Außenpolitik

Die Ampelkoalition startet mit Kontinuität in ihrer Außenpolitik  Ministerin Annalena Baerbock will zwar andere Akzente als Kanzler Olaf Scholz setzen, handelt aber auf der Grundlage des Koalitionsvertrags. Es gibt daher – bisher jedenfalls – keinen Streit innerhalb der Koalition, auch wenn er schon jetzt herbeigeredet wird.

Die Vorbereitung fällt aus. Annalena Baerbock ist kaum eine Woche Außenministerin, schon ist sie durch Europa gereist. In Liverpool trifft sie erstmals ihre Amtskollegen der G7-Staaten, führt Gespräche in Paris und Brüssel und muss in Warschau rechtsstaatswidrige Belehrungen des polnischen Außenministers über sich ergehen lassen. Ein sehr unterschiedliches Programm mit sehr unterschiedlichen Anforderungen. Sie hält sich weitgehend zurück, in Polen aber doch zu sehr, und setzt zunächst auf Kontinuität.

Interessenorientierte Außenpolitik

Baerbock bringt bei ihren Antrittsbesuchen Überzeugungen und Gestaltungswillen mit. Sie ist überzeugte Europäerin und vermittelt dies auch. Aber sie wird auch mit der Realität des außenpolitischen Tagesgeschäfts konfrontiert. Und die Realität erfordert vor allem aktuelle Krisenbewältigung.

Bislang werden in den internationalen Beziehungen zwar auch Werte thematisiert, vor allem aber nationale  Interessen. Anzeichen, dass sich daran etwas ändern könnte, gibt es lediglich rudimentär. Für einen Politikwechsel im Sinne der Grünen bedürfte  es mehr nationaler und internationaler Geschlossenheit. Die findet sich aber nur zum Teil und unterschiedlich innerhalb und außerhalb der Europäischen Union.

Die Mindesterwartung an die neue Bundesregierung besteht darin, dass Deutschland auf Alleingänge verzichtet und für Kontinuität steht. Scholz und Baerbock entsprechen prinzipiell dieser Erwartung, auch wenn die Außenministerin die Ostseepipeline Nord Stream 2 unter bestimmten Bedingungen in Frage stellt, was aber nichts an dem Verfahren ändert, dass die Betreiberfirma der fertiggestellten Gaspipeline Nord Stream 2 vor der Inbetriebnahme in ihrer Rechtsform im Einklang mit dem deutschen Recht stehen muss.1 Scholz hält sich bei diesem Thema nicht zurück, sondern stellt klar, dass solche Verfahren unabhängig von politischer Einflußnahme erfolgen. Ein solches rechtsstaatliches Verfahren dauert Monate, bis es endlich zu einer Zertifizierung kommen kann.

Abgesehen davon ist diese Pipeline im Interesse Deutschlands, gannz abgesehen davon, dass sich Russland bisher an geschlossene Verträge gehalten hat. Waruum sollte es diesmal anders sein?

Der SPD-Kanzler handelt auf der Grundlage des Koalitionsvertrags. Dieser Vertrag lässt besonders bei den außenpolitischen Fragen viele Interpretationsspielräume offen. Wie eine wertorientierte Außenpolitik umgesetzt werden könnte, dazu gibt es unterschiedliche Auffassungen.

 Kanzler bestimmt die Richtlinien der Politik

Gemäß §65 des Grundgesetzes bestimmt der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung. Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Bundesminsiter seinen Geschäftsbereich selbständig un din eigener Verantwortung.

Hinzuzufügen ist, dass für diese Bundesregierung der Koalitionsvertag die Handlungsgrundlage ist.  Handelt ein Minister nicht auf dieser Grundlage, ist der Bundeskanzler nicht nur befugt, sondern verpflichtet, einzugreifen, um der vereinbarten Handlungsgrundlage wieder Geltung zu verschaffen.

Scholz hat die Richtlinienkompetenz, von der er Gebrauch machen muss, wenn ein Eingreifen substantiell erforderlich ist. Erforderlich kann sein Eingreifen z.B. werden, wenn Baerbock das rechtsstaatliche Verfahren bezüglich der Gaspipeline unzulässig verkürzt, um die Zertifizierung zu verhindern. Es ist derzeit nicht erkennbar, dass die Außenministerin davon abweicht bzw. abweichen wird, auch wenn sie andere Vorstellungen über die Energieversorgung der Zukunft hat.

 

Soweit im Europäischen Rat von den Staats- und Regierungschefs Entscheidungen getroffen werden, beispielsweise über Sanktionen gegen Russland, handelt Scholz als Bundeskanzler, soweit möglich, abgestimmt mit der Außenministerin, was Scholz auch bereits angekündigt hat. Alleingänge auch des Bundeskanzlers sind trotz seiner Richtlinienkompetenz nicht zu erwarten. Scholz ist ein solches Verhalten auch wesensfremd.

Utopie einer wertorientierten Außenpolitik

Das Ziel einer wertorientierten Außenpolitik hat es in den Koalitionsvertrag geschafft, vor allem auf Bestreben von Grünen und FDP. Damit möchte Baerbock ihre politische Agenda betonen und sich als Ministerin ein Profil geben, was legitim ist. SPD, Grüne und FDP haben sich verbal auf einige inhaltliche Punkte gegenüber den Staaten geeinigt, die  demokratische Werte nicht vertreten oder allgemeine Menschenrechtsbestimmungen nicht einhalten. Lediglich deutsche Entwicklungshilfe soll insgesamt wertorientiert sein.

Eine wertorientierte Außenpolitik müsste mit den wirtschaftlichen Interessen Deutschlands abgewogen werden. Das ist auch für ein Exportland wie Deutschland notwendig,2 wie dem Koalitionsvertrag entnommen werden kann. Dieser Grundlage widerspricht nicht, dass gemeinsame Positionen erst noch erfolgen müssen, soweit sie bisher nicht bestehen.

Rolf Aschenbeck

1Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin Schwesig (Ministerpräsidentin MV) wünscht sich eine schnelle Zertifizierung der umstrittenen Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2. „Ich hoffe auf ein zügiges Verfahren, damit die Leitung in Betrieb gehen kann“, sagte die Ministerpräsidentin am Donnerstag (20.1.22) in einer aufgezeichneten Videobotschaft  beim Onliene-Neujahrsempfang des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft.

Weiter erklärte sie zum angespannten Situation angesichts des russischen Truppenaufmarsches nahe der Grenze zur Ukraine: „Im übrigen bin ich davon überzeugt, dass es richtig ist, weiter auf kritischen Dialog und wirtschaftlichen Austausch mit Russland zu setzen. (Auszug aus einer dpa-Meldung vom 21.2.22)                   Dem ist nichts hinzuzufügen.

2siehe dazu  Koalitionsvertrag Seite 143.

Koalitionsvertrag-ampel-2021-2025