Ärztliche Zweitmeinung

Berlin (kkdp)·Der Anspruch von gesetzlich Versicherten auf eine zweite ärztliche Meinung besteht zukünftig auch vor dem planbaren Einsatz eines Herzschrittmachers oder Defibrillators. Das hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA)1 jetzt beschlossen.

Ambulant oder stationär tätige Ärzte können nach Inkrafttreten des Beschlusses eine Genehmigung bei den Kassenärztlichen Vereinigungen beantragen, Zweitmeinungen abgeben und gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen abrechnen zu dürfen. Die sogenannten Zweitmeiner prüfen auf Wunsch einer Patientin oder eines Patienten, ob der empfohlene Eingriff auch aus ihrer Sicht medizinisch wirklich notwendig ist. Zudem beraten sie die Versicherten zu möglichen Behandlungsalternativen.

Überprüfung von Behandlungsalternativen

In den Jahren 2008 bis 2018 sind die Eingriffszahlen zum Einsetzen von Herzschrittmachern und Defibrillatoren um 15 Prozent gestiegen – wobei deutliche regionale Unterschiede zu sehen sind, die sich medizinisch nicht erklären lassen. Der G-BA sieht deshalb im Anspruch auf eine ärztliche Zweitmeinung eine geeignete Möglichkeit für Patienten, sich über die medizinische Notwendigkeit sowie zu medikamentösen und körperlich weniger eingreifenden Behandlungsalternativen beraten zu lassen.

Einsatz von Herzschrittmachern und Defibrillatoren

Herzschrittmacher und Defibrillatoren werden bei einer Reihe von Erkrankungen des Herzens eingesetzt: beispielsweise bei Herzrhythmusstörungen und einer verminderten Herzfunktion (Herzinsuffizienz). Die in den Körper eingesetzten Geräte können u.a. den Herzrhythmus stabilisieren beziehungsweise auch Todesfälle aufgrund eines Herzstillstandes verhindern – denn es gibt Erkrankungsbilder, für die eine medikamentöse Therapie nicht (mehr) in Frage kommt.

Zweitmeinungsgebende Fachärzte

Ärzte, die für den Einsatz von Herzschrittmachern und Defibrillatoren als sogenannte Zweitmeiner tätig sein wollen, müssen in einer der folgenden Fachrichtungen qualifiziert sein:

Innere Medizin und Kardiologie
Innere Medizin mit Schwerpunkt Kardiologie
Herzchirurgie
Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt Kinderkardiologie
Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt Kinder- und Jugendkardiologie

Zudem gelten die generellen Anforderungen des G-BA, die zweitmeinungsgebende  Ärzte hinsichtlich ihrer Qualifikation und Unabhängigkeit erfüllen müssen.

Inanspruchnahme der neuen Zweitmeinung

Sofern das Bundesministerium für Gesundheit keine rechtlichen Einwände gegen den Beschluss hat, tritt er mit Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft. Versicherte werden zweitmeinungsberechtigte Fachärztinnen und Fachärzte über die Website des ärztlichen Bereitschaftsdienstes finden: www.116117.de/zweitmeinung

Zweitmeinungsverfahren bei geplanten Operationen

Gesetzlich Versicherte haben bei planbaren Operationen gemäß § 27b SGB V einen Rechtsanspruch auf eine unabhängige ärztliche Zweitmeinung. Der G-BA legt in der Richtlinie zum Zweitmeinungsverfahren den genauen Leistungsumfang eines Zweitmeinungsverfahrens fest. Zudem wählt er aus, für welche Eingriffe dieser Anspruch besteht.

Ein rechtlicher Zweitmeinungsanspruch besteht aktuell bei den folgenden planbaren Eingriffen:

Amputation beim diabetischen Fußsyndrom
Eingriff an Gaumen- oder Rachenmandeln
Eingriff an der Wirbelsäule
Gebärmutterentfernung
Gelenkspiegelungen an der Schulter
Implantation einer Knieendoprothese

Erst vor kurzem hatte der G-BA den Zweitmeinungsanspruch bei einer Herzkatheteruntersuchung oder einer Verödung von Herzgewebe (Ablation) beschlossen. Der entsprechende Beschluss wird in Kürze in Kraft treten.  

1Der Gemeinsame Bundesausschuss

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist das höchste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen. Er bestimmt in Form von Richtlinien, welche medizinischen Leistungen die ca. 73 Millionen Versicherten beanspruchen können. Darüber hinaus beschließt der G-BA Maßnahmen der Qualitätssicherung für Praxen und Krankenhäuser.

Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung

Die grundsätzlichen Entscheidungen zum Leistungsanspruch der gesetzlich Krankenversicherten trifft in Deutschland der Gesetzgeber. Mit der Aufgabe, den sogenannten Leistungskatalog der Krankenkassen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu konkretisieren, hat der Gesetzgeber den G-BA als höchstes Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung betraut. Das Bundesministerium für Gesundheit nimmt die Rechtsaufsicht wahr.

Der G-BA wird von den vier großen Selbstverwaltungsorganisationen im Gesundheitssystem gebildet:

  • Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV),
  • Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV),
  • Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und
  • Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband)

 

 

 

image_printDrucken