Ausbeutung

Die folgenden zwei Artikel, verdi-publik entnommen, haben scheinbar nichts miteinander zu tun, thematisieren aber beide die Ausbeutung der Bevölkerung durch (internationale) Konzerne, die von Privatisierungen profitieren, die Staaten willentlich herbeigeführt haben.

 

US-Konzern erzielt Teilsieg im Streit um Entschädigung für Umweltschäden

Von Harald Neuber

Der jahrelange Streit zwischen Ecuador und dem US-Erdölmulti Chevron über die Kosten zur Beseitigung von Umweltschäden geht in eine neue Runde. Nachdem ein Gericht im niederländischen Den Haag das Urteil eines Schiedsgerichtshofes gegen das südamerikanische Land vor wenigen Wochen bestätigt hat, kündigte Ecuadors Generalstaatsanwalt Diego García Ende Januar Berufung an. Die niederländischen Richter waren zuvor der Argumentation des ebenfalls in Den Haag ansässigen Ständigen Schiedshofes gefolgt, dem zufolge Ecuador an ein Investitionsschutzabkommen mit den USA aus dem Jahr 1995 gebunden ist. Zudem habe die damalige Regierung des südamerikanischen Landes dem US-Multi drei Jahre später bestätigt, er habe die Fördergebiete ordnungsgemäß verlassen.
Bei dem Streit geht es um hohe Strafzahlungen für Umweltschäden. Ecuador und Chevron liefern sich seit Jahren eine heftige Auseinandersetzung, die sowohl auf der juristischen wie auch auf der politischen Ebene ausgetragen wird.

Umweltschäden kriminellen Ausmaßes

Dabei geht es um einen enormen Streitwert: Chevron soll bis zu 19 Milliarden US-Dollar bezahlen, weil das Vorgängerunternehmen Texaco nach Darstellung der Kläger massive Schäden für Mensch und Umwelt verursacht hat. Texaco hatte in Ecuador zwischen 1964 und 1992 Erdöl gefördert und wurde 2001 von Chevron übernommen. Zu diesem Zeitpunkt liefen bereits Klagen von Anwohnern der ehemaligen Fördergebiete. Insgesamt habe Texaco 71 Millionen Liter Erdölrückstände und 64 Millionen Liter Rohöl hinterlassen. Dieses giftige Erbe belaste rund zwei Millionen Hektar Land, vor allem im ecuadorianischen Teil des Amazonas. Die Kläger, allen voran indigene Organisationen, berufen sich auf einen Artikel des Fördervertrags, nach dem das Unternehmen toxische Rückstände in tiefe Erdschichten hätte pumpen müssen. Tatsächlich habe Texaco Rohöl und andere Rückstände jedoch nur mit einer dünnen Erdschicht bedeckt. Chevron hingegen macht die staatliche ecuadorianische Erdölgesellschaft Petroecuador verantwortlich und versucht, die enorme Entschädigungssumme auf den südamerikanischen Staat abzuwälzen.

Widerstand aus Quito

Mit dem Urteil des Ständigen Schiedshofes in Den Haag und der Bestätigung durch ein lokales Gericht hat der US-Konzern nun einen Teilsieg errungen. Die Entscheidung des Den Haager Gerichts „bestätigt die Integrität der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit und bekräftigt, dass Ecuador für die Verletzung seiner internationalen Verpflichtungen zur Verantwortung gezogen werden wird“, hieß es in einer Erklärung des Unternehmens. Chevron behauptet auch, dass ein 2013 in Ecuador gefälltes Urteil über 9,5 Milliarden US-Dollar Entschädigungszahlungen manipuliert gewesen sei. Die Strafe war in Ecuador verdoppelt worden, weil sich Chevron weigerte, das Urteil anzuerkennen. Stattdessen strengte das Unternehmen einen spektakulären Prozess in New York an. Die ecuadorianischen Kläger wurden dabei der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung bezichtigt. Die Vertreter des Erdölkonzerns beriefen sich auf das sogenannte RICO-Gesetz, das in den 1970er Jahren mit Urteilen gegen die Mafia in den USA bekannt geworden war. Das New Yorker Urteil war nur ein Kapitel in einem zunehmend unüberschaubaren Rechtsstreit zwischen Ecuador und Chevron mit Vorwürfen und Gegenklagen vor verschiedenen Gerichten.

Investitionsschutzabkommen

Vor allem das Urteil des Schiedshofes in Den Haag trifft nun aber in Quito auf Widerstand. Chevron, heißt es, könne sich nicht auf ein Investitionsschutzabkommen zwischen Ecuador und den USA berufen, weil dieser Vertrag erst 1995 unterzeichnet wurde – also drei Jahre, nachdem der damalige Texaco-Konzern das Land verlassen hat. Eine rückwirkende Anwendung des Vertrags sei nicht vorgesehen. Auch den Verweis der Gegenseite, dass die damalige ecuadorianische Regierung Texaco 1998 die ordnungsgemäße Übergabe der Bohrstätten bescheinigt habe, will man in Quito nicht gelten lassen. Die Entscheidung der Regierung des damaligen neoliberalen Präsidenten Jamil Mahuad sei erkauft gewesen, sagt der aktuelle Staatschef Rafael Correa.

Seine Regierung sieht den Rechtsstreit auch als Beispiel für staatsgefährdende Urteile internationaler Schiedsgerichte. Auf der UN-Klimakonferenz in Paris schlug Correa daher die Schaffung eines „Internationalen Klimagerichtshofes“ vor, um Streitfälle wie den zwischen seinem Land und Chevron zu klären. Es sei ein Problem, so Correa, wenn Schiedsgerichte solche für die betroffenen Staaten weitreichenden Fälle auf der Basis von Unternehmens- und Investitionsschutzrechten behandelten.

Hochgiftiges Wasser in Flüsse gepumpt

Welche Konsequenzen die Fördertätigkeiten von Texaco in Ecuador hatten, machte im vergangenen Dezember der Opferanwalt Pablo Fajardo bei einem Vortrag in Berlin deutlich. In den 26 Jahren Förderzeit seien auf einer Fläche von 450.000 Hektar in einem biologisch reichen Gebiet die Lebensgrundlage für Flora und Fauna zerstört worden. „60 Milliarden Liter hochgiftiges Wasser wurden in die Flüsse gepumpt, 880 offene Abfallgruben voller Rohöl und giftigem Schlamm wurden zurückgelassen und 6,6 Milliarden Kubikmeter Erdgas unter freiem Himmel verbrannt“, erklärte der Anwalt.

 

Privatisierung: Nicht nur das Straßennetz steht zur Debatte

Von Werner Rügemer

Hinter dem medialen und politischen Großtheater von Eurokrise, Griechenland, Flüchtlingen, Pegida und AfD bereiten Bundesregierung und Unternehmerlobby einen Durchmarsch vor: Neue Privatisierungen, in großem Stil und vielfacher Gestalt, im Bund, in Bundes­ländern und Kommunen. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, SPD, will seit 2014 die Deutsche Bank, Versicherungskonzerne wie Allianz und andere Investoren dazu bringen, ihr heimatloses Kapital in Autobahnen, Straßen, Brücken, Leitungssystemen, Kanalisationen und Schulen anzulegen. Der Reparatur- und Modernisierungsstau liegt bei hohen dreistelligen Milliardenbeträgen. Renditeerwartung: vier bis sieben Prozent jährlich, die der Staat garantieren soll.

ÖPP

Verkehrsminister Alexander Dobrindt, CSU, will eine private Bundesfernstraßengesellschaft. Die soll die Autobahnen und Fernstraßen betreiben. Sie unterläge keiner parlamentarischen Kontrolle, bekäme Kredite von Investoren und könnte durch einen Börsengang noch weiter privatisiert werden. Die Einnahmen kommen aus der Lkw-Maut auf Autobahnen. Aber ab 2018 soll die Maut auch auf Fernstraßen fällig sein. Über eine Pkw-Maut wird auch schon „nachgedacht“. Transportierte Produkte und das Autofahren würden noch teurer. Die bisherigen 18.000 Arbeitsplätze in der Straßenbauverwaltung der Bundesländer stehen auf der Kippe.

Überall wird nach dem Muster Öffentlich-Private-Partnerschaft (ÖPP) verfahren. Es zieht seit anderthalb Jahrzehnten eine Spur des Scheiterns hinter sich her. Die Hamburger Elbphilharmonie, die 90 Schulen des Landkreises Offenbach und die Gefängnisse in Waldeck, Hünfeld und Burg sind bekannte Beispiele. Das größte Projekt ist die Autobahnmaut Toll Collect. Weil Daimler, Telekom und cofiroute nicht vertragsgemäß geliefert haben, schulden sie dem Staat mit Zins und Zinseszins jetzt sieben Milliarden Euro. Für die erfolglose Beratung während zwölf Jahren hat der Bund diversen Großkanzleien wie Freshfieds bisher über 130 Millionen Euro gezahlt.

Privatisierungen

Ein nächstes Projekt ist das Berliner Museum der Moderne. Es soll den Gemäldesammlungen dreier Multimillionäre eine repräsentative Hülle verschaffen – für erstmal freundlich geschätzte 200 Millionen. Die Bundesregierung fördert, auch mit der Peitsche der Schuldenbremse, ÖPP-Projekte für Kitas, Studentenheime, Alters- und Pflegeheime. Etliche kommunale Krankenhäuser sind inzwischen privatisiert, mit verheerenden Folgen für Beschäftigte und Patienten.

Mit dem Personenbeförderungsgesetz gab der Bundestag 2013 zunächst den privaten Fernbusverkehr frei. Auch der Staatskonzern Deutsche Bahn AG betreibt jetzt private Bus-Gesellschaften. Nun dringen private DB-Regionalgesellschaften auch in den Öffentlichen Personen-Nahverkehr der Kommunen ein. Die Stadt Pforzheim, mit erheblichem privatem Beratungsaufwand über den Tisch gezogen, ist das erste Opfer. Den Beschäftigten droht der Verlust ihrer Arbeitsplätze. Die DB sieht das als Pilotprojekt.

Privatisierungen führen zu Niedriglöhnen, zu verteuerten Dienstleistungen, auch zu Nachforderungen und Pleiten der Investoren. Schäubles „Schwarze Null“ soll Privatisierungen auf allen Gebieten fördern, ja erzwingen. Während die öffentliche Hand in Deutschland seit Jahren Kredite praktisch zum Null-Zins bekommt, sind Privat­kredite um ein Vielfaches teurer, und Gewinn für die Investoren soll auch noch herausspringen. Die verschärfte Privatisierung ist auch eine Vorleistung auf Freihandelsabkommen wie CETA, TISA und TTIP. Sie würden Privatisierungen noch leichter machen, wohl nicht zuletzt auch im bereits begonnenen Geschäft mit Flüchtlingen.

Schuldenbremse

Die zum (un)christlichen Glaubensbekenntnis hochstilisierte „Schwarze Null“ macht keinen Sinn für Beschäftigte und Steuerzahler. Im Endeffekt würde sogar das Gegenteil erreicht: Privatisierungen sind sowieso viel teurer als traditionelle staatliche Erledigungen. Damit treibt die asoziale Logik der „Schwarzen Null“ die öffentlichen Haushalte in neue Schulden. Und wenn dann die „Schwarze Null“ weiter erhalten werden soll, müssen den verschiedensten Gruppen der Bevölkerung noch weitere Kürzungen aufgedrückt werden. Schwarze Null und Schuldenbremse gelten auch als Begründung für ein anderes sozial- und rechtsstaatsschädliches Hobby des Finanz­ministers: die Steuerflucht von Konzernen und Vermögenden weiterlaufen zu lassen und sie steuerlich nach Kräften zu schonen. Die Steuerpolitik muss radikal anders werden.

Um Privatisierungen war es lange still geworden. Das täuschte. Jetzt sollen sie nochmal heftiger losgehen. Diese erfordern auch heftigen Widerstand, und zwar mehr noch als bisher.

 

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