die Bewegung, weil sie ihre Glaubwürdigkeit erhöht. Sie suggeriert: Hier werden nicht seit Jahrzehnten politisch festgelegte Funktionäre demonstrieren, sondern „Landwirte, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen wollen“, wie die Initiative schreibt, die von den Bauernprotesten in den Niederlanden inspiriert ist und sich im Internet formiert hat. Damit hat die gleichnamige Facebook-Gruppe in rund 2 Wochen mehr als 14.000 Mitglieder gewonnen.

Für Pestizide in Naturschutzgebieten

Inhaltlich liegt die Initiative mit dem Bauernverband aber auf einer Linie: Beide lehnen das „Agrarpaket“ der Bundesregierung ab. Demnach will das Kabinett den unter Krebsverdacht stehenden Unkrautvernichter Glyphosat ab 2024 ganz und alle Unkrautkiller sowie besonders schädliche Insektengifte in den meisten Naturschutzgebieten bereits vorher verbieten – vor allem, um das Insektensterben zu reduzieren. Außerdem sollen mit diesem Agrarpaket mehr Agrarsubventionen, die bisher vor allem für den Besitz von Fläche gezahlt werden, etwa Umweltprojekte von Landwirten finanzieren.

Dennoch behauptet die Initiative wider besseren Wissens: „Das Agrarpaket gefährdet bäuerliche Familienbetriebe“. Denn weniger Pestizide und Flächenzahlungen bedeuteten wirtschaftliche Verluste.

Düngeverordnung

Außerdem wenden sich die Demo-Initiatoren gegen die geplante Verschärfung der Düngeverordnung. Die Pflanzen bekämen dann zu wenig Nährstoffe. Darauf entgegnet das Agrar­ministerium, dass das Grundwasser an etlichen Stellen zu stark mit potenziell gesundheitschädlichem Nitrat belastet sei. Der Stoff komme auch aus Düngern. Deutschland müsse die Belastung verringern, weil es sonst eine Strafe wegen jahrelanger Verstöße gegen die EU-Nitratrichtlinie zahlen müsse. Die Demoveranstalter kritisieren auch „die permanente negative Stimmungsmache, das Bauernbashing“ durch Politik und Nichtregierungsorganisationen.

Das sieht Olaf Tschimpke, Präsident des Naturschutzbunds, anders: Die Landwirte müssten sich dieser Auseinandersetzung stellen, weil viele vor Problemen wie dem Beitrag der Landwirtschaft zum Insektensterben oder zur Nitratbelastung die Augen verschlössen, sagt er zur taz: „Wenn die Landwirte an Lösungen arbeiten, werden sie auch ein positiver Teil der Gesellschaft.“

Einig mit Umweltschützern sind sich die Demo-Leute nur in einem Punkt: Beide kämpfen gegen das geplante Handelsabkommen der EU mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten, das Rindfleischimporte etwa aus Brasilien erhöhen könnte.

Pressesprecher ist ehemaliger AfD-Politiker

Als einzige im Bundestag vertretene Partei unterschreibt all das zusammen nur die AfD, die sich bereits Ende September mit Bauernprotesten gegen das Agrarpaket solidarisierte. Damit könnte der Konflikt die politischen Kräfteverhältnisse in der Landwirtschaft verschieben: Bisher waren die Bauern stets im Lager von CDU und CSU, die nun aber das Agrarpaket mittragen. Auch Walter Peters, den die Demo-Organisatoren der taz als Ansprechpartner nennen, war bis Mitte 2015 Kommunalpolitiker der rechtsradikalen Partei. Damals ist er ausgetreten, aber zumindest in Sachen Umwelt redet er genauso wie die heutige AfD. Peters stellt im Gespräch mit der taz den Bauernprotest als Teil eines Aufstands gegen Umweltschutz auch in anderen Branchen wie der Autoindustrie oder der Energiewirtschaft. Er beklagt, wie der Mittelstand, zu dem die Bauern gehörten, „nach und nach wegreglementiert wird und mit immer mehr Bürokratie und Auflagen versehen wird ohne Sinn und Verstand, aus rein politischen ideologischen Gründen“.

Auch Peters’ Haltung zum Klimawandel ist immer noch AfD-kompatibel: Die Menschen hätten „nicht viel Einfluss“ auf den Klimawandel, sagt Peters der taz – und widerspricht damit fast allen über das Thema publizierenden Wissenschaftlern. Dass auch Bauernverbands-Funktionäre die Demo mitorganisieren, ist für ihn kein Problem.

Position des BDM

Ein Problem haben die Organisatoren jedoch mit dem Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM). Als dieser in einer Pressemitteilung auf die Demo hinwies, forderten Organisatoren in harschen YouTube-Videos, dass die Gruppe ihr Statement zurückzieht. Schließlich sollten sich keine Verbände beteiligen. Anders als die Demo-Initiatoren hat der Milchviehhalter-Verband „die Notwendigkeit deutlicher Veränderungen“ in der Landwirtschaft anerkannt. Er verlangte auch, „die wettbewerbsschädliche Marktübermacht der Abnehmer unserer Produkte einzudämmen, um Preise für unsere Produkte erzielen zu können, die ihrer hohen Wertigkeit entsprechen“.

„Faire Preise“ wollen sie nicht fordern

Davon wollen die Demo-Organisatoren nichts wissen. Auch von den Forderungen der ökologisch orientierten Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) sind die Veranstalter weit entfernt. Die AbL will, dass die Agrarsubventionen nicht für jeden Hektar gleich ausgezahlt werden, sondern an soziale und ökologische Kriterien gebunden werden. Diese Punkte fehlen in den Druckvorlagen für Schilder, die die Organisatoren ins Internet gestellt haben.

Wie im AfD-Milieu ist auch bei den Demo-Veranstaltern das Misstrauen gegen­über „den Medien“ und Umweltschützern groß. In einem offiziellen Verhaltenskodex verlangt die Gruppe von den Teilnehmern: „Nehmt nicht an Diskussionen mit Aktivisten teil“ und: „Verweist die Medien so weit wie möglich an die sichtbaren und ernannten Personen (Pressesprecher) der Organisation.“

Naturschutzbund: „Keine Lösungsvorschläge“

Nabu-Präsident Olaf Tschimpke hat für die Proteste wenig übrig. „Die kommen ja nicht mit Lösungsvorschlägen. Sie klagen immer nur, sagen aber nicht, wie sie aus dem Konflikt mit dem Natur-, Wasser- und Klimaschutz herauskommen wollen.“ Der Nabu dagegen habe zum Beispiel einen EU-Naturschutzfonds gefordert, der die Leistungen der Bauern für den Naturschutz honorieren solle. Das hätten der Bauernverband und mit ihm verbündete Politiker aber abgelehnt. „Wir haben kein Interesse am Bauernsterben, weil wir die Landwirte brauchen“, so Tschimpke. Aber die Bauern könnten nicht erwarten, dass ihre Umweltsünden die Gesellschaft weiter belasten.

Dazu: Einschüchterung von Journalisten

Wie aggressiv manche Landwirte mittlerweile gegen Journalisten vorgehen, zeigt auch der Protest gegen Christine Schneider, Agrarredakteurin des Bayerischen Rundfunks (BR). Sie gab am Abend nach den Demonstra­tio­nen der BR-Fernsehnachrichtensendung „Rundschau“ ein Experteninterview. Darin sagte sie nach eigenen Angaben, dass die Landwirte 5 Milliarden Euro EU-Agrarsubventionen pro Jahr bekämen und deshalb die Gesellschaft mitreden dürfe, wie sie arbeiteten. „Davor liefen zwei Beiträge, die ausführlich die Meinung der Landwirte abbildeten“, so Schneider zur taz.

Kurz nach dem Interview erschien auf dem Internetportal change.org die Petition „Absetzung von Christine Schneider im BR als Mitglied der Landwirtschaftsredaktion“. „Wenn nicht mehr neutral geurteilt wird, dann bitte verlassen Sie die öffentlichen Medien“, hieß es in dem Text, dem sich bisher über 5.0001 Menschen anschlossen haben.

1 s.Petition. Bei den Sympathisanten kann es sich auch um solche der AfD handeln. Das müssen nicht nur Bauern sein.

image_printDrucken