Agressor Ukraine?

Inhaltsverzeichnis

Konfrontation statt Dialog

Kaum ein Jahr ist seit dem politischen Umsturz in Kiew vergangen und schon verwandeln sich die damaligen Vorgänge und ihre Folgen in Mythen, die das Zeug haben, das ideologisch zu vernebeln, was stattgefunden hat und stattfindet. Die fünf wichtigsten werden genannt. Von Kai Ehlers, den NachDenkSeiten gekürzt und redaktionell geändert entnommen.

Mythos 1:Russland führt Krieg gegen die Ukraine

Diese Behauptung führt konsequent dahin, dass Angela Merkel und François Hollande heute vor aller Welt in der Pose von Schlichtern auftreten können, die Wladimir Putin dahin bringen müssten, den Krieg, den Russland angeblich gegen die Ukraine führt, im Dialog miteinander zu beenden. Das ist eine famose Position für Angela Merkel, nachdem sie als Kanzlerin Deutschlands und als die zur Zeit führende Stimme der Europäischen Union zuvor an der Entstehung des Maidan-Aufruhrs und dem daraus folgenden Sturz des gewählten Präsidenten Viktor Janukowych und allen daraus hervorgehenden Folgen aktiv gewirkt hat.

Perverser, und man muss gestehen, wirkungsvoller kann die Verdrehung von Ursache und Wirkung in diesem ukrainischen Drama nicht mehr inszeniert werden.

Tatsache ist nämlich, dass nicht Russland und die Ukraine im Krieg miteinander liegen, sondern die Kiewer Führung mit Teilen ihrer eigenen Bevölkerung. Nicht Russland hat die Ukraine überfallen und nicht Russland bombardiert ukrainische Städte, sondern die Kiewer Regierung hat der Bevölkerung des Ostens, nachdem sie diese zu Terroristen erklärt hat, den Krieg erklärt und bombardiert Städte des eigenen Landes; mit der Begründung der territorialen Integrität. Hat man etwas davon gehört, dass die „Terroristen“ in vergleichbarer Weise Kiew bombardierten oder mit gezieltem Terror heimsuchten?

Wie wahnsinnig muss eine Führung sein, die ihr eigenes Land zusammenschießen lässt, statt mit ihren Landsleuten in den Dialog um die von ihnen geforderten politischen Vorstellungen um mehr Autonomie zu gehen.

Mythos 2:Russland hat die Krim annektiert

Mit einer gewaltsamen, das bestehende Völkerrecht verletzenden Annexion der Krim habe Russland die Europäische Friedensordnung gebrochen, die Souveränität der Ukraine verletzt und damit eine globale Kriegsgefahr heraufbeschworen. Der Frieden könne nur gesichert werden, wenn Russland von diesem Schritt zurücktrete.

Tatsache ist, dass der Übergang der Krim in die russische Föderation nicht Ursache des Umsturzes in der Ukraine war, sondern Folge. Tatsache ist auch, dass Russland die Krim nicht gewaltsam erobert hat, sondern einen Antrag seitens der Bevölkerung der Krim angenommen hat, die sich angesichts des Kiewer Umsturzes und der damit auf sie zukommenden Gefahr der „Ukrainisierung“ zuvor aus der Ukraine in einem Referendum gelöst hatte. Generell gesagt, nicht Russland hat in der Ukraine interveniert, nicht Russland hat den Maidan zur offenen Revolte ermutigt; Putin soll Janukowytsch im Gegenteil sogar, was ihm von westlicher Seite vorgehalten wird, zur polizeilichen Niederschlagung der Proteste geraten haben. Es waren die atlantischen Mächte, allen voran die USA, die seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion den Plan verfolgten, die Ukraine aus dem russischen Einflussbereich herauszulösen, um die Wiederentstehung Russlands als möglichen Rivalen für alle Zeit zu unterbinden.

Die Elemente dieser Strategie sind praktisch nachzuverfolgen in der schrittweisen Osterweiterung von NATO und EU seit 1991,  einschließlich der Stationierung von Abfangraketen direkt an den Grenzen Russlands u.a.m. Dies alles wurde schon vielfach dokumentiert, muss aber offenbar immer wieder aus der Vergessenheit herausgeholt werden, so wie es der russische Außenminister Sergej Lawrow auf der Münchner Sicherheitskonferenz vor ein paar Tagen tat. Nachzulesen auf der Internetplattform www.russland.ru

 

 

Mythos 3:Das Recht zur Selbstverteidigung

Tränentreibend ins Bild gesetzt wird vom Ukrainischen Präsidenten Poroschenko für die Ukraine der Eindruck eines bedrängten, bemitleidenswerten David erzeugt, der doch das Recht haben müsse, sich gegen einen brutalen Goliath zur Wehr zu setzen. Wer will da nicht solidarisch sein!

Aber Tatsache ist: Über das hinaus, was bereits dazu gesagt wurde, liegt dieser Legende die falsche Behauptung zugrunde, Russland führe Krieg gegen die Ukraine, stellt sie selbst noch die Realitäten des innerukrainischen Bürgerkriegs glatt auf den Kopf: Es war die Übergangsregierung, die, nach dem Umsturz kaum an der Macht, die Sprachautonomie von Minderheiten unter dem Motto der „Ukrainisierung der Ukraine“ aufhob, diesen Akt zwar nach internationalem Protest zurücknahm, ihre einmal eingeschlagene Linie der zwangsweisen Ukrainisierung, statt eines Dialoges mit anders denkenden Teilen der Bevölkerung jedoch konsequent und aggressiv fortsetzte – von der Illegalisierung des Referendums für einen Autonomiestatus in den östlichen Bezirken bis hin zur politischen und militärischen Mobilisierung gegen die zu Terroristen erklärten Parteigänger autonomer und föderaler Neugliederung des Landes und die von ihnen gebildeten Volksrepubliken Donezk und Lugansk.

Der Pose des David stehen die immer wieder erneuerten Brandreden der Kiewer Führung gegenüber, die bis zum heutigen Tag zu keinem Dialog mit den „Terroristen“ bereit ist, sondern deren militärische Unterwerfung anstrebt. Dass aus dieser Politik eine Eskalationsspirale hervorgegangen ist, in der auch die östliche Seite aufgerüstet hat, liegt auf der Hand, kann unter diesen Bedingungen gar nicht anders sein. Statt sich als David öffentlich bedauern zu lassen und um „tödliche Defensivwaffen“ für eine Intensivierung der Offensive zu werben, hätte die Kiewer Führung dem ganzen Spuk schon längst ein Ende bereiten können, wenn sie in den direkten Dialog mit den „Volksrepubliken“ gegangen wäre.

Mythos 4:In der Ukraine wird die Westliche Wertegemeinschaft verteidigt

Tatsache ist, dass der nationalistische Eifer, der sich aus dem Westen kommend über das Land verbreitet, verbunden mit einer gnadenlosen Austeritätsdiktatur dem, was als westliche Wertegemeinschaft propagiert wird, folgende Auswirkungen hat: Schlimmere Korruption als zuvor, jetzt durch Privatisierungsprogramme legitimiert, bestürzender Abbau sozialer Standards, Einschränkung der Informationsfreiheit auf „national nützliche“ Informationen durch das neu gebildete Informationsministerium, Diskriminierung von nicht-national-ukrainischen Minderheiten und marodierende faschistische Banden, die die Regierung zu stürzen drohen, sollte sie die „nationale Revolution“  verraten.

Man kann sich nur noch wundern, mit welcher Schamlosigkeit, vielleicht auch genauer, mit welchem Zynismus diese Entwicklung von der Mehrheit unserer politischen Klasse geleugnet wird – wenn es nicht überhaupt interessengeleitete Dummheit ist.

Im Osten des Landes wächst die Abkehr von den so gewendeten Werten des Westens jedenfalls mit jedem Tag, an dem weitere Menschen mitten in ihren Städten aus ihren Wohnungen gebombt und auf den Straßen zerfetzt werden.

Mythos 5:Solidarität mit Ukraine notwendig

In der Solidarität mit der Ukraine festige sich die westliche Allianz, versichern zurzeit Vertreter und Vertreterinnen aller westlichen Lager unisono. Angela Merkel ist auf dem besten Wege zum globalen Friedensengel zu avancieren. Was für ein Prestigegewinn für die Deutschen, wie es scheint!

Tatsache ist allerdings, dass der Vorstoß der USA eindeutig auf Schwächung der Europäischen Union, insbesondere auch auf eine Störung der Beziehungen zwischen Deutschland und Russland zielt. EU und insbesondere Deutschland bluten sich in der Unterstützung der bankrotten Ukraine, unter dem Druck der von ihnen selbst beschlossenen Sanktionen und durch die Zerstörung ihrer Beziehungen zu Russland aus, statt mit Russland gemeinsam einen autarken Eurasischen Raum aufzubauen, der dem Hegemonialanspruch einer einzigen Supermacht widerstehen könnte.

Aufruf zum Frieden, Dezember 2014

Medienschaffende beklagen sich darüber, dass sie in diesen Tagen oft hart kritisiert werden. Das gilt insbesondere für die Vertreter der Öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Das mag da und dort ungerecht sein. Aber: Die Medien machen es einem auch wirklich schwer. Sie posaunen hinaus, was ihnen gefällt und was in ihre Kampagnen passt, und verschweigen, was ihnen zuwider ist. Ein Beispiel aus der vergangenen Woche belegt diesen Eindruck leider wieder einmal. Es geht um die Reaktion auf den Aufruf von mehr als 60 Prominenten “Wieder Krieg in Europa? Nicht in unserem Namen!” 

Dieser Aufruf im Dezember 2014 ist völlig unbeachtet geblieben, weil er nicht ins Bild der Kriegstreiber und deren Claqueure auch in den Medien passt.

Anmerkungen

Unbestrittene Tatsache ist, dass sich die Nato und die EU immer weiter nach Osten ausgebreitet haben und nicht einmal der Versuch gemacht worden ist, den Dialog mit Russland zu suchen, um auch mit Vereinbarungen klarzustellen, dass Konfrontation nicht die Zielsetzung ist. Das Gegenteil war und ist der Fall.

Im übrigen: Wenn eine Region eines Landes gerade bei ethnischen Unterschieden eine größere Autonomie von einer Zentralregierung oder sogar eigenständig sein möchte, dann ist das legitim und  eigentlich demokratischer Konsens, die Bevölkerung solcher Regionen selbst darüber entscheiden zu lassen. Das war bei ehemaligen Tschechoslowakei der Fall, aus der mit Tschechien und der Slowakei zwei unabhängige Staaten hervorgegangen sind; und auch in Schottland hat es eine demokratische Entscheidung gegeben; zwar gegen eine Abspaltung von Großbritannien, aber mit der Folge einer größeren Autonomie.

Mehr Autonomie war auch in der Ostukraine zunächst das Ziel.

Nachtrag

Am 13.Februar 2015 zeigt die Tagesschau einen Bericht aus der Ukraine, in dem der ukrainische Präsident Poroschenko sich als kriegslüsterner Despot entlarvt. Er meint nämlich, dass nicht die Diplomatie, sondern die Waffen entscheiden. Und das einen Tag nach einem sogenannten Waffenstillstand, den er offensichtlich nicht nur nicht will, sondern konterkariert. Es handelt sich bei diesem Präsidenten um einen rechtsextremen Kriegstreiber, der auch noch von der EU hofiert wird. Diesem irren Präsidenten muss  die Unterstützung der EU entzogen werden, weil die Ukraine kein demokratischer Partner, sondern korrupt und militaristisch ist.

Leider wird die EU an Poroschenko festhalten mit der Folge, dass der Krieg trotz des  vereinbarten Waffenstillstands weitergeht. Dafür sind die EU und auch Deutschland verantwortlich, die der Hegemonie der USA nicht entgegentreten.

Was für ein Desaster!

Rolf Aschenbeck

 

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