Ansichten(eines Clowns?)

Die Interessen der Bevölkerung werden trotz eindeutiger Grundlagen zum Teil nur unzureichend wahrgenommen. Maßstab dafür, dass solche Grundlagen allgemein gelten, ist das Grundgesetz. Aber ist dieser Maßstab noch bindend? Die sogenannte Elite ist elitär, aber ist sie auch egalitär?

Um nicht mißverstanden zu werden. Es geht nicht um die mittelständischen Unternehmen und um die grosse Mehrheit der Bevölkerung, die sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst sind und überwiegend danach handeln. Es geht um eine Minderheit, die sich ohne Skrupel schamlos bereichert. Diese Minderheit ist nicht geneigt, sich an Grundrechte zu halten, die ihrem Interesse entgegenstehen. Habgier ist ihr Maßstab und deswegen ihre Handlungsmaxime.

Inhaltsverzeichnis

Minderheiten jenseits der Grundrechte?

Prima! Spekulanten, Betrüger, Zocker, Steuerhinterzieher und andere Zeitgenossen gleichen Kalibers können sich freuen. Das Jahr 2014 konnte ihnen nichts anhaben. Sie meinen, Steuerhinterzieher seien als Kriminelle gefasst und verurteilt worden? Ja, wo leben Sie denn? Sie leben in einem Land, in dem eine Minderheit glaubt, demokratische Grundrechte außer Kraft setzen zu können, um sich zum eigenen Vorteil Freiräume auf Kosten der Allgemeinheit zu verschaffen. Stattdessen muss es darum gehen, das Grundgesetz insgesamt als verpflichtende Grundlage persönlichen und politischen Handelns durchzusetzen.

Verwirklichung der Grundrechte

Dr. Norbert Lammert, Präsident des Deutschen Bundestages, hat sich zum Grundgesetz wie folgt geäußert: „Was in der Verfassung steht, ist eine Sache. Eine andere Sache ist die Frage, ob und wie die in ihr formulierten Werte auch verwirklicht werden. Doch darauf kommt es an.“

Aber wie sieht es mit der Verwirklichung aus? Im Absatz 2 des Artikels 14 heißt es: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Leider ist das Gegenteil der Fall. Eigennutz geht vor Gemeinnutz. Eigentum verpflichtet nicht, sondern wird rücksichtslos zum eigenen Vorteil genutzt. Gemeint sind nicht die Eigentümer eines Einfamilienhauses oder einer Eigentumswohnung, die nicht über Andere bestimmen können, gemeint sind die Eigentümer von Produktionsmitteln, die Macht ausüben, sich schamlos bereichern und abhängig Beschäftigte ausbeuten.

 

Oder Artikel 20a (Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Tiere): „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung.“ Wenn es so wäre, müsste das schädliche Fracking generell verboten werden, weil es die natürlichen Lebensgrundlagen mißachtet. Dann müssten die Atomkonzerne als Eigentümer zur Verantwortung gezogen werden für den Atommüll mit der Vielzahl maroder Atomfässer. Stattdessen entsorgen sie nicht nur ihre Verantwortung, die sie an sich für das Wohl der Allgemeinheit haben, sondern sie sind perfide genug, die künftigen Generationen mit diesem Atommüll zu schädigen und glauben auch noch, Entschädigungen in Milliardenhöhe verlangen zu können.

Wundern muss man sich darüber nicht, wenn Lobbyisten der Konzerne und der Banken in den Ministerien maßgeblich gesetzliche Regelungen vorbereiten, obwohl die erwähnten demokratischen Grundrechte als unmittelbar geltendes Recht Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung binden (Artikel 1, Absatz 3).

Habgier

Bischöfin Kirsten Fehrs: Nicht Reichtum ist verwerflich, sondern die Habgier. Wer mehr hat, als er braucht und eifrig darauf bedacht ist, so wenig zu geben wie nur irgend möglich, der leidet unter “Pleonexia” – so das griechische Bibelwort. Die Unfähigkeit zu teilen. Oder auch die Sucht, alles haben zu wollen. Und die ist letztlich tödlich, sozial tödlich.

 

Wie wäre es mit der Anwendung des Artikels 15 (Vergesellschaftung). Dort heißt es: „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden.“ Dieser Artikel steht im unmittelbaren Zusammenhang mit Artikel 14, mit dem eine Enteignung zum Wohl der Allgemeinheit zulässig ist.

Dieser Artikel hätte bei den bekannten Atomkonzernen, auch Energiekonzerne genannt, längst angewendet werden müssen. Regionale Versorger wären von einer solchen Enteignung ausgeschlossen, weil sie keine Betreiber von Atomkraftwerken sind und keine Altlasten auf Kosten der Allgemeinheit zu entsorgen haben.

Anspruch und Wirklichkeit

Bin ich jetzt ein Radikaler, weil ich mich auf das Grundgesetz berufe? Oder bin ich tatsächlich nur ein Träumer, weil ich möchte, das die Regelungen des Grundgesetzes ohne Ansehen von Personen angewendet werden? Anspruch und Wirklichkeit stimmen offensichtlich bei den erwähnten Artikeln des Grundgesetzes nicht überein. Das zu ändern, muss nachdrücklich von den Bürgern und den Parteien eingefordert werden. Die Bürger wollen das mehrheitlich, aber wollen das auch die Parteien? Auch die demokratischen Parteien wollen das, und sie handeln auch prinzipiell nach den Regeln des Grundgesetzes. Aber reicht der politische Wille innerhalb der Parteien, um die Macht der Konzerne zu brechen?

Für Demokraten gibt es bei den erwähnten Artikeln Handlungsbedarf. Dazu gehört, z.B., den ausufernden Lobbyismus deutlich einzuschränken, um zu verhindern, dass eine Minderheit die Mehrheit majorisiert. Dazu gehört aber auch der politische Wille, diesen Artikeln endlich zu entsprechen. Fracking ist nur ein Beispiel.

 

Sigmar Gabriel zum Grundgesetz

Auf die Frage in der Ausgabe des „Vorwärts“ vom Febr./März 2015: „Benötigt unsere Gesellschaft ein neues Leitbild für das Zusammenleben der Kulturen?“ antwortet der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel: „Die Leitkultur für alle, das sind die ersten 20 Artikel unserer Verfassung. Wer sie durch sein Handeln verletzt, der stellt sich gegen unsere freiheitliche Gesellschaft.“

Und wie ist es zu beurteilen, wenn diese 20 Artikel  zum Teil mißachtet werden? Ist die freiheitliche Gesellschaft dann noch gewollt? Wie ist in diesem Zusammenhang die Aussage von Sigmar Gabriel, immerhin Vorsitzender der SPD, zu verstehen, wenn er behauptet, dass Pegida „ganz offensichtlich“ zu einem demokratischen Deutschland gehört, obwohl diese Bewegung überwiegend verfassungsfeindlich ist (HA 05.Febr.2015)?

Als Sozialdemokrat bin ich über eine solche Aussage entsetzt.

Verfassungsfeinde ächten

Zu den Verfassungsfeinden gehören die rechtspopulistische AfD und die rechtsextreme und teils kriminelle Organisation „Pegida“. Es handelt sich um Rattenfänger der übelsten Sorte. Inzwischen hat sich die AfD nicht nur wegen ihrer personellen und inhaltlichen Verbindung zu „Pegida“ selbst demaskiert. Dennoch wird es viele Wähler geben, die die AfD wählen werden; nicht etwa, weil sie an sich verfassungsfeindlich eingestellt sind, sondern weil sie populistischen Versprechungen glauben und den etablierten Parteien nicht mehr vertrauen.

Weihnachtswunsch

In diesem Sinne wünsche ich mir ein besseres Jahr 2015, d.h. keine Sprechblasen, keine Symbolpolitik, keine Bevorzugung einer sogenannten Elite und keine Toleranz für Verfassungsfeinde, sondern politisches und persönliches Handeln auf der Grundlage des Grundgesetzes im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung. Dazu gehören u.a. die Ächtung der AfD, die Ablehnung von TTIP, die Umverteilung von oben nach unten z.B mit der Einführung der Vermögenssteuer, die Beendigung der zunehmenden Spaltung von arm und reich, die mit dem Mindestlohn nur kosmetisch geändert wird, und das Ende des Privatisierungswahns.

Vermögen teilen

Die nebenstehende Grafik, die aktuell noch desaströser aussähe, weil die Vermögensschere weiter auseinander gegangen ist, zeigt nicht, dass Gewinne, die das Vermögen erhöhen, inzwischen nur noch unzureichend versteuert werden. Sie zeigt auch nicht, dass die meisten Arbeitnehmer und Rentner in der Vermögensskala inzwischen ganz unten angesiedelt sind.

Käme es zu einer Vermögenssteuer, zur Verhinderung der Steuerflucht und zu einer Absenkung der Mehrwertsteuer, sähe die Grafik heute anders aus, obwohl sie die Verteilungsungerechtigkeit nicht beseitigte.

Zorn und Empörung:

Eine Spekulantensteuer ist deswegen darüber hinaus überfällig. Diese Steuer und die Vermögenssteuer haben nichts mit Neid oder Mißgunst zu tun, sondern sind ein Gebot der Verteilungsgerechtigkeit und damit der Steuergerechtigkeit. Voraussetzung dafür ist, dass dafür die Bereitschaft besteht. Sie ist politisch offensichtlich nicht gewollt.

Demonstranten der Pegida gegen das Grundgesetz

Pegida und die kriminelle Führung. Und trotzdem 15.000 Demonstranten ausgerechnet in Dresden, einer an sich weltoffenen Stadt. Seit wann wird einem Kriminellen gefolgt. Ist denen der Rechtsstaat, ist denen das Grundgesetz egal? Um es deutlich zu sagen: Wer sich nicht an die Regeln auf der Grundlage des Grundgesetzes hält und sie mißachtet, was diese kriminelle Organisation Pegida praktiziert, wer sich also offensichtlich gegen demokratische Grundrechte bekennt, ist objektiv selbst einVerfassungsfeind.

Handelsblatt

Zweifelsohne sind es die zwielichtigen Rädelsführer der Pegida, die den ersten Stein geworfen haben. Doch wer sich als vernunftbegabter Bürger oder auch als AfD-Mitglied diesen zündelnden Aufwieglern anschließt und Schulter an Schulter gegen Flüchtlinge, Asylbewerber und Überfremdung demonstriert, betreibt nicht nur deren Ressentiment-Geschäft, er fördert es. Wer Mißstände der Integrationspolitik anprangern will, muss sich nicht mit selbst ernannten Rettern des Abendlands in eine Kampffront begeben.

 

Deshalb ist es abgrundtief irrig, wenn konservative Politiker in den Wutbürgern verführte, instrumentalisierte Gutbürger wähnen, so als ob diese nicht wüßten, wem sie sich anschließen(!). Nein, wer unter dem Bürgerkriegsbanner des Fremdenhasses und der Säuberung des Abendlandes auf die Strasse geht, dreht kräftig mit an der Hassspirale, die unversehens in Gewalt münden kann

Die Saat geht auf

21.12.2014, 17:03 Uhr | dpa

Am Wochenende kam es zu gewaltsamen Attacken auf Asylbewerber und muslimische Einrichtungen. In Plöwen (Neubrandenburg) fuhr ein Autofahrer gezielt auf zwei syrische Asylbewerber zu, die auf dem Fahrrad unterwegs zurück in ihre Unterkunft waren. Und in Baden-Württemberg und Niederbayern sind afrikanische Flüchtlinge Opfer von Übergriffen geworden.

Rolf Aschenbeck

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