Armut steigt

20% der Bevölkerung in Deutschland hatten 2021 ein Nettoeinkommen von unter 16.300 Euro im Jahr, also 1.358 pro Monat. Das ist deutlich mehr als der Bevölkerungsanteil von 15% und kann nur heißen, dass auch diese Einkommensbezieher arm sind, obwohl es sich dabei um Einkommen oberhalb der Grundsicherung handelt.

Die Einführung einer Strompreisbremse, die Erhöhung des Kindergeldes, Einmalzahlungen für Studenten sowie Rentner und ein höheres Wohngeld für mehr Berechtigte – die Bundesregierung hat im Rahmen des dritten Entlastungspaketes eine Vielzahl von Maßnahmen beschlossen. Profitieren sollen davon insbesondere Menschen mit mittlerem und geringem Einkommen.

Armut steigt

Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, stand nach Ergebnissen der Erhebung zu Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) 2021 einem Fünftel der Bevölkerung in Deutschland ein jährliches Nettoäquivalenzeinkommen von unter 16.300 Euro zur Verfügung. Beim Äquivalenzeinkommen handelt es sich um ein um Einspareffekte in Mehrpersonenhaushalten bereinigtes Pro-Kopf-Einkommen. Einkommensreferenzjahr ist das Vorjahr der Erhebung. So hatten zwei Fünftel (40 %) der Bevölkerung ein Nettoäquivalenzeinkommen von unter 22 000 Euro im Jahr. Auf der anderen Seite hatten zwei Fünftel (40 %) der Bevölkerung ein Einkommen von 28.400 Euro und mehr.

Alleinerziehenden-Haushalte überdurchschnittlich oft in unteren Einkommensgruppen

Zu den 40 % der Bevölkerung mit den geringsten Einkommen zählen überdurchschnittlich oft Personen aus Alleinerziehenden-Haushalten. Fast zwei Drittel (64,6 %) von ihnen verfügten 2021 über ein Nettoäquivalenzeinkommen von weniger als 22.000 Euro im Jahr, bei gut einem Drittel (33,2 %) betrug es weniger als 16.300 Euro. Ähnliches gilt für Personen in Haushalten mit zwei Erwachsenen und drei oder mehr Kindern: 57,7 % der Personen dieser Haushalte hatten ein Nettoeinkommen von weniger als 22.000 Euro im Jahr. Für Personen in Haushalten mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern bzw. einem Kind traf das auf 36,0 % bzw. 29,7 % zu.

Jede zweite alleinlebende Person mit Einkommen unter 22.000 Euro

Auch bei Personen, die ohne Kinder lebten, zeigen sich hinsichtlich der Einkommensverteilung deutliche Unterschiede zwischen den Haushaltstypen: So zählte 2021 mehr als die Hälfte (53,2 %) der alleinlebenden Erwachsenen zur Bevölkerung mit einem Einkommen von unter 22.000 Euro im Jahr. Knapp ein Drittel (32,2 %) der Alleinlebenden verfügte über ein Einkommen von weniger als 16 300 Euro und war demnach der untersten Einkommensgruppe zuzurechnen. Personen in Haushalten, in denen zwei bzw. drei oder mehr Erwachsene zusammenlebten, ließen sich hingegen häufiger den zwei oberen der fünf Einkommensgruppen zuordnen (49,0 % bzw. 55,7 %). Zu den obersten 40 % der Einkommensverteilung gehören Personen mit mindestens 28.400 Euro Nettoeinkommen im Jahr und zu den obersten 20 % diejenigen mit mindestens 38 100 Euro.

Rund die Hälfte aller Personen im Ruhestand mit Einkommen unter 22.000 Euro

Bei der Betrachtung der Einkommensverteilung nach der sozialen Stellung zeigt sich, dass die Hälfte (50,1 %) der Personen im Ruhestand im Jahr 2021 ein Nettoeinkommen von unter 22.000 Euro hatte, fast ein Viertel (24,6 %) verfügte über weniger als 16.300 Euro. Bei Studierenden, Schülerinnen und Schüler ab 16 Jahren lag der Anteil bei 55,4 % bzw. 35,6 %.

Bei Arbeitslosen und anderen nichterwerbstätigen Personen ab 16 Jahren gab es mit 77,1 % bzw. 58,3 % einen noch höheren Anteil in den zwei untersten Einkommensgruppen. Mehr als jede zweite arbeitslose Person (54,7 %) zählte zudem zu den 20 % der Bevölkerung mit den geringsten Einkommen. Bei den abhängig Erwerbstätigen sowie Selbstständigen gehörte hingegen gut die Hälfte (52,8 % bzw. 52,1 %) zu den zwei einkommensstärksten Gruppen der Bevölkerung.

3,7 % der Bevölkerung in Deutschland im Zahlungsverzug bei Versorgungsbetrieben

Insbesondere der Belastung durch stark steigende Energiepreise sollen die Maßnahmen des dritten Entlastungspaketes der Bundesregierung entgegenwirken. Im Jahr 2021 lebten 3,7 % der Bevölkerung in Deutschland in Haushalten, die bei Rechnungen von Versorgungsbetrieben wie etwa Strom- oder Gasanbietern im Zahlungsverzug waren. Der Anteil in Deutschland war geringer als beispielsweise im Nachbarstaat Frankreich, wo er 7,1 % betrug. Das geht aus Daten der EU-Statistikbehörde Eurostat hervor. In den Niederlanden waren mit 1,2 % dagegen vergleichsweise wenige Personen bei der Begleichung von Rechnungen für Versorgungsleistungen im Rückstand.

Fast ein Drittel der Bevölkerung hierzulande kann ungeplante Ausgaben nicht bestreiten

Deutlich höher fiel 2021 der Anteil der Personen aus, die in Haushalten lebten, welche aufgrund der finanziellen Situation nicht dazu in der Lage waren, größere, unerwartet anfallende Ausgaben aus eigenen Finanzmitteln zu bestreiten. In Deutschland traf dies im Jahr 2021 auf fast ein Drittel (31,9 %) der Bevölkerung zu. Niedriger fiel der Anteil etwa in Frankreich aus: Hier konnten 27,6 % der Bevölkerung für ungeplante Ausgaben nicht eigenständig aufkommen. In den Niederlanden lag der Anteil mit 15,1 % hingegen wesentlich niedriger. In Rumänien, Kroatien, Griechenland, Zypern und Lettland verfügten jeweils mehr als 40 % der Bevölkerung nicht über ausreichende finanzielle Rücklagen für ungeplante größere Ausgaben. Als unerwartet anfallende Ausgabe galt in jedem Staat in Abhängigkeit vom Einkommensniveau eine andere Summe. In Deutschland ging es um unerwartete Ausgaben in Höhe von 1.150 Euro oder mehr.

Ernährungsarmut

Kommentar

Armut ist bereits seit Jahrzehnten existent. Das im Jahr 2021 erstellte Video zeigt exemplarisch die ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung.  Mehr noch als bisher muss inzwischen muss zur Kenntnis genommen werden, dass noch mehr Gruppen der Bevölkerung bis in die Mittelschicht hinein wegen extremer Kostensteigerungen bei gleichzeitiger hoher Inflation von Armut bedroht oder bereits verarmt sind.

Es ist unerträglich, dass Teile der Geldelite immer noch glauben, jenseits gesetzlicher Regelungen schamlos ihre Privilegien ausnutzen und beibehalten zu können.

Artikel 15 GG:

Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Artikel und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Für die Entschädigung gilt Artikel 14 Abs. 3 Satz 3 und 4 entsprechend.

Wer nicht bereit ist, sich solidarisch zu verhalten , muss gesetzlich dazu gezwungen werden. Etwa mit der Anwendung des Art. 15 GG, mit einer prozentual deutlichen höheren Einkommenssteuer, aber auch mit einer hohen Vermögenssteuer insbesondere für leistungslos erworbene Vermögenzuwächse.

Es genügt eben nicht, sich karitativ zu engagieren und finanzielle Unterstützung zu gewähren, wenn diese Unterstützung aus der Portokasse erfolgt und vorrangig dem Ansehen des Unterstützers dient. Was müssen eigentlich die vielen Ehrenamtlichen empfinden, deren solidarischer Einsatz der Arbeit von Hauptamtlichen gleichkommt und nicht einmal eine Aufwandsentschädigung bekommen.

Ja, wir brauchen eine Zeitenwende. Eine solche, die die Solidarität in den Mittelpunkt stellt, die alle Profiteure des Marktradikalismus zur Kasse bittet und die zu einer dauerhaften Umverteilung von oben nach unten führt und damit die gegenwärtige Umverteilung von unten nach oben umkehrt. Eine solche Zeitenwende ist nicht illusorisch. Sie muss allerdings gewollt sein. Dazu gehört, dass die Bundesregierung ihre Funktion als Agentur des Kapitals beendet.

Rolf Aschenbeck

 

Methodische Hinweise:

Die im Text genannten Einkommenswerte beziehen sich auf das sogenannte Nettoäquivalenzeinkommen. Als Gewichtungsskala, die festlegt, welches Bedarfsgewicht jedem einzelnen Haushaltsmitglied zuzuordnen ist, wird nach europäischem Standard die modifizierte OECD-Skala herangezogen. Danach erhält die erste erwachsene Person im Haushalt (Person mit dem höchsten Beitrag zum Haushaltsnettoeinkommen) das Gewicht 1,0. Jede weitere erwachsene Person und jede jugendliche Person im Alter von 14 Jahren oder älter erhält das Gewicht 0,5 sowie jedes Kind unter 14 Jahren das Gewicht 0,3. Für unterschiedliche Haushaltszusammensetzungen ergeben sich so verschiedene Gesamtgewichte. Das Haushaltsnettoeinkommen, dividiert durch das Gesamtgewicht für den Haushalt, ergibt das für jede Person des Haushalts geltende Nettoäquivalenzeinkommen. Berechnet wird die hier dargestellte Einkommensverteilung durch das Bilden von fünf gleich großen Einkommensgruppen, sogenannten Einkommensquintilen. Die Grundlage für die Einkommensmessung ist das verfügbare Haushaltsnettoeinkommen (nach Steuern und Sozialabgaben) des Vorjahres der Erhebung (Einkommensreferenzjahr). Das Nettoäquivalenzeinkommen ist nicht zu verwechseln mit dem Einkommenskonzept des persönlichen Nettoeinkommens und kann mit diesem nicht sinnvoll verglichen werden.

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